Im Frühjahr 2018 stehen die Betriebsratswahlen an. Aber wie viele Arbeitnehmer können eigentlich gewählt werden? Erfahren Sie alles zur Größe des Betriebsrats.
Eine ganz wesentliche Frage für Arbeitgeber im Vorfeld der Betriebsratswahlen im Frühjahr 2018 ist natürlich, wie viele Arbeitnehmer in den Betriebsrat gewählt werden können. Denn dies bestimmt nicht nur die Frage, ob und inwieweit es gelingt, auch bei unterschiedlichen Meinungen zu Lösungen zu kommen, wenn mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten umgesetzt werden sollen. Die Betriebsratsgröße bestimmt auch die Zahl von Arbeitnehmern, die zur Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben von ihrer Arbeitspflicht freigestellt werden müssen und damit verbundene Kosten auslösen. Auch Kosten für den Sachaufwand und für Schulungen werden durch die Zahl der Betriebsratsmitglieder beeinflusst. Unnötig viele Betriebsratsmitglieder bedeuten aufgrund des Sonderkündigungsschutzes Erschwernisse bei betriebsbedingten Kündigungen und Restrukturierungen.
Arbeitgeber sollten darauf bedacht sein, unnötig große Betriebsräte zu verhindern. Allerdings hilft dabei manchmal nur der Gang zum Arbeitsgericht.
Gesetzliche Regelung zur Größe des Betriebsrats
§ 9 BetrVG regelt, wie viele Arbeitnehmer gewählt werden. Bei in der Regel 5 bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern besteht der Betriebsrat aus nur einem Mitglied. Bei 21 bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern im Betrieb hat der Betriebsrat drei Mitglieder.
Je nach Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer im Betrieb steigt die Zahl der Betriebsratsmitglieder an. Dabei zählt jeder „Kopf″: Auch Teilzeitbeschäftigte und Minijobber werden voll berücksichtigt. Wahlberechtigt ist jeder volljährige Arbeitnehmer, der zum Betrieb gehört (§ 7 BetrVG). Sehen Sie zu den allgemeinen Schwellenwerten im Arbeitsrecht auch unsere entsprechende Übersicht.
Abgrenzung des Betriebs
Manchmal besteht Streit mit dem Betriebsrat darüber, welche Organisationseinheiten überhaupt bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl berücksichtigt werden. Auch Arbeitnehmer in unselbstständigen Betriebsteilen ohne Betriebsrat (vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG) zählen mit. Das gilt auch für Kleinstbetriebe, die gemäß § 4 Abs. 2 BetrVG einem Hauptbetrieb zugeordnet werden sowie für Betriebsteile, die gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG die Teilnahme an der Wahl in einem Hauptbetrieb beschlossen haben.
In Gemeinschaftsbetrieben (§ 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BetrVG) wird nur ein Betriebsrat gewählt. Dementsprechend zählt man hier die wahlberechtigten Arbeitnehmer aller Unternehmen, die am Gemeinschaftsbetrieb beteiligt sind.
Relevanter Zeitpunkt für die Feststellung der „in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer″ – Tag des Erlasses des Wahlausschreibens
Entscheidender Tag dafür ist der Tag des Erlasses des Wahlausschreibens. Das Wahlausschreiben wird durch den Wahlvorstand erlassen, der vom Betriebsrat eingesetzt wird. Spätere Änderungen der Arbeitnehmerzahl bis zur Betriebsratswahl, die nicht schon bei Erlass des Wahlausschreibens berücksichtigt werden mussten, sind unerheblich.
Das Wahlausschreiben muss spätestens sechs Wochen vor der Wahl erlassen werden. In Kleinbetrieben soll eine Mindestfrist von zwei Wochen vor dem Datum der Stimmabgabe eingehalten werden. Das Gesetz sieht also nur Mindestfristen eines zeitlichen Abstandes zu der Betriebsratswahl vor.
Nicht geregelt ist, wann das Wahlausschreiben frühestens erlassen werden kann. Diese für Arbeitgeber missliche Rechtslage eröffnet dem Betriebsrat und dem Wahlvorstand die Möglichkeit, den Wahlvorstand sehr früh zu bestimmen und das Wahlausschreiben sehr frühzeitig zu erlassen. Vor allem bei einer absehbaren Restrukturierung kann dies jedoch ein Ärgernis für den Arbeitgeber darstellen.
