19. April 2018
Geschäftsführer Sozialversicherungspflicht
Arbeitsrecht

Geschäftsführer einer GmbH sind regelmäßig sozialversicherungspflichtig

Das Bundessozialgericht bestätigt in zwei aktuellen Entscheidungen, dass die Geschäftsführer einer GmbH im Grundsatz sozialversicherungspflichtig sind.

Der GmbH-Geschäftsführer ist gemäß der einschlägigen arbeitsrechtlichen Vorschriften §§ 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG, 14 KSchG kein Arbeitnehmer. Die Frage, ob er sozialversicherungspflichtig ist, richtet sich ausschließlich nach den Regelungen des Sozialversicherungsrechts und hier mangels spezialrechtlicher Normen nach den allgemeinen Regeln.

Grundsatz der Sozialversicherungspflicht

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV sind in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung nach Maßgabe der besonderen Vorschriften unter anderem Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, versicherungspflichtig. Beschäftigung im Sinne des Sozialversicherungsrechts ist definiert in § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV als die nicht selbstständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Durch den Zusatz „insbesondere in einem Arbeitsverhältnis“ wird deutlich, dass eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auch in anderen Rechtsbeziehungen erbracht werden kann, so bei der Tätigkeit von Organen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine abhängige Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV voraus, dass der Beschäftigte persönlich abhängig tätig ist. Die Stellung des Geschäftsführers zur GmbH bestimmt sich neben den Regelungen des GmbH-Gesetzes insbesondere nach dem Gesellschaftsvertrag und dem schuldrechtlichen Dienstvertrag des Geschäftsführers. Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung des § 37 Abs. 1 GmbHG. Hiernach sind Geschäftsführer gegenüber der GmbH verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. Grundsätzlich unterliegt ein GmbH-Geschäftsführer daher den Weisungen der Gesellschafterversammlung, ist mithin weisungsabhängig tätig und unterliegt deshalb der Sozialversicherungspflicht.

Ausnahme bei Weisungsfreiheit

Von diesem Grundsatz erkennt das Bundessozialgericht Ausnahmen aufgrund gesellschaftsrechtlicher bzw. satzungsrechtlicher Regelungen, aufgrund Regelungen des schuldrechtlichen Geschäftsführerdienstvertrages oder diesen ergänzende Vereinbarungen an. Das BSG reduziert die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung von Geschäftsführern einer GmbH im Ergebnis auf die Frage, ob der Beschäftigte einem Weisungsrecht unterliegt oder ob er über die Rechtsmacht verfügt, ihm unangenehme Weisungen jederzeit verhindern zu können (BSG, Urteil v. 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R). Ist die GmbH als Arbeitgeberin in der Lage, dem Geschäftsführer Weisungen zu erteilen, so ist von einer abhängigen Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV auszugehen. Verfügt der Geschäftsführer dagegen über die Rechtsmacht, ihm nicht angenehme Weisungen zu verhindern, so ist regelmäßig von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen. Davon ist z.B. auszugehen, wenn der Geschäftsführer mindestens 50 % der Anteile der GmbH hält.

Bei Minderheitsgesellschaftern ist eine Sperrminorität erforderlich, um Weisungsfreiheit annehmen zu können. Eine Sperrminorität bezeichnet den Geschäftsanteil mit dem Gesellschafter oder Anteilshalter Beschlüsse verhindern können. Sie kann im Gesellschaftsvertrag und/oder im Anstellungsvertrag vereinbart werden. Diese Sperrminorität muss dabei ihrerseits so ausgestaltet sein, dass sie dem Minderheitsgesellschafter nicht ohne seinen Willen entzogen werden kann. In seinem Urteil vom 11. November 2015 hat es das BSG nicht für ausreichend erachtet, dass dem Minderheitsgesellschafter und Geschäftsführer in seinem Anstellungsvertrag mit der GmbH ein Vetorecht bei der Bestimmung weiterer Geschäftsführer und bei grundsätzlichen Entscheidungen, die die Geschäfte der GmbH betreffen, eingeräumt wurde. Das dem Geschäftsführer nur schuldrechtlich als Bestandteil des Anstellungsvertrags eingeräumte Vetorecht teile das rechtliche Schicksal des Anstellungsvertrags und sei insoweit nicht „kündigungsfest“ im Sinne uneingeschränkt damit verbundener Einflussmöglichkeiten (BSG, Urteil v. 11. November 2015 – B 12 KR 10/14 R).

