17. Dezember 2018
Beteiligung Schwerbehindertenvertretung Kündigung
Arbeitsrecht

Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei Kündigungen

Das BAG schafft Klarheit bei Inhalt der Anhörung, Dauer der Frist für eine Stellungnahme sowie Zeitpunkt der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung.

Eine unklare Gesetzesregelung lässt zahlreiche Fragen zur Anhörung der Schwerbehindertenvertretung offen. Das Bundesarbeitsgericht hat nun teilweise für Klarheit gesorgt (BAG, Urteil v. 13. Dezember 2018 – 2 AZR 378/18). Dies geht aus einer Pressemitteilung des Gerichts hervor (Pressemitteilung Nr. 68/18).

Schwerbehindertenvertretung muss angehört werden

Seit dem 30. Dezember 2016 ist die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers nach § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX (§ 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX a. F.) unwirksam, wenn der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß anhört. Arbeitgeber müssen für eine wirksame Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers seither drei Verfahren durchführen:

  • Anhörung der Schwerbehindertenvertretung
  • Anhörung des Betriebsrats
  • Zustimmung des Integrationsamtes

Die neue Gesetzesregelung ließ Fragen ungeklärt, wie:

  • Welchen Inhalt muss die Anhörung haben?
  • Wieviel Zeit hat die Schwerbehindertenvertretung für eine Stellungnahme?
  • Zu welchem Zeitpunkt muss die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung erfolgen?

Inhalt der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung

Fraglich war bisher, ob die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers hinter der Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG zurückbleibt. Diesem – etwa vom Arbeitsgericht Leipzig (Arbeitsgericht Leipzig, Urteil v. 17. August 2017 – 8 Ca 1122/17) verfolgten Ansatz – ist das Bundesarbeitsgericht nicht gefolgt. In der Pressemitteilung stellt das Gericht ausdrücklich fest, dass der erforderliche Inhalt der Anhörung sich nach den für die Anhörung des Betriebsrats geltenden Grundsätzen (§ 102 BetrVG) richtet.

Dauer der Stellungnahmefrist richtet sich nach § 102 BetrVG

Bei der Frage, wie lange die Schwerbehindertenvertretung Zeit für eine Stellungnahme hat, war man sich auch vor der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts weitgehend einig. Die Orientierung an den Fristen des § 102 BetrVG, die für den Betriebsrat gelten, lag nahe.

Die Erfurter Richter haben nun bestätigt, dass die Anhörungsfristen des § 102 BetrVG gelten. Bei der Anhörung zur ordentlichen Kündigung hat die Schwerbehindertenvertretung eine Woche Zeit; bei einer außerordentlichen Kündigung längstens drei Tage.

Anhörung der Schwerbehindertenvertretung muss nicht „unverzüglich“ sein

Nach den ersten arbeitsgerichtlichen Entscheidungen musste man noch davon ausgehen, dass Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung bei einer Kündigung unverzüglich, d.h. insbesondere vor der Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes anhören müssen, um die Unwirksamkeit einer Kündigung zu vermeiden. Etwa das Arbeitsgericht Leipzig (Arbeitsgericht Leipzig, Urteil v. 17. August 2017 – 8 Ca 1122/17) oder das Arbeitsgericht Hagen (Arbeitsgericht Hagen, Urteil v.6. März 2018 – 5 Ca 1902/17) haben in diese Richtung entschieden.

Das Bundesarbeitsgericht stellt nunmehr richtigerweise fest, dass die Kündigung nicht allein deshalb unwirksam ist, weil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nicht unverzüglich über seine Kündigungsabsicht unterrichtet.

In seiner Pressemitteilung führt das Bundesarbeitsgericht weiter aus:

Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Kündigung sei nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX a.F. unwirksam, weil die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung erst nach Abschluss des Verfahrens vor dem Integrationsamt und nach Anhörung des Betriebsrats beteiligt habe.

Nach der Äußerung des Bundesarbeitsgerichts in seiner Pressemitteilung ist es gleichgültig, ob die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor, während oder nach dem Zustimmungsverfahren beim Integrationsamt erfolgt. Wir halten das für richtig. Es entspricht im Übrigen der Rechtslage bei der Anhörung des Betriebsrats. Die Auffassung deckt sich auch mit einem Positionspapier der Integrationsämter vom 21. März 2017.

Ablauf einer Kündigung von schwerbehinderten Arbeitnehmern

Zweckmäßig ist eine parallele und inhaltsgleiche Anhörung der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrats. Für die Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung gelten die Fristen des § 102 BetrVG.

Falls sich durch die bisher noch nicht veröffentlichten Entscheidungsgründe zu dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts noch Konkretisierungen ergeben, informieren wir Sie wie immer!

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