Den Geschäftsführer erst abberufen oder erst kündigen? Genießt der Arbeitnehmer als Geschäftsführer Kündigungsschutz? Wir klären auf!
Es ist ein beliebtes Modell, etwa bei internationalen Konzernen mit deutschen Tochter-Gesellschaften: Man macht einen Arbeitnehmer in einer führenden Position formell zum Geschäftsführer. Einer muss es ja schließlich machen, das Handelsregister will es jedenfalls so. Eigenständige Geschäftsleitungsverantwortung hat der betreffende „Karriere-Geschäftsführer″ meistens nicht.
Spannend wird diese Konstruktion bei der Kündigung: Genießt der Arbeitnehmer als Geschäftsführer nun Kündigungsschutz?
Der Wechsel vom Personalleiter oder kaufmännischen Leiter zum Karriere-Geschäftsführer geschieht häufig ohne große Veränderung, was den Vertrag, das Gehalt oder die Position angeht. Nur eine Unterschriftsberechtigung kommt hinzu, die auch manche gesellschaftsrechtliche Verpflichtung, Haftung und Verantwortung mit sich bringt.
Kommt es zur Kündigung, ist immerhin eines klar: Die einschlägigen Normen, nämlich § 14 Abs. 1 Ziffer 1 KSchG und § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, stellen nicht auf die rechtliche Qualifizierung des Anstellungsvertrages als Arbeitsvertrag oder freier Dienstvertrag ab, sondern darauf, ob der Betroffene Geschäftsführer ist oder nicht, also auf die organschaftliche Stellung, die sich nach dem Gesellschaftsrecht beurteilt.
Was sagt das BAG dazu?
Die Geschichte der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hierzu ist wechselvoll und hat jüngstens eine neue Wendung erfahren. Früher nahm das BAG an, dass, wenn keine wesentliche materielle Änderung der Bedingungen des Anstellungsverhältnisses erfolgte, im Zweifel zwei Rechtsverhältnisse zu vermuten seien: Ein ruhendes Arbeitsverhältnis und ein freies Dienstverhältnis, so dass bei Abberufung des Geschäftsführers das ruhende Arbeitsverhältnis wieder zum Leben erweckt werde und dem Betroffenen Kündigungsschutz beschert, der vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen sei.
Davon rückte das BAG wieder ab und meinte, eine solche Rechtskonstruktion sei zwar möglich, müsse aber ausdrücklich vereinbart werden und sei nicht einfach zu vermuten. Konsequent urteilte das BAG dann, dass durch den Abschluss eines schriftlichen Geschäftsführer-Dienstvertrags das frühere Arbeitsverhältnis regelmäßig aufgehoben würde, wenn eben nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart werde.
Erst Abberufung oder erst Kündigung des Geschäftsführers – die Reihenfolge ist entscheidend
Nun ist es aber in vielen Fällen eines Karriere-Geschäftsführers gerade so, dass vertraglich gar nichts passiert, zumindest nichts Schriftliches und Ausdrückliches. Da aber gesetzlich für die Aufhebung eines Arbeitsvertrags die schriftliche Form vorgeschrieben ist, kann mangels Abschluss eines schriftlichen Geschäftsführer-Dienstvertrages das Arbeitsverhältnis eben nicht aufgehoben worden sein. Es besteht weiter und wird Rechtsgrundlage der Geschäftsführer-Tätigkeit. Zum Kündigungsschutz folgerte daher der 6. Senat des BAG schon 2007 ganz logisch, dann komme es eben auf die Reihenfolge an: Erst Kündigung, dann Abberufung – kein Kündigungsschutz; erst Abberufung, dann Kündigung – es besteht Kündigungsschutz.
Der Grund dafür ist einfach: Das Kündigungsschutzgesetz stellt eben nicht auf die Rechtsqualität des Vertrages ab, sondern rein auf die Funktion. Ist jemand zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs Geschäftsführer, dann hat er keinen Kündigungsschutz. Denn für die Stellung als Geschäftsführer ist der formale organschaftliche Akt der Bestellung oder Abberufung maßgeblich. Soweit folgt das Arbeitsrecht dem Gesellschaftsrecht.
Die Sache mit dem Rechtsweg
Nichts gesagt war aber damit über den Rechtsweg. Dem Geschäftsführer steht der Weg zum Arbeitsgericht für Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis, das Grundlage der Geschäftsführer-Tätigkeit ist, eben nicht offen. Macht er aber geltend, in Wahrheit bestehe ein weiteres Arbeitsverhältnis und aus diesem folge Kündigungsschutz, so kann er mit dieser Behauptung das Arbeitsgericht anrufen. Dieses ist aber nur zuständig, wenn der Karriere-Geschäftsführer materiell Recht hat – und für diese Prüfung ist eben das Arbeitsgericht zuständig, was Juristen gemeinhin als „sic-non-Fall″ bezeichnen.
