3. Juni 2022
Arbeitsplatz Testpflicht Coronavirus Direktionsrecht
Arbeitsrecht

BAG gibt grünes Licht für eine PCR-Test-Pflicht am Arbeitsplatz!

Arbeitgeber können im Rahmen ihres Direktionsrechts Corona-Tests am Arbeitsplatz anordnen.

Nach § 618 Abs. 1 BGB muss der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer* während der Arbeit gegen Gefahren für Leben und Gesundheit schützen. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung durch Anordnung von PCR-Tests nach oder stellt dies vielmehr einen ungerechtfertigten Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar? 

Dazu hat sich das BAG in seinem Urteil v. 1. Juni 2022 (5 AZR 28/22) geäußert. Bisher liegt zwar nur die Pressemitteilung des BAG vor. Dieser lassen sich jedoch schon wichtige Erwägungen für Arbeitgeber entnehmen. 

PCR-Test-Strategie im Rahmen des betrieblichen Hygienekonzepts

Die Klägerin war als Flötistin bei der Bayerischen Staatsoper beschäftigt. Ihr Arbeitgeber hatte im Rahmen des betrieblichen Hygienekonzepts für den Sommer 2020 eine Teststrategie entwickelt. Zur Teilnahme an Orchesterproben und Aufführungen waren danach (je nach Risikogruppe, in die die Mitarbeiter zuvor eingeteilt worden waren) regelmäßige PCR-Tests alle ein bis drei Wochen erforderlich. Die Tests konnten kostenlos im Haus oder auf eigene Kosten extern erfolgen. 

Die Klägerin weigerte sich, an den Tests teilzunehmen. Sie gab insofern an, dass diese Tests zu ungenau seien und sie zudem ihre körperliche Unversehrtheit verletzen würden. Zudem seien anlasslose Massentests unverhältnismäßig. Daraufhin stellte die Staatsoper die Lohnzahlung ein. Denn aufgrund der von der Klägerin verweigerten Teilnahme an den Tests konnte diese ihre Arbeitsleistung nicht – jedenfalls nicht entsprechend den Vorgaben des Arbeitgebers – erbringen. 

Fürsorgepflicht und Direktionsrecht des Arbeitgebers

Im Rahmen seiner aus § 618 Abs. 1 BGB resultierenden Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber verpflichtet, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um seine Arbeitnehmer vor Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen. Konkretisiert wird dies durch die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften (§ 3 Abs. 1 ArbSchG). Zur Umsetzung solcher Maßnahmen kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts nach § 106 S. 2 GewO Weisungen hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer in seinem Betrieb erteilen. Dabei muss er stets billiges Ermessen berücksichtigen. 

Diese Grenzen hat die Bayerische Staatsoper laut BAG und den Vorinstanzen (zuletzt LAG München, Urteil v. 26. Oktober 2021 – 9 Sa 332/21) eingehalten. Insbesondere seien zuvor schon zahlreiche andere Maßnahmen getroffen worden. So sei z.B. die Bühne zur Vergrößerung des Abstandes umgebaut worden. Auch wies insbesondere das LAG München in der Vorinstanz darauf hin, dass das Tragen einer Maske im Orchester allenfalls nur teilweise möglich sei.

Das LAG München bezog sich in der Urteilsbegründung noch ausführlich auf § 4 Abs. 2 TVK (Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern), der auf den Arbeitsvertrag der Klägerin Anwendung fand. Nach diesem sollte der Arbeitgeber nach gegebener Veranlassung feststellen, ob ein Musiker frei von ansteckenden Krankheiten ist. Er habe in der Pandemiesituation, die zum Entscheidungszeitpunkt vorlag, Corona-Tests auch bei Personen ermöglicht, die keine Symptome zeigten.

Das BAG begründete seine Entscheidung lediglich mit dem Direktionsrechts des Arbeitgebers, ohne Bezug auf den TVK zu nehmen (soweit aus der Pressemitteilung ersichtlich). 

