26. Februar 2021
Corona Arbeit Testpflicht
Arbeitsrecht

Testpflicht vs. Impfpflicht: Was dürfen Arbeitgeber anordnen?

Nachdem die Maske bereits zum Dresscode gehört, stellt sich die Frage, inwiefern auch eine PCR-Testpflicht unseren Arbeitsalltag bestimmen wird.

Müssen wir damit rechnen, dass eine Testroutine alsbald unseren Arbeitsalltag mitbegleiten wird? Was passiert, wenn Beschäftigte* diesen Eingriff verweigern?

Mit diesen Fragen hat sich erstmalig die 4. Kammer des Arbeitsgerichts in Offenbach am Main am 4. Februar 2021 auseinandergesetzt. Konkret ging es um ein Eilverfahren, das seitens eines Arbeitnehmers auf Fortsetzung seiner Arbeitstätigkeit beim Arbeitgeber angestoßen wurde, weil dieser ihm ohne eines negativen PCR-Testergebnisses den Zutritt zum Werksgelände verweigerte. Der Arbeitgeber sah sich aufgrund der Betriebsvereinbarung zur Durchführung des PCR-Tests berechtigt, was der Arbeitnehmer jedoch nicht akzeptierte. Vielmehr stufte er die Verpflichtung zur Testdurchführung als eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes ein, die zudem wegen des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit unverhältnismäßig sei. Die Kammerrichter verneinten bereits die Eilbedürftigkeit, weswegen das Verfahren abgewiesen wurde.

Obwohl in dieser Sache keine Entscheidung an sich getroffen wurde, ist dennoch zu erwarten, dass dieses Thema in naher Zukunft erneut diskutiert wird. Eine vorhergehende Einschätzung der Rechtslage bietet sich folglich an.

Arbeitgeber kann bei Verdacht einen Corona-Test anordnen

Weist der Arbeitnehmer beispielsweise coronatypische Symptome wie Husten, Schnupfen, Fieber oder Atembeschwerden auf und ist eine Beschäftigung ohne Kontakt zu Anderen – beispielsweise im Home Office – ausgeschlossen, darf der Arbeitgeber einen Corona-Test anordnen. In diesen Fällen, in denen der Arbeitgeber einen konkreten Verdacht einer möglichen Ansteckung hat, gebietet es bereits die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zum Schutz der anderen Beschäftigten, eine Testdurchführung anzuordnen.

Aufgrund der bestehenden allgemeinen Fürsorgepflicht ist es also Aufgabe des Arbeitgebers, dafür zu sorgen, dass keine Gesundheitsrisiken für seine Arbeitnehmer bestehen. Darüber hinaus würde auch eine Interessenabwägung zu dem gleichen Ergebnis führen. So wiegt bei konkreten Verdachtsfällen das Interesse des Arbeitgebers am Schutz der anderen Beschäftigten vor einer Infektion sowie an der Verhinderung einer behördlichen Betriebsschließung schwer. Demgegenüber tritt das Interesse des Arbeitnehmers, nicht durch einen unangenehmen kurzen Test körperlich beeinträchtigt zu werden, dahinter zurück. 

Bei begründeten Zweifeln an dem gesundheitlichen Allgemeinzustand des Arbeitnehmers müssen geringe Eingriff in die körperliche Unversehrtheit geduldet werden. Dies ist seitens des BAG bereits seit langem hinsichtlich Alkohol- und Drogentests am Arbeitsplatz anerkannt (BAG, Urteil v. 12. August 1999 – 2 AZR 55/99) und aufgrund des hohen Infektionsgeschehens und der damit einhergehenden Gefahr für die betriebliche Gesundheit in der aktuellen Pandemie übertragbar.

Anders stellt sich die Situation hingegen dar, wenn es keinen Anlass gibt, von einer gesundheitlichen Gefährdung auszugehen. Ohne einen konkreten Anlass darf der Arbeitgeber einen Corona-Schnelltest, wie auch sonstige anlasslose Maßnahmen, nur ausnahmsweise verlangen. Das gilt insbesondere für Personen, bei deren Tätigkeit für Dritte ein besonders hohes Infektionsrisiko gegeben ist. Das kann beispielsweise durch engen Personenkontakt zu bejahen sein, wie er bei Ärzten, Pflegepersonal oder Friseurdienstleistungen gegeben ist.

