11. August 2021
Befristung Arbeitsvertrag zwei Jahre Sportdirektor
Arbeitsrecht

Unzulässige Befristung des Arbeitsvertrags eines Sportdirektors

ArbG Hannover: Die Befristung des Arbeitsvertrags eines Sportdirektors mit einer Laufzeit von über zwei Jahren ist unzulässig – Ein beachtenswertes Urteil.

Professionelle Sportclubs sind typischerweise so organisiert, dass (mindestens) eine Person damit betraut ist, den sportlichen Bereich des Clubs zu verantworten und insbesondere den Mannschaftskader zusammenzustellen. Diese Position wird oftmals als „Sportdirektor″ bezeichnet. Sportdirektoren sind in aller Regel Arbeitnehmer des jeweiligen Clubs. Dabei entspricht es der gängigen Praxis, dass der Arbeitsvertrag des Sportdirektors – wie dies auch bei Spielern und Trainern der Fall ist – nur für eine bestimmte Zeitdauer und damit befristet abgeschlossen wird.

Das Arbeitsgericht Hannover hat nun Ende vergangenen Jahres – entgegen dieser geübten Praxis – entschieden, dass die Befristung des Arbeitsvertrags des klagenden Sportdirektors von Hannover 96, dem ehemaligen Profifußballer Jan Schlaudraff, unzulässig war und ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem beklagten Club besteht (ArbG Hannover, Urteil v. 24. November 2020 – 13 Ca 67/20). Das Urteil bietet erhebliche Sprengkraft für die bislang geübte Vertragspraxis in Bezug auf die Anstellung von Sportdirektoren in professionellen Sportclubs.

Sportdirektor begehrte nach Kündigung auch die Feststellung der Unwirksamkeit der Befristungsabrede

Anlass des Rechtsstreits war eine außerordentliche, fristlose Kündigung Schlaudraffs, nachdem es bei Hannover 96 zu internen Unstimmigkeiten gekommen war. Dieser erhob vor dem Arbeitsgericht Hannover Klage und begehrte nicht nur die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung, sondern machte darüber hinaus auch die Unwirksamkeit der arbeitsvertraglich vereinbarten Befristungsabrede geltend. Nach dieser Regelung hätte das zum 1. Mai 2019 begründete Arbeitsverhältnis „automatisch″ am 30. Juni 2022 geendet. Das Gericht entschied, dass nicht nur die Kündigung, sondern auch die Befristungsabrede unwirksam ist.

Befristung im Grundsatz nicht ohne Weiteres zulässig

Hintergrund der im Arbeitsrecht immer wieder auftretenden Befristungsproblematik ist, dass das Gesetz das unbefristete Dauerarbeitsverhältnis als Regelfall ansieht, während das befristete Arbeitsverhältnis hingegen die gesetzliche Ausnahme darstellt. Dem wurde regelungstechnisch dergestalt Ausdruck verliehen, dass die Befristung eines Arbeitsverhältnisses im Grundsatz nicht ohne Weiteres zulässig ist, sondern eines rechtfertigenden sachlichen Grundes bedarf (§ 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG).

Nur in engen Grenzen verzichtet das Gesetz auf dieses „Sachgrund-Erfordernis″. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Befristungsdauer nicht länger als zwei Jahre beträgt und mit demselben Arbeitgeber nicht zuvor bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (§ 14 Abs. 2 TzBfG). Ist die Befristung weder durch einen Sachgrund gerechtfertigt noch durch einen gesetzlichen Ausnahmetatbestand gedeckt, gilt der befristete Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 16 TzBfG), sofern der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Befristungsabrede innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages im Wege der Klage beim Arbeitsgericht geltend macht (§ 17 TzBfG).

Vorliegend war kein Sachgrund gegeben

Vorliegend war zwischen Club und Sportdirektor eine Vertragslaufzeit von über drei Jahren vereinbart worden mit der Folge, dass die Befristung eines sachlichen Grundes bedurfte. Ein solcher war nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht gegeben.

