21. Oktober 2022
Versetzung Trainer Profi
Arbeitsrecht

Unzulässige Versetzung eines Trainers vom Profibereich in das NLZ

ArbG Hannover: Versetzung eines Trainers vom Profi- in den Nachwuchsbereich ist nicht von Direktionsrecht gedeckt.

In der Vergangenheit hatten sich die Arbeitsgerichte bereits häufiger mit Fällen zu befassen, in denen professionelle Mannschaftssportler* von ihren Clubs in eine nachgeordnete Mannschaft versetzt worden waren (vgl. etwa ArbG Bielefeld, Urteil v. 16. Februar 2011 – 6 Ga 7/11).

Auch das Arbeitsgericht Hannover hatte im März dieses Jahres über die Wirksamkeit einer Versetzung innerhalb eines professionellen Sportclubs zu befinden. In der Sache handelte es sich allerdings nicht um die Versetzung eines Spielers, sondern um die eines Trainers vom Profibereich in das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) seiner Arbeitgeberin. Bei dem Nachwuchsleistungszentrum handelt es sich um ein vom DFB gefördertes und zertifiziertes Leistungszentrum, das eine sportliche Anlaufstation für Fußballspitzentalente ist. Die dortigen Lizenzspieler (= Spieler, die aufgrund einer Spielerlizenz für die Fußball-Bundesliga und 2. Fußball-Bundesliga spielberechtigt sind) werden gefördert, trainiert und bei Verletzungen rehabilitiert, um aus diesem Kreis eine möglichst große Anzahl an Lizenzspielern in den Profikader zu integrieren.

Das Arbeitsgericht hat geurteilt, dass die Versetzung des Trainers unwirksam war. Nach Auffassung des Gerichts war die Versetzung nicht von dem Direktionsrecht des Clubs gedeckt (ArbG Hannover, Urteil v. 29. März 2022 – 1 Ca 147/21).

Versetzung des Trainers folgte auf Kündigung

Anlass der Rechtsstreitigkeit war eine im Mai 2021 von dem Club gegenüber dem von ihm als Reha- und Athletiktrainer „im Lizenzspielerbereich“ beschäftigten Kläger ausgesprochene Kündigung. Nachdem sich im Prozess wohl herauskristallisierte, dass das Gericht der von dem Trainer erhobenen Kündigungsschutzklage stattgeben und die Kündigung als unwirksam betrachten würde, erklärte der Club gegenüber dem Trainer im Dezember 2021, er werde aus der Kündigung keine Rechte mehr herleiten. Gleichzeitig teilte der Club dem Trainer mit, dass er diesen in Ausübung seines Direktionsrechts versetze und ihm künftig die Tätigkeit und Aufgabe als „Reha- und Athletiktrainer Nachwuchsbereich“ im NLZ zuweise.

Daraufhin erweiterte der Trainer seine Klage und begehrte die Feststellung, dass der Club nicht berechtigt sei, ihn mit Tätigkeiten im NLZ zu betrauen. Im Übrigen erklärten die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Kündigungsschutzklage für erledigt.

Trainer hatte arbeitsvertraglichen Anspruch auf Tätigkeit im Profibereich

Will ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine andere als die bisher geschuldete Tätigkeit einseitig kraft seines Direktionsrechts zuweisen, hat er dabei einerseits die Beschränkungen zu beachten, die ihm durch Arbeitsvertrag und Gesetz sowie etwaige anwendbare Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge gesetzt sind, und sich andererseits in den Grenzen billigen Ermessens zu bewegen (vgl. § 106 GewO). Wie es für Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer Versetzung oftmals der Fall ist, so war auch in dem von dem Arbeitsgericht Hannover zu entscheidenden Fall Dreh- und Angelpunkt, ob und inwieweit dem arbeitgeberseitigen Direktionsrecht durch den Arbeitsvertrag Grenzen gesetzt waren.

Das Gericht gelangte im Wege der Auslegung der im Arbeitsvertrag enthaltenen Regelung, der Trainer werde „im Lizenzspielerbereich in der Funktion des Reha- und Athletiktrainers“ eingestellt, zu dem Ergebnis, dass der Trainer einen Anspruch auf Beschäftigung im Profibereich habe. Das Direktionsrecht des Clubs war nach Auffassung des Gerichts daher auf die Tätigkeit des Trainers im „Lizenzspielerbereich“ beschränkt.

