Das Arbeitsgericht Mainz hat ein unbefristet fortbestehendes Arbeitsverhältnis bei einem Profifußballer bejaht. Es folgte ein gewaltiges mediales Echo.
Der Pokal hat seine eigenen Gesetze, lautet eine verbreitete Fußballweisheit. Geht es ums Arbeitsrecht, gelten hingegen auch im Profifußball grundsätzlich dieselben Regeln und Gesetze wie in allen anderen Bereichen der Arbeitswelt. Zu diesem Schluss kommt auch das Arbeitsgericht Mainz in einer viel beachteten Entscheidung vom 19.03.2015 (Az: 3 Ca 1197/14) und hat damit einiges Aufsehen erregt.
Streit um Befristung des Arbeitsvertrags
Heinz Müller spielte als Torwart beim Fußball-Bundesligisten 1. FSV Mainz 05. Im Jahr 2009 hatte er einen auf drei Jahre befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen, der 2012 um zwei Jahre verlängert wurde.
Im Winter 2013/2014 warf ihn der damalige Trainer Thomas Tuchel jedoch aus dem Kader der ersten Mannschaft, so dass er fortan in der zweiten Mannschaft spielen musste. Als der Verein Müllers Vertrag nach Ablauf der Saison 2013/2014 nicht weiter verlängerte, klagte Müller vor dem Arbeitsgericht: Zum einen forderte er die Zahlung von Prämien, die ihm aufgrund seiner Degradierung in die zweite Mannschaft entgangen waren, zum anderen verlangte er die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis unbefristet fortbesteht.
Das Arbeitsgericht Mainz hat die geltend gemachten Prämienansprüche zwar verneint, ein unbefristet fortbestehendes Arbeitsverhältnis aber bejaht – und darin liegt der Zündstoff der Entscheidung.
Die Urteilsgründe stehen noch aus. Aus den bislang vorliegenden Informationen lässt sich aber entnehmen, dass das Gericht die Befristung des Arbeitsvertrags nach Maßgabe des § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) mangels Sachgrund für unwirksam hält, mit der Folge, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Der FSV Mainz 05 hat bereits erklärt, gegen das Urteil in Berufung gehen zu wollen.
Gewaltiges mediales Echo
Das mediale Echo auf diese Entscheidung war – nicht nur in juristischen und fußballerischen Fachkreisen – groß. Von einem „Urteil mit Sprengkraft″ und einem „Irrsinns-Urteil″ war die Rede. Es drohe die Vergreisung der Bundesliga und der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Ligen, wenn Arbeitsverträge mit Fußballern nicht mehr ohne Weiteres befristet werden könnten, hieß es. Die Spielergewerkschaft VDV (Vereinigung der Vertragsfußballspieler) forderte gar den Abschluss eines Tarifvertrags für Profifußballer, in dem auch die Frage der Befristung rechtssicher geregelt werden könne.
Juristisch vertretbare Entscheidung
Aus rein juristischer Sicht lässt sich dieses Medienecho nicht erklären, denn die Entscheidung erscheint – soweit sich das ohne Kenntnis der Urteilsgründe sagen lässt – rechtlich vertretbar.
Dass Lizenzspieler der Bundesliga Arbeitnehmer im rechtlichen Sinne sind, ist alles andere als neu (BAG, Urteil vom 08.12.1998 – 9 AZR 623/97, NZA 1999, 989). Daher findet auch das TzBfG Anwendung auf Arbeitsverhältnisse zwischen Profifußballern und Vereinen (bzw. deren angeschlossenen Kapitalgesellschaften, in die der Profibereich bei vielen Vereinen der ersten und zweiten Bundesliga ausgelagert ist). Bei befristeten Arbeitsverträgen zwischen diesen Parteien sind daher die strengen Vorgaben des § 14 TzBfG zu beachten.
Ohne Vorliegen eines Sachgrundes kann ein Arbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG nur bis zur Dauer von maximal zwei Jahren befristet werden. Für längere Befristungszeiträume ist ein sog. Sachgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG erforderlich.
Einen solchen konnte das Arbeitsgericht im Fall Müller offensichtlich nicht erkennen. Der Verein hatte argumentiert, dass er aufgrund der Ungewissheit der Leistungserwartung keinen unbefristeten Vertrag mit dem heute 36-jährigen Kläger geschlossen habe. Damit zielte der Verein vermutlich auf den gesetzlich normierten Befristungssachgrund der „Eigenart der Arbeitsleistung″ (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG) oder auch auf „in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe″ (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG). Außerdem hatte der Arbeitgeber auf die Branchenüblichkeit verwiesen.
Dem folgte das Arbeitsgericht nicht. In einer Pressemitteilung heißt es, die Eigenart der Arbeitsleistung als Profifußballer rechtfertige als solche nicht die Befristung des Arbeitsvertrags.