Schlussendlich gilt hier auch abzuwarten, was der Gesetzgeber im Rahmen des Infektionsschutzes bzw. Arbeitsschutzes an Regelungen auf den Weg bring.

Rechtsprechung könnte auch ansatzlose Corona-Testpflicht bei Betreten des Betriebsgeländes für angemessen halten

Allerdings ist zu erwarten, dass die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung die derzeitige Pandemiesituation auch für die weiteren Arbeitnehmergruppen entweder als eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Durchführung anlassloser Maßnahmen ansieht oder bereits in der Pandemiesituation als solcher einen Anlass per se anerkennt.

Im Rahmen der Überlegungen zu einer verpflichtenden Corona-Impfung zeichnet sich bereits ab, dass das arbeitgeberseitige Interesse, über die Arbeitsfähigkeit der einzelnen Arbeitnehmer Aufschluss zu erhalten, sehr hoch eingestuft wird. 

Zwar wird auch hier noch die gesetzgeberische Entscheidung abzuwarten sein, jedoch sind bereits jetzt entscheidende Unterschiede zwischen den Ausgangskonstellationen nicht zu übersehen: Anders als die Impfung betreffen die Schnelltests die Durchführung des Arbeitsverhältnisses selbst. Sie dienen insofern der Feststellung einer akuten Erkrankung und somit der Einschätzung einer unmittelbaren Gefährdung, wohingegen eine Impfung rein präventiver Natur ist. Mithin sind die Überlegungen im Rahmen einer Impfpflicht keineswegs auf eine mögliche Testpflicht zu übertragen, sie unterscheiden sich vielmehr erheblich. 

Während eine Impfflicht nicht zur Voraussetzung für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses gemacht werden kann und darf, dürfte die Einschätzung der Rechtsprechung hinsichtlich der Corona-Test hingegen anders ausfallen. Es könnte also durchaus sein, dass zeitnah eine Corona-Testpflicht bei Betreten des Betriebsgeländes durch die Hintertür der Rechtsprechung eingeführt wird. Zu beachten ist jedoch, dass dies nicht allumfänglich gelten kann. Wie bereits bei der Testmöglichkeit bei Vorliegen von coronatypischen Symptomen, dürfte hiermit nur zu rechnen sein, wo eine dezentrale Arbeit nicht möglich, sondern ein Arbeiten vor Ort und insbesondere mit Kontakt zu anderen Menschen erforderlich ist.

Außerdem gilt grundsätzlich, dass ein vorhandener Betriebsrat gem. § 87 I Nr. 1, Nr. 7 BetrVG vor der Durchführung eines Tests zu beteiligen ist, da sowohl Fragen der Ordnung des Betriebs als auch des betrieblichen Gesundheitsschutzes betroffen sind.

Verweigerter Corona-Test kann zum Entfall der Lohnfortzahlung führen

Verweigert ein Arbeitnehmer die Durchführung eines Corona-Tests, bietet er seine Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß an. Das führt dazu, dass der Arbeitgeber diese Arbeitsleistung nicht annehmen muss, ohne sich damit im Annahmeverzug zu befinden. Der Arbeitgeber würde folglich im Ergebnis von seiner Lohnfortzahlung befreit. Im Ergebnis riskiert der Arbeitnehmer, der einen Corona-Test verweigert, also einen Lohnausfall.

Außerdem kann ein stetiges Nichtanbieten der ordnungsgemäßen Arbeitspflicht zu einer Kündigung führen, die im Extremfall auch fristlos erfolgen könnte.

Gefahr einer mittelbaren Impfpflicht dürfte nicht bestehen

Man könnte darüber nachdenken, eine Testpflicht bei einer nachgewiesenen Impfung zu verneinen, was dann dazu führen könnte, dass eine geimpfte Person unmittelbar bevorteilt werden. Dies würde allerdings grundsätzlich voraussetzen, dass von den geimpften Arbeitnehmern nachweislich keine Ansteckungsgefahr für Andere mehr ausgeht, da nur in diesem Fall die Notwendigkeit des Schutzes der anderen Mitarbeiter entfällt. 

Solange hingegen nicht nachgewiesen ist, dass geimpfte Mitarbeiter nicht mehr ansteckend sind, besteht auch insofern keine Gefahr, dass sich Mitarbeiter durch diesen Vorteil mittelbar zu einer Impfung gedrängt fühlen könnten.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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