17. Dezember 2021
Entgelttransparenzgesetz Erfüllung Auskunft
Arbeitsrecht

Entgelttransparenzgesetz – Erfüllung des Auskunftsverlangens

Arbeitgeber können die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung nicht mehr nach Eingang des Auskunftsverlangens des Beschäftigten an sich ziehen.

Zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots können Beschäftigte* unter Angabe einer Vergleichstätigkeit Auskunft zu dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt und zu bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen verlangen (§ 10 Abs. 1 Entgelttransparenzgesetz, EntgTranspG). Für ihr Auskunftsverlangen sollen sich Beschäftigte an den Betriebsrat wenden, wenn ein solcher im Betrieb besteht. Denn die Durchsetzung der Entgeltgleichheit gehört gem. § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG zu den Aufgaben des Betriebsrats. Darüber hinaus soll durch die Bestimmung des Betriebsrats als erster Ansprechpartner die Hürde für die Beschäftigten abgebaut werden, direkt beim Arbeitgeber die Auskunft zu den durchschnittlichen Gehältern der Vergleichsgruppe zu erfragen.

Jedoch kann der Arbeitgeber die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung nach § 14 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG generell oder in bestimmten Fällen übernehmen, wenn er dies zuvor gegenüber dem Betriebsrat erläutert hat. Übernimmt der Arbeitgeber die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung, gilt dies längstens für die Dauer der Amtszeit des amtierenden Betriebsrats.

LAG Berlin-Brandenburg: Übernahme kann nicht nach Eingang des Auskunftsverlangens vom Arbeitgeber übernommen werden

Das LAG Berlin-Brandenburg musste sich u.a. mit der Frage auseinandersetzen, ob ein tarifungebundenes Unternehmen auch noch nach Eingang des Auskunftsverlangens die Übernahme der Auskunftserteilung dem Betriebsrat unter Darlegung der Gründe mitteilen kann. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte das Unternehmen es versäumt, dem Betriebsrat nach Beginn seiner neuen Amtszeit erneut die Übernahme der Erfüllung der Auskunftsverpflichtung mitzuteilen. Folglich teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat erst nach Eingang des Auskunftsverlangens dessen Erfüllung mit. Dem widersprach der Betriebsrat und er beantragte beim ArbG Berlin, ihm die Einsichtnahme in die Lohn- und Gehaltslisten sämtlicher vergleichbarer Mitarbeiter unter Aufschlüsselung nach Geschlecht und aller Entgeltbestandteile einschließlich der Aktienzuteilung in Form sog. Restricted Stock Units (RSUs) der US-amerikanischen Konzernobergesellschaft zu gewähren. 

Das ArbG Berlin wies den Antrag des Betriebsrats mit der Begründung zurück, die Arbeitgeberin könne nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 14 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG auch noch nach Auskunftsverlangen des Beschäftigten dessen Erfüllung übernehmen. Dem widersprach das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 20. März 2021 – 24 TaBV 481/20). Zwar teilt es die Auffassung des ArbG Berlin, dass sich aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG nicht ergebe, ob die Übernahmeerklärung des Arbeitgebers vor oder nach dem Auskunftsverlangen erklärt werden muss. Das LAG Berlin-Brandenburg begründet jedoch seine Auffassung mit der Systematik sowie dem Sinn und Zweck des § 14 Abs. 2 S. 1 EntgTranspG.

Im Regelfall soll nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg der Betriebsrat den Auskunftsanspruch erfüllen, weil es dem Beschäftigten leichter falle, sich mit seinem Auskunftsbegehren an den Betriebsrat zu wenden. Deshalb müssten die Arbeitnehmer vor ihrem Auskunftsverlangen wissen, wer für die Auskunft zuständig ist, um dementsprechend entscheiden zu können, ob sie ihr Auskunftsersuchen stellen oder nicht.

Der Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg ist rechtskräftig.

RSUs gehören auch dann zum Entgelt, wenn sie nicht vom Arbeitgeber, sondern von einer anderen Konzerngesellschaft gewährt werden

Das LAG Berlin-Brandenburg bezog auch Stellung zu der Frage, ob die von der US-amerikanischen Konzernobergesellschaft zugeteilten RSUs zum Entgelt i.S.d. § 5 Abs. 1 EntgTranspG gehören, sodass der Arbeitgeber auch über diese Auskunft erteilen muss.

Nach § 5 Abs. 1 EntgTranspG sind Entgelte alle Grund- oder Mindestarbeitsentgelte sowie alle sonstigen Vergütungen, die unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistung aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden. Nicht erforderlich ist, dass Entgelte vom Vertragsarbeitgeber gewährt werden; sie müssen jedoch aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses geleistet werden (BAG, Urteil v. 12. Februar 2003 – 10 AZR 299/02). Damit können grundsätzlich auch Aktienoptionen einer Muttergesellschaft aufgrund eines selbständigen Vertrages unter diesen Entgeltbegriff fallen. Dementsprechend verurteilte das LAG Berlin-Brandenburg den Arbeitgeber auch zur Mitteilung der Angaben über die Zuteilung der RSUs, zumal der Arbeitgeber in der im Intranet verlautbarten „Vergütungsphilosophie“ ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass die Leistungen seiner Beschäftigten auch durch die Zuteilung der RSUs honoriert werden. 

Arbeitgeber sollten zu Beginn der Amtszeit des Betriebsrats die Übernahme der Erfüllung des Auskunftsverlangens von Beschäftigten prüfen

Ungeachtet der bislang fehlenden höchstrichterlichen Rechtsprechung bestehen an der Richtigkeit der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg keine Zweifel. Sie steht auch im Einklang mit der herrschenden Meinung in der Literatur. Folglich kann ein Arbeitgeber die Auskunftserfüllung nicht mehr übernehmen, nachdem er über das Auskunftsverlangen eines Beschäftigten vom Betriebsrat in Kenntnis gesetzt wurde.

Deshalb sollten Arbeitgeber stets zu Beginn einer neuen Amtszeit des Betriebsrats prüfen, ob es bei der Erstzuständigkeit des Betriebsrats zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs bleiben soll oder ob sie aus Effizienz-, Verschwiegenheits- oder sonstigen Gründen diese Aufgabe selbst übernehmen wollen. 

Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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