PCR-Tests stellen keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar

Nach Auffassung des BAG liegt insbesondere kein unverhältnismäßiger Eingriff in die körperliche Unversehrtheit vor. Die Klägerin hatte gerügt, bei der Probenentnahme wären ihr durch ungeschicktes Hantieren tagelange Schmerzen im Nasenbereich zugefügt worden. Dies haben alle Instanzen jedoch als geringfügigen körperlichen Eingriff eingestuft. Das ArbG München (Urteil v. 24. März 2021 – 19 Ca 11406/20) wies insofern ergänzend darauf hin, dass auch ein ausschließlicher Rachenabstrich möglich gewesen wäre. 

Überdies sei auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht ungerechtfertigterweise verletzt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei deshalb nicht beeinträchtigt, da durch die bestehenden Meldepflichten ein positives Testergebnis ohnehin gegenüber dem Arbeitgeber und Kollegen bekannt gegeben werden müsse. 

Keine Lohnfortzahlung wegen Annahmeverzugs

Da die Klägerin ihre Arbeitsleistung ohne vorherigen PCR-Test anbot, machte sie auf Grundlage von § 615 S. 1 BGB Annahmeverzugslohn geltend. Diesen Anspruch wiesen die Gerichte klar zurück. Nach § 297 BGB fehle es insofern am Leistungswillen der Klägerin. Sie habe sich selbst außerstande gesetzt, die arbeitsvertragliche Leistung zu bewirken, indem sie die Testungen verweigerte. Die Weisung des Arbeitgebers entsprach insofern billigem Ermessen.

Zeitlicher Kontext der Entscheidung – Aktuelle Corona-Lage

Zu beachten ist allerdings, dass in dem Zeitraum, für den die Klägerin die Zahlungsansprüche geltend machte, die pandemische Lage eine andere war als heute. Es gab weder ein allgemeines Impfangebot noch die bundesweite Corona-Arbeitsschutzverordnung. Insofern sind die Erwägungen der Gerichte nicht 1:1 auf die gegenwärtige Situation übertragbar.

Da die Corona-Arbeitsschutzverordnung jedoch zwischenzeitlich ausgelaufen ist, dürfte die Sachlage hinsichtlich der gesetzlichen Rahmenbedingungen nun wiederum vergleichbar sein, so dass die Entscheidung des BAG für viele Unternehmen von einiger Tragweite sein dürfte.

Seit einiger Zeit erfolgt in Deutschland eine weitgehende Lockerung der Corona-Maßnahmen. Insbesondere kann durch das Entfallen des § 28b Infektionsschutzgesetzes, in seiner Fassung bis zum 19. März 2022, der Zutritt zur Arbeitsstätte nicht mehr an die Vorlage eines 3G-Nachweises geknüpft werden. 

Insofern stellt sich die Frage, ob eine Maßnahme wie im hiesigen Fall, der sich im Sommer/Herbst 2020 ereignete, also zu einer Zeit, in der die Pandemie besonders schlimm war, in der heutigen Zeit ebenfalls noch möglich wäre. Dies müssen Unternehmen weiterhin einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten prüfen.

Die Reichweite des Direktionsrechts wurde konkretisiert, schützt Arbeitgeber jedoch nicht vor einer Überprüfung des betrieblichen Hygienekonzepts 

Die Herausforderung für Unternehmen wird auch nach dem Urteil des BAG darin bestehen, das konkrete Infektionsrisiko und die ggf. beeinträchtigten Grundrechte der Mitarbeitenden gegeneinander abzuwägen. Das Urteil ist insofern erfreulich, als dass es die Reichweite des Direktionsrechts der Unternehmen etwas konkretisiert und den Unternehmen damit eine gewisse Handreichung bietet.

Interessant dürfte insbesondere werden, wie dies im Kontext der jüngst veröffentlichten FAQ des Bundesarbeitsministeriums zu sehen ist. Danach sind Arbeitnehmer nach dem Wegfall von § 28b des Infektionsschutzgesetzes, in der Fassung bis zum 19. März 2022, nicht mehr verpflichtet, Testangebote ihrer Arbeitgeber anzunehmen. Auch wenn die FAQ des BMAS keine zwingende Wirkung haben, sind Arbeitgeber gut beraten, ihre betrieblichen Hygienekonzepte insbesondere dahingehend zu überprüfen, ob eine etwaig vorgesehene Testpflicht von ihrem Direktionsrecht umfasst ist.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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