Als weitere Ausnahme von der Sozialversicherungspflicht ist ebenfalls denkbar, dass der Geschäftsführer an der Gesellschaft nicht beteiligt ist, aber Anteile an einer Muttergesellschaft hält. Weiterhin ist denkbar, dass dem Geschäftsführer durch schuldrechtliche Vereinbarung eine weisungsfreie Tätigkeit ermöglicht wird, etwa im Rahmen des Geschäftsführerdienstvertrages.

Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R, B 12 R 5/16 R

Die geltende höchstrichterliche Rechtsprechung hat das BSG in zwei Urteilen erneut bestätigt.  Im ersten Fall verfügte der klagende Geschäftsführer lediglich über einen Anteil von 45,6 % am Stammkapital. Eine mit seinem Bruder als weiteren Gesellschafter der GmbH getroffene „Stimmbindungsabrede″ änderte an der Annahme der Sozialversicherungspflicht genauso wenig wie dessen Angebot an den klagenden Geschäftsführer, weitere Anteile zu erwerben. Im zweiten Fall verfügte der klagende Geschäftsführer sogar lediglich über einen Anteil von 12% des Stammkapitals. Das BSG bestätigte auch hier den Grundsatz der Sozialversicherungspflicht. Ein Geschäftsführer, der zugleich Gesellschafter der GmbH ist, sei nur dann nicht abhängig beschäftigt, wenn er die Rechtsmacht besitze, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen. Dies sei regelmäßig der Fall, wenn er mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital halte (Mehrheitsgesellschafter). Ist der Gesellschafter kein Mehrheitsgesellschafter, sei eine abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht ausnahmsweise auch anzunehmen, wenn er exakt 50 % der Anteile halte oder bei einer noch geringeren Kapitalbeteiligung kraft ausdrücklicher Regelung im Gesellschaftsvertrag (Satzung) über eine umfassende („echte″/qualifizierte) Sperrminorität verfüge, sodass es ihm möglich sei, ihm erteilte Weisungen zu verhindern. Das war hier nicht der Fall.

In beiden Fällen betonte das BSG, dass es nicht darauf ankomme, dass ein Geschäftsführer im Außenverhältnis weitreichende Befugnisse und Freiheiten hinsichtlich der Arbeitsgestaltung habe. Entscheidend sei vielmehr der Grad der rechtlich durchsetzbaren Einflussmöglichkeiten auf die Beschlüsse der Gesellschaftsversammlung.

Praxistipp: Gesellschaftsvertraglichen Regelungen und Vereinbarungen im Geschäftsführeranstellungsvertrag prüfen

Die höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt, dass die Geschäftsführertätigkeit von Minderheitsgesellschaftern regelmäßig nur dann sozialversicherungsfrei ist, wenn dem jeweiligen Gesellschaftsgeschäftsführer eine Sperrminorität eingeräumt ist. Diese muss beständig und umfassend sein, d.h. nicht ohne Zustimmung des Gesellschaftergeschäftsführers zurückgenommen werden können. Weiterhin muss es sich um eine Sperrminorität handeln, die für alle Gesellschafterbeschlüsse greift, welche die im Geschäftsführeranstellungsvertrag niedergelegten Rechte beeinträchtigen könnten. Dies ergeht so auch aus der Rechtsprechung der Instanzgerichte, die dem BSG folgen. Sie betonen, dass es für eine selbstständige Tätigkeit nicht ausreiche, wenn der Minderheitsgesellschafter als Geschäftsführer rein faktisch weisungsfrei agieren kann, diese Weisungsfreiheit aber nicht rechtlich abgesichert ist.

Für die rechtliche Absicherung ist weniger die Frage entscheidend, ob die Sperrminorität schuldrechtlich oder gesellschaftsrechtlich