Keine Rechtfertigung wegen der Eigenart der Arbeitsleistung

Zur Begründung führte das Gericht aus, die Befristung sei nicht wegen der Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigt (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG). Die Eigenart der Arbeitsleistung könne die Befristung eines Arbeitsvertrags nur dann rechtfertigen, wenn die Arbeitsleistung Besonderheiten aufweise, aus denen sich ein berechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers, ergebe, statt eines unbefristeten nur einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. Diese besonderen Umstände müssten zudem das Interesse des Arbeitnehmers an der Begründung eines Dauerarbeitsverhältnisses überwiegen.

Keine Vergleichbarkeit mit der Befristung von Spieler- und Trainerverträgen

Mittlerweile ist anerkannt, dass Arbeitsverträge zwischen Clubs der Fußball-Bundesliga und ihren Spielern wegen der Eigenart der Arbeitsleistung befristet werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Spieler die arbeitsvertraglich geschuldeten sportlichen Höchstleistungen naturgemäß nicht dauerhaft bis zum Rentenalter, sondern nur für eine von vorneherein begrenzte Zeit erbringen (sog. „Verschleiß″). Daraus resultiert ein berechtigtes Interesse der Vertragsparteien, statt eines unbefristeten Dauerarbeitsverhältnisses ein befristetes Arbeitsverhältnis zu begründen (vgl.  BAG, Urteil v. 16. Januar 2018 – 7 AZR 312/16).

Gleiches wird auch im Hinblick auf die Befristung von Trainerverträgen vertreten. Nach älterer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine Befristung des Arbeitsvertrags eines Sporttrainers sachlich gerechtfertigt sein, wenn mit der Betreuung von Spitzensportlern oder besonders talentierten Nachwuchssportlern die Gefahr verbunden ist, dass die Fähigkeit des Trainers zur weiteren Motivation der anvertrauten Sportler regelmäßig nachlässt (BAG, Urteil v. 15. April 1999 – 7 AZR 437/97).

Das Arbeitsgericht Hannover hatte sich nun mit der Frage zu befassen, ob diese Rechtsprechung auch auf Sportdirektoren übertragen werden kann. Das wurde vom Gericht allerdings verneint: Zum einen sei der für Profisportler typische Verschleißtatbestand bei Sportdirektoren nicht gegeben. Zum anderen habe ein Sportdirektor auch keine mit einem Trainer vergleichbare Motivationsfunktion. Unter Vergleichsgesichtspunkten stehe ein Sportdirektor viel eher einem kaufmännischen Angestellten im mittleren oder gehobenen Management in jedem beliebigen Wirtschaftsunternehmen gleich. Außerdem ergebe sich aus dem Aufgabenbereich eines Sportdirektors eher das Bedürfnis für eine langfristige und damit zeitlich nicht befristete Zusammenarbeit.

Befristung wegen Lösungsinteresse bei nicht erfolgreicher Arbeit?

Das Gericht erkannte zwar das Interesse des Clubs, sich von dem Sportdirektor lösen zu können, falls dessen Arbeitserfolg ausbleibt. Allerdings sah es auch unter diesem Aspekt keine Notwendigkeit, die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Befristung von Spieler- und Trainerverträgen auf die vorliegende Konstellation zu übertragen. Dem Lösungsinteresse könne nämlich auch ohne Befristung des Arbeitsverhältnisses entsprochen werden, indem die Beklagte den Kläger etwa mit den Befugnissen eines leitenden Angestellten im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG ausgestattet hätte. Die Vorschrift führt im Ergebnis dazu, dass sich der Kündigungsschutz eines solchen Arbeitnehmers auf einen Abfindungsschutz reduziert.