Dem 10. Senat des BAG kam nun ein Fall vor, in dem das Landesarbeitsgericht bereits bindend festgestellt hatte, dass in Übereinstimmung mit dem Parteivortrag zwei Rechtsverhältnisse beim Karriere-Geschäftsführer bestünden: ein Arbeitsverhältnis und ein mündlich abgeschlossener Geschäftsführer-Dienstvertrag. Da Letzterer aber den Arbeitsvertrag mangels Schriftform nicht aufheben kann, besteht das Arbeitsverhältnis eben weiter. Also muss auch der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für Ansprüche hieraus eröffnet sein.
So weit, so klar. Verwunderlich für den gesellschaftsrechtlich Gebildeten war nur die Bemerkung des BAG, dass ein solcher (mündlicher) Geschäftsführer-Dienstvertrag ja auch notwendig sei: Der Arbeitsvertrag bilde keine Grundlage für die Beschäftigung als Geschäftsführer, da diese Tätigkeit in dem Arbeitsvertrag nicht geregelt sei. Der Betreffende sei seinerzeit in anderer Funktion eingestellt worden.
Weshalb hier ein Geschäftsführer-Dienstvertrag notwendig sein soll, erschließt sich dem Gesellschaftsrechtler zunächst nicht. Notwendig ist die Bestellung als gesellschaftsrechtlicher Akt; der Abschluss eines entsprechenden Dienstvertrages ist dagegen nicht zwingend notwendig. Rechtsgrundlage für die Geschäftsführer-Tätigkeit kann etwa das Gesellschaftsverhältnis selbst oder ein sonstiges Rechtsverhältnis sein.
Auch Arbeitsrechtlich erschließt sich diese Notwendigkeit nicht. Was sollte auch Inhalt dieses zusätzlichen mündlichen Geschäftsführer-Dienstvertrages sein? Mehr Geld, ein größeres Auto oder sonst veränderte Bedingungen waren es im geschilderten Fall jedenfalls nicht. Es kam nur eine neue Aufgabe, nämlich die Übernahme der Geschäftsführung, hinzu.
Neues aus Erfurt – Hase oder Igel
Zu dieser Erkenntnis gelangte Ende letzten Jahres (Urteil vom 26.10.2012, Az. 10 AZB 55/12) dann auch das BAG. Es änderte seine Rechtsprechung und meint nun, es gebe nur ein Rechtsverhältnis. Dieses ist begründet durch den alten Arbeitsvertrag und nur ergänzt um die mündliche Abrede, dass der Betreffende auch die Aufgabe der Geschäftsführung übernehme. Damit kommen wir zur Konsequenz, die schon der 6. Senat zum Kündigungsschutz gezogen hat: Die Reihenfolge ist bei einer Kündigung das alles entscheidende Kriterium.
Wird zuerst abberufen, ist die Geschäftsführer-Stellung weg und aus dem Arbeitsverhältnis kann der Karriere-Geschäftsführer vor dem Arbeitsgericht den Kündigungsschutz geltend machen. Erfolgt aber die Kündigung zuerst und erst später die Abberufung, ist er – solange er Geschäftsführer ist – eben gehindert, aufgrund der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG das Arbeitsgericht anzurufen. Das ist für ihn misslich, da wiederum für die Geltendmachung von Kündigungsschutz nach dem KSchG eine dreiwöchige Klagefrist vorgeschrieben ist.
Die Gesellschafter haben es also nach dieser BAG-Entscheidung in der Hand, den Rechtsweg zu bestimmen. Warten sie mit der Abberufung drei Wochen, nachdem die Kündigung zugegangen ist, ist die Klagefrist verstrichen bevor das Arbeitsgericht angerufen werden könnte. Soll die Frist gewahrt werden, muss eben das Landgericht angerufen werden und der Kündigungsschutz nach dem KSchG vor dem Landgericht geltend gemacht werden. Ob das erfolgversprechend ist, sei dahingestellt.
Kurios wird die neueste Entscheidung des BAG für die Gesellschaftsrechtler allerdings, da das BAG im Wortlaut der Entscheidung nicht auf die konstitutive Abberufung abstellt, die ja rechtlich wirksam die Geschäftsführer-Eigenschaft beseitigt, sondern auf die Eintragung der Abberufung im Handelsregister, die aber nur deklaratorische Wirkung hat.
Nimmt man das ernst, ist es noch einfacher, den Rechtsweg zum Arbeitsgericht zu vermeiden. Man kann kündigen, abberufen und muss nur noch dafür Sorge tragen, dass die Anmeldung zum Handelsregister ein wenig verzögert erfolgt. Dafür mag es viele hübsche Entschuldigungsgründe geben (keine Zeit, Notar gerade nicht verfügbar …). Es wird wohl einer weiteren Entscheidung des BAG bedürfen, um diesen Punkt zu klären. Ob bei der Gelegenheit dann das BAG nicht wieder ganz anderen Sinnes wird, bleibt offen, aber das Leben soll ja schließlich spannend bleiben.
Ein Tipp zum Schluss
Rechtsklarheit können die Unternehmen immer selbst schaffen. Bei der Berufung zum Geschäftsführer sollte ein schriftlicher Geschäftsführer-Dienstvertrag, der den bisherigen Arbeitsvertrag aufhebt, abgeschlossen werden. Allerdings wird der Betreffende für die Aufgabe seines Kündigungsschutzes eine Gegenleistung erwarten. Rechtsklarheit hat eben seinen Preis.