Zuweisung der neuen Trainertätigkeit im NLZ war nicht gleichwertig mit der Tätigkeit im Lizenzspielerbereich

Die Zuweisung der neuen Trainertätigkeit im NLZ wäre von dem Direktionsrecht des Clubs daher nur dann gedeckt gewesen, wenn diese der vertraglich vereinbarten Tätigkeit gleichwertig wäre (vgl. BAG, Urteil v. 19. Mai 2010 – 5 AZR 162/09). Eine solche Gleichwertigkeit der Tätigkeiten verneinte das Gericht in dem vorliegenden Fall. Es folgte nicht der Auffassung des Clubs, der die arbeitsvertragliche Regelung so interpretierte, dass auch eine Trainertätigkeit im NLZ unter die Formulierung „im Lizenzspielerbereich“ gefasst werden müsse, weil auch dort (unstreitig) Lizenzspieler trainierten. Nach Ansicht des Gerichts mache es einen für die persönliche und berufliche Entwicklung relevanten Unterschied, ob vorwiegend mit Profisportlern zusammengearbeitet werde oder nicht. Dies gelte allein schon deshalb, weil die Anforderungen an einen Profibereich um ein Vielfaches höher seien als an einen Amateurbereich. Denn nur durch eine professionelle Ausrichtung sei es dem Club möglich, erhebliche Einnahmen durch Werbe-, Sponsoren- oder sonstige Marketing-Verträge zu erzielen. Außerhalb des Profibereichs sei es dem Club nicht im gleichen Maße möglich, derlei Einnahmen zu erzielen. Aufgrund dieses erheblichen monetären Faktors sei auch eine Gewichtung hinsichtlich der Relevanz der Tätigkeit im jeweiligen Bereich anzunehmen.

Es sei deshalb bei verständiger Auslegung des Begriffs davon auszugehen, dass die Arbeitsvertragsparteien bei der Formulierung „im Lizenzspielerbereich“ festlegen wollten, dass die Tätigkeit des Trainers mit einer Vielzahl von Lizenzspielern und daher im Bereich des Profikaders erfolgen sollte. Anderenfalls sei nicht ersichtlich, warum diese Formulierung überhaupt in den Arbeitsvertrag aufgenommen worden ist.

Auslegungsergebnis von Vertragshistorie gestützt

Dieses Begriffsverständnis wird nach Auffassung des Gerichts auch von der Vertragshistorie der Parteien gestützt. Die Parteien hatten in dem bis ins Jahr 2018 zwischen ihnen gültigen Trainervertrag noch ausdrücklich geregelt, dass der Club berechtigt ist, dem Trainer an Stelle der Tätigkeit als „Reha- und Athletiktrainer Lizenzspieler“ andere seinem Ausbildungs- und Kenntnisstand entsprechende Tätigkeiten zuzuweisen, wobei sie sich darüber einig waren, dass hierunter insbesondere Tätigkeiten im „Nachwuchsbereich/NLZ“ fallen. Der diesen Vertrag ablösende und seitdem gültige Vertrag beinhaltete diese Regelung hingegen nicht mehr. Aus diesem Umstand folgerte das Gericht, der Club sei selbst davon ausgegangen, dass eine Tätigkeit am NLZ nicht das Gleiche sei wie der Einsatz „im Lizenzspielerbereich“.

Das Gericht stellte daher fest, dass der Club nicht berechtigt sei, den Trainer mit Tätigkeiten am NLZ zu betrauen.

Sportclubs sollten bei Vertragsgestaltung genau aufpassen

Das letzte Wort ist in dieser Sache jedoch noch nicht gesprochen. Gegen das Urteil wurde beim LAG Niedersachsen Berufung eingelegt. 

Unabhängig davon zeigt der Fall einmal mehr die Wichtigkeit einer interessengerechten Arbeitsvertragsgestaltung. Eine solche beugt nicht nur Rechtsstreitigkeiten vor, sie ermöglicht auch auf den Einzelfall zugeschnittene Lösungen. Gerade mit Blick auf ein etwaiges Bedürfnis, einem Arbeitnehmer (wie etwa einem Trainer) künftig eine andere Tätigkeit zuweisen zu können, sollten Clubs erhöhte Sorgfalt an den Tag legen und sich insbesondere mit den Regelungsmöglichkeiten einer Versetzungsklausel näher auseinandersetzen. Denn je konkreter die vertraglich geschuldete Tätigkeit im Arbeitsvertrag beschrieben wird (z.B. „Reha- und Athletiktrainer im Lizenzspielerbereich“ statt nur „Reha- und Athletiktrainer“), desto eingeschränkter ist die Möglichkeit einer Versetzung des Arbeitnehmers kraft Direktionsrecht.

Außerdem ist stets auch die Vertragshistorie zu beachten, die – wie der Fall zeigt – durchaus von entscheidungserheblicher Relevanz sein kann. Clubs sollten daher auch auf eine stringente vertragsübergreifende Regelungssystematik im Rahmen der Änderung von Arbeitsverträgen achten.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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