Auch keine Befristung auf Wunsch des Sportdirektors

Eine Befristung ist auch dann gerechtfertigt, wenn sie auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolgt (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG). Einen solchen konnte der beklagte Club nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht darlegen. Denn allein aus dem durch die Unterzeichnung des Arbeitsvertrags dokumentierten Einverständnis des Arbeitnehmers mit dem befristeten Vertragsschluss könne nicht auf einen entsprechenden Wunsch geschlossen werden. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses müssten vielmehr objektive Anhaltspunkte vorliegen, aus denen ein Interesse des Arbeitnehmers gerade an einer befristeten Beschäftigung folgt. Es sei entscheidend, ob der Arbeitnehmer auch bei einem Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Vertrags nur ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart hätte. Für diese Annahme sprach aus Sicht des Gerichts jedoch nichts.

Folge: Unbefristetes Arbeitsverhältnis

In Ermangelung eines Sachgrundes, der die Befristung vorliegend zu rechtfertigen vermochte, stellte das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Club und seinem Sportdirektor nicht aufgrund der Befristungsabrede zu dem vereinbarten Zeitpunkt enden werde. Mit anderen Worten: Der Arbeitsvertrag gilt als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Dies hat die für den Club ungünstige Folge, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Sportdirektor einseitig nur unter den hohen Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes beendet werden kann.

Urteil hat hohe Relevanz für die Sportpraxis

Das Urteil hat hohe Relevanz für die Sportpraxis. Viele Sportdirektoren sind auf Grundlage eines – vermeintlich – befristeten Arbeitsvertrags tätig. In Anbetracht der Rechtsprechung des Arbeitsgerichts Hannover können sich Clubs allerdings nicht mehr darauf verlassen, dass das mit ihrem Sportdirektor bestehende Arbeitsverhältnis tatsächlich mit Zeitablauf enden wird, wenn der Sportdirektor rechtzeitig Entfristungsklage erhebt. Will sich ein Club von seinem Sportdirektor trennen und bietet sich ihm kein Anlass zur Kündigung, bliebe ihm letztlich nur die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses, das typischerweise mit der Zahlung einer Abfindung verbunden sein wird.

Ferner ist das Urteil auch im Hinblick auf die Einstellung künftiger Sportdirektoren von erheblicher Bedeutung. Für Clubs wird es in Zukunft von besonderer Bedeutung sein, den Wunsch des Sportdirektors nach einer Befristung rechtssicher in den Arbeitsvertrag mitaufzunehmen. Dabei werden die Clubs die nicht unerheblichen Voraussetzungen zu berücksichtigen haben, die an die vertragliche Niederlegung des Befristungswunschs des Sportdirektors gestellt werden. Denn anderenfalls bliebe dem Club grundsätzlich nur die Möglichkeit des Abschlusses eines unbefristeten Arbeitsvertrags. Eine Alternative böte sich ihm nur dann, wenn der einzustellende Sportdirektor mit einem auf zwei Jahre befristeten Arbeitsverhältnis einverstanden wäre und dieser nicht bereits zuvor in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat. Allerdings ist das Befristungsproblem auch dann nur aufgeschoben und nicht aufgehoben: Soll das Vertragsverhältnis mit dem Sportdirektor nach der zweijährigen Vertragsdauer befristet fortgesetzt werden, ist dies nur mit Sachgrund möglich.

Darüber hinaus haben die Clubs die vom Gericht angesprochene Möglichkeit zu berücksichtigen, den Sportdirektor mit den Befugnissen leitenden Angestellten im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG auszustatten. So ließe sich zwar dem Interesse der Clubs Rechnung tragen, sich bei ausbleibendem Erfolg leichter von dem Sportdirektor trennen zu können, weil auf diese Weise der Kündigungsschutz im Ergebnis auf einen Abfindungsschutz beschränken lässt. Allerdings sind die Anforderungen, die die Rechtsprechung an die Einordnung eines Arbeitnehmers als leitender Angestellter stellt, sehr hoch: Er muss insbesondere selbstständigen Einstellungen und Entlassungen von Arbeitnehmern berechtigt sein. Die Befugnis darf aber nicht nur „auf dem Papier″ stehen, sondern muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit ausmachen. Das wird jedoch typischerweise von der Clubführung nicht gewollt sein, will diese doch in aller Regel selbst bei Spielerverpflichtungen „das letzte Wort″ haben.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover ist noch nicht rechtskräftig. 

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