26. Januar 2012
Internationale Zuständigkeit
Arbeitsrecht

CGZP: „Klatsche″ für Sozialversicherungsträger vor dem Sozialgericht

Gegenwärtig werden bei einer Vielzahl von Zeitarbeitsunternehmen, die in der Vergangenheit die von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge angewendet haben, u.a. von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Betriebsprüfungen durchgeführt, nachdem das BAG im Dezember 2010 gegenwartsbezogen festgestellt hat, dass die CGZP nicht tariffähig ist (Beschl. v. 14.12.2010 – 1 ABR 19/10wir berichteten). Sollte sich im Rahmen der Betriebsprüfungen herausstellen, dass die Arbeitskonditionen beim Verleiher auf Grundlage der Tarifverträge der CGZP schlechter waren als bei vergleichbaren Arbeitnehmern der jeweiligen Entleiher, kann die DRV vom Verleiher die Nachverbeitragung der festgestellten Entgeltdifferenz verlangen und einen entsprechenden Bescheid erlassen (§ 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV).

Gerade mit Blick auf die Betriebsprüfungen und die daraus erwachsenden, die betroffenen Zeitarbeitsunternehmen ggf. in ihrer Existenz bedrohenden Nachforderungen der Sozialversicherungsbeiträge ist die Verunsicherung in der Branche gegenwärtig groß. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen aus dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010 (Az. 1 ABR 19/10) hoch umstritten sind, die DRV aber scheinbar „mit dem Kopf durch die Wand″ will, indem sie – trotz erheblicher rechtlicher Bedenken gegen die von ihr vertretenen Auffassungen – Betriebsprüfungen „durchpeitscht″. Vor diesem Hintergrund stellen sich Zeitarbeitsunternehmen insbesondere die Frage, ob sie sich gegen Nachforderungsbescheide der DRV zur Wehr setzen können, indem sie sich u.a. auf einen Vertrauensschutz in die Wirksamkeit der Tarifverträge der CGZP berufen (vgl. dazu: SG Hamburg, Beschl. v. 18.11.2011 – S 51 R 1149/11 ERwir berichteten).

Eine jüngst veröffentlichte Entscheidung des SG Duisburg dürfte dabei von besonders hohem Interesse für die Zeitarbeitsbranche sein und den Weg in die richtige Richtung weisen (Beschl. v. 18.01.2012 – S 21 R 1564/11 ER): das Gericht hat im einstweiligen Rechtsschutz die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen einen Nachforderungsbescheid i.H.v. ca. 78.000 € für den Prüfzeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2009 wiederhergestellt. An der Rechtsmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestünden – so das SG Duisburg – ernstliche Zweifel. In der Begründung stützt sich das Gericht maßgeblich darauf, dass die Tarifunfähigkeit der CGZP für die Zeit vor dem 14.12.2010 bislang nicht abschließend geklärt sei. Zudem erkennt das Gericht ausdrücklich an, dass sich das in Anspruch genommene Unternehmen auf einen Vertrauensschutz berufen kann. Die Kammer führt wörtlich aus:

„Gegen eine rückwirkende Anwendung einer geänderten höchstrichterlichen Rspr. zu Lasten der beitragspflichtigen Arbeitgeber spricht, dass die Änderung der Rspr. für die Betroffenen hier praktisch wie eine Änderung des Rechts wirkt. Eine Rechtsänderung würde aber einem – sogar verfassungsrechtlichen – Rückwirkungsverbot unterliegen. Da dieses Rückwirkungsverbot ebenfalls aus dem Gedanken des Vertrauensschutzes entwickelt worden ist, erscheint es nur folgerichtig, den Betroffenen im Falle einer sie belastenden Änderung einer höchstrichterlichen Rspr. den gleichen Vertrauensschutz zuzubilligen wie bei einer entsprechenden Rechtsänderung, insbesondere wenn es sich um die Anwendung der geänderten Rspr. auf Sachverhalte handelt, die abgeschlossen in der Vergangenheit liegen. Dies bedeutet, dass ihnen bis zur Bekanntgabe der Rspr. bzw. Information hierüber von der zuständigen Verwaltungsstelle Vertrauensschutz zuzubilligen ist. 

So sehr auch die Vereinbarung von unterdurchschnittlichen Löhnen durch unzureichend legitimierte Organisationen zu unterbinden und die Gleichstellung der Löhne aus arbeitsrechtlicher wie sozialversicherungsrechtlicher Sicht zu befürworten ist, so ist auf der anderen Seite ebenso zu sehen, dass § 9 Nr. 2 AÜG die tarifliche Abweichung grundsätzlich erlaubt, während zugleich jedoch die Frage der Tariffähigkeit gesetzlich nicht abschließend geregelt, sondern einer sich stetig an Einzelfällen fortentwickelnden Auslegung durch gesetzesvertretendes Richterrecht unterworfen ist.

Für die Kammer war dabei ebenso relevant, dass die Anwendung der von der CGZP geschlossenen Tarifverträge bis zur höchstrichterlichen Rspr. von staatlichen Stellen zumindest geduldet und zum Teil auch ausdrücklich empfohlen und von der DRV entsprechend bisher nicht moniert wurde.

Vor allem aber stehen die Folgen einer zu raschen Ermöglichung der sozialversicherungsrechtlichen Vollstreckung für die Vergangenheit […] in keinem Verhältnis zu den daraus resultierenden wirtschaftlichen Belastungen der Antragstellerin […] und darüber hinaus der ca. 1600 Zeitarbeitsunternehmen. Sie liegt auch nicht im Interesse der Antragsgegnerin, auf die insoweit ein unverhältnismäßiger, weil ggf. rückgängig zu machender Aufwand zukäme.″

Dieser Begründung ist nichts hinzuzufügen. Sollten Zeitarbeitsunternehmen einen Nachforderungsbescheid der Sozialversicherungsträger erhalten, können und sollten sie sich unter Berufung auf Vertrauensschutzaspekte dagegen zur Wehr setzen.

Tags: CGZP DRV Leiharbeit Sozialgericht Sozialversicherungsträger Tarifunfähigkeit Vertrauensschutz Zeitarbeit