Unterstützung des Wahlvorstandes durch den Arbeitgeber
Arbeitgeber müssen den Wahlvorstand bei der Ermittlung der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer unterstützen, vor allem durch Auskünfte und Unterlagen. So muss z.B. dem Wahlvorstand erklärt werden, warum jemand leitender Angestellter und daher – da er nicht wahlberechtigt ist – nicht mitzuzählen ist.
(Nicht-)Berücksichtigung bestimmter Arbeitnehmergruppen bei der Berechnung der Größe des Betriebsrats
Nicht berücksichtigt werden für die Zahl der „in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer″ leitende Angestellte, da sie keine Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes sind. Befristet Beschäftigte werden zudem nur dann gezählt, wenn mit ihnen ein dauerhafter Beschäftigungsbedarf gedeckt wird und sie über mehr als die Hälfte des Jahres im Betrieb sind.
Leiharbeitnehmer werden wohl – trotz der Neuregelung in § 14 Abs. 2 S. 4 AÜG – ebenso nur bei regelmäßigem Einsatz während der längeren Zeit des Jahres mitgezählt. Schließlich prägen sie die Personalstärke des Betriebs nur dann, wenn sie nicht nur kurzfristig (z.B. zur Abfederung von Auftragsspitzen über wenige Wochen) eingesetzt werden.
Ausscheidende Arbeitnehmer (gekündigte oder solche, die einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet haben), werden nicht mitgezählt, wenn eine Nachbesetzung der Stelle nicht geplant ist. Auch Arbeitnehmer in Elternzeit werden nicht mitgezählt, wenn sie einen Vertreter haben, § 21 Abs. 7 BEEG.
Berücksichtigung von Schwankungen und Änderungen in der Personalstärke bei der Größe des Betriebsrats
Anlass für Streit gibt häufig die Feststellung der korrekten Arbeitnehmerzahl bei Schwankungen während des Jahres, z.B. in Saisonbetrieben oder bei Auftragsspitzen, und bei absehbaren Änderungen der Belegschaftsgröße, etwa durch eine Restrukturierung.
Die Rechtsprechung nimmt an, dass nicht die genaue Zahl am Tag des Erlasses des Wahlausschreibens entscheidend ist, sondern die „Regelgröße des Betriebs″ an diesem Tag. Relevant soll sein, welche Personalstärke den Betrieb typischerweise auszeichnet. In Saisonbetrieben zählen Arbeitnehmer daher nur dann mit, wenn sie dem Betrieb den längeren Teil des Jahres angehören.
Veränderungen bis zum Tag der Betriebsratswahl sind zumindest dann zu berücksichtigen, wenn sie feststehen oder sich konkret abzeichnen. Manche meinen, dass dies nur dann gilt, wenn der Betriebsrat an den zu den Veränderungen führenden Maßnahmen beteiligt wurde (beispielsweise durch Verhandlung eines Interessenausgleichs über einen Personalabbau).
Ausreichen muss allerdings zumindest, wenn Arbeitgeber den Betriebsrat bei der Vorbereitung des Wahlausschreibens über die geplanten Änderungen konkret informiert haben. Denn schließlich soll der Betriebsrat über die nächsten vier Jahre seiner Amtszeit zur Betriebsgröße passen. Zudem ist die Rechtsprechung bei der Feststellung der Arbeitnehmerzahl ohnehin arbeitnehmerfreundlich, denn sie billigt dem Wahlvorstand einen gewissen Ermessensspielraum zu.
Eine Neuwahl des Betriebsrats bei späteren Änderungen der Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer gibt es gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nur dann, wenn zwei Jahre nach der Betriebsratswahl die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer um die Hälfte, mindestens aber um 50 Arbeitnehmer, gestiegen oder gesunken ist.
Größe des Betriebsrats: Fehlerfolgen und Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers
Bei der Wahl einer unzutreffenden Anzahl von Betriebsratsmitgliedern können Arbeitgeber die Betriebsratswahl gemäß § 19 BetrVG anfechten. Nach erfolgreicher Wahlanfechtung muss die Betriebsratswahl wiederholt werden. Es gibt dann nicht nur eine Korrektur der Mitgliederzahl (z.B. durch die „Degradierung″ gewählter Betriebsratsmitglieder zu Ersatzmitgliedern oder das Nachrücken von Ersatzmitgliedern) (Bundesarbeitsgericht, Beschluss v. 12. Oktober 1976 – 1 ABR 14/76).
Der Arbeitgeber kann eine absehbar nichtige Betriebsratswahl mittels einstweiliger Verfügung stoppen (Landesarbeitsgericht Hamm v. 6. September 2013 – 7 TaBVGa 7/13; Landesarbeitsgericht Nürnberg v. 30. März 2006 – 6 TaBV 19/06: selbst bei bloßer Anfechtbarkeit der Wahl; wohl überholt durch Bundesarbeitsgericht v. 27. Juli 2011 − 7 ABR 61/10: nur bei absehbarer Nichtigkeit der Wahl). Diskutiert wird weiterhin über die Möglichkeit von einstweiligen Verfügungen, die nur punktuelle Fehler (z.B. im Wahlausschreiben hinsichtlich der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder) selbst korrigieren, ohne die Wahl vollständig abzubrechen.
Insbesondere wenn der Betriebsrat eine absehbare Restrukturierung und damit eine künftig deutlich geringere Betriebsratsgröße befürchtet, könnte er dazu verleitet sein, einen Wahlvorstand sehr frühzeitig zu bestellen und das Wahlausschreiben schon deutlich vor der Betriebsratswahl zu erlassen. Dies muss zumindest dann als Rechtsmissbrauch behandelt werden, wenn der Betriebsrat die gesetzlichen Mindestfristen für die Bestellung des Wahlvorstandes und den Erlass des Wahlausschreibens um mehr als das Doppelte überschreitet. In diesem Fall sollte die Wahl auch anfechtbar sein.
Teilweise empfiehlt sich bei deutlichen Kompetenzüberschreitungen des Betriebsrats oder des Wahlvorstandes zu versuchen, den Prozess der Wahl eines zu großen Betriebsrats mittels einstweiliger Verfügung aufzuhalten oder insbesondere korrigierend einzugreifen. Dies kann der Fall sein, wenn keine betriebsratslose Zeit droht, nur punktuelle Eingriffe in den Wahlprozess erfolgen sollen oder sich zumindest vertretbar eine absehbare Nichtigkeit der Wahl darstellen lässt. Lediglich Fehler bei der durch den Wahlvorstand angenommenen Zahl zu wählender Betriebsratsmitglieder genügen für einen Stopp – außer bei krassen Verstößen – nicht. Denkbar ist in diesem Fall jedoch der Erlass einer korrigierenden einstweiligen Verfügung. Gelingt weder ein Stopp noch eine Korrektur mittels einstweiliger Verfügung, bleibt nur der Weg der Wahlanfechtung gemäß § 19 BetrVG.
Bestimmung der Größe des Betriebsrats in Grenzfällen schwierig
In Grenzfällen ist die Bestimmung der zutreffenden Betriebsratsgröße durch Ermittlung der „in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer″ in einem Betrieb schwierig und für Arbeitgeber nur begrenzt möglich. Denn der Wahlvorstand entscheidet in den Grenzen des Rechtsmissbrauchs über den Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens. Zudem obliegt diesem ein Ermessen bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl.
Schwierigkeiten gibt es vor allem bei Schwankungen und absehbaren Änderungen der Arbeitnehmerzahl. Ein genauerer Blick auf die Vorgehensweise von Betriebsrat und Wahlvorstand, ebenso wie ein Versuch der Wahlanfechtung, lohnen sich aber mitunter.
In bestimmten Fällen sollten Arbeitgeber auch darüber nachdenken, den Betriebsrat oder Wahlvorstand mittels einer einstweiligen Verfügung zur Beachtung des Gesetzes zu zwingen. Damit machen sie deutlich, dass die Handlungen von Betriebsrat und Wahlvorstand kontrolliert werden. Zudem können so über vier Jahre unnötig anfallende Kosten (für Schulungsmaßnahmen, Sachausstattung und Fehlzeiten freigestellter und nicht freigestellter Betriebsratsmitglieder) vermieden werden.
Auch verhindern Arbeitgeber so einen Betriebsrat, der „schlagkräftiger″ ist als es das Gesetz vorsieht und die Privilegierung unnötig vieler Arbeitnehmer durch den Sonderkündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder. Denn dies wäre vor allem bei einer Restrukturierung oder bei beabsichtigter Kündigung eines Betroffenen aus anderem Grund misslich.
Unsere Beitragsreihe stellt arbeitsrechtliche Aspekte rund um die Betriebsratswahlen dar. Hier geben wir wichtige Informationen für Arbeitgeber, zeigen welche Rolle Zeitarbeitnehmer spielen und informieren über die Kosten einer Betriebsratswahl.