Richtig ist sicherlich, dass die Branchenüblichkeit alleine kein ausreichendes Argument für eine Sachgrundbefristung ist. Ob die Eigenart des Profifußballs bzw. der von Profifußballern zu erbringenden Leistungen einen Sachgrund für eine Befristung darstellen kann, ist hingegen umstritten: Früher wurde hierbei zum Teil mit dem Abwechslungsbedürfnis des Publikums argumentiert. Dagegen wird jedoch zurecht eingewandt, dass dieses Bedürfnis beim Fußball deutlich geringer ist als zum Beispiel im Bühnenbereich – jedenfalls solange Spieler und Verein gemeinsam erfolgreich sind. Auf der anderen Seite ist zumindest bei Spielern, die sich dem 35. Lebensjahr nähern, nicht zu verkennen, dass der altersbedingte Leistungsabfall im Profisport weitaus gravierender zum Tragen kommt als in anderen Berufen.
Welcher Ansicht man auch folgt: Das Ergebnis, zu dem das Arbeitsgericht gekommen ist, fällt juristisch gesehen wohl nicht völlig aus der Rolle.
Warum die Aufregung?
Warum also dann all die Aufregung, wenn das Gericht doch zu einer durchaus vertretbaren Auslegung des Gesetzes gekommen ist?
Zum einen gilt es aus der Sicht vieler – nicht nur der Vereine selbst – immer noch als „Frevel″, wenn ein Profifußballer seinen (ehemaligen) Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht verklagt und sich auf Arbeitnehmerrechte beruft. Der Deal gilt gemeinhin als ausgemacht: Der Profifußballer hält seine Knochen hin bis er (maximal) Mitte Dreißig ist, kassiert in dieser Zeit viel Geld und scheidet dann leise und ohne juristischen Zank aus.
Wer sich daran nicht hält und vor Gericht auf seine Rechte als Arbeitnehmer pocht, gilt in der Branche als „verbrannt″ – und außerhalb der Branche schnell als raffgierig. Oft heißt es dann, es könne doch nicht sein, dass jemand, der so viel Geld verdient, arbeitsrechtlich genauso geschützt ist wie ein Fabrikarbeiter, der nur einen Bruchteil des Fußballersalärs verdient.
Zuzugeben ist dem, dass der Gesetzgeber einen Mario Götze (geschätztes Jahresgehalt: 12 Mio. Euro) oder einen Marco Reus (geschätztes Jahresgehalt: knapp 10 Mio. Euro) eher nicht im Sinn hatte, als er die Regeln für befristete Arbeitsverträge aufgestellt hat. Andererseits sieht das TzBfG keine Gehaltsobergrenze vor, ab der es nicht mehr anzuwenden wäre.
Erhebliche Konsequenzen befürchtet
Die Aufregung um die Entscheidung aus Mainz begründet sich jedoch in erster Linie aus den erheblichen Konsequenzen, die sie für die Welt des Profifußballs haben könnte, sollte die nächste Instanz oder sogar das Bundesarbeitsgericht sich dem Arbeitsgericht Mainz anschließen.
Ist eine Befristung von Arbeitsverträgen mit Profifußballern für einen längeren Zeitraum als zwei Jahre zukünftig nicht mehr möglich, wären Vereine, die kein juristisches Risiko eingehen und ihre Spieler auch nicht bis zur Rente beschäftigen wollen, gezwungen, ihre Spieler nach spätestens zwei Jahren ziehen zu lassen. Eine Ablösezahlung würden sie dann – Bosman sei Dank – auch nicht erhalten.
Will ein Verein einen Spieler länger als zwei Jahre sein Trikot tragen lassen, ginge er das Risiko eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ein. Möchte der Verein den Spieler dann loswerden, muss er das Arbeitsverhältnis kündigen – und bedarf dafür eines Kündigungsgrunds nach dem Kündigungsschutzgesetz, der in der Regel nicht vorliegen wird. Zudem hätte auch der Spieler jederzeit die Möglichkeit zu kündigen, wenn er den Verein (ablösefrei) wechseln möchte.
Prognose: Keine Revolution des Sportarbeitsrechts
An dieser Stelle sei eine Prognose gewagt: So weit wird es nicht kommen. Spätestens das Bundesarbeitsgericht wird den Vereinen eine Möglichkeit eröffnen, Spielerverträge weiterhin auch für mehr als zwei Jahre zu befristen. Ob das juristisch dann auch überzeugt, bleibt abzuwarten.
Selbst wenn das Bundesarbeitsgericht keine Gelegenheit bekommt, sich zu dem Fall zu äußern, weil die Parteien sich vorher vergleichen, ist davon auszugehen, dass das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz nicht zu der in den letzten Tagen häufig zitierten Vergreisung der Bundesliga führen wird. Schon weil die wenigsten Spieler es sich mit der Branche verscherzen wollen, wird die Revolution des Sportarbeitsrechts ausbleiben.
Allerdings hat man das zu Beginn des Bosman-Verfahrens vermutlich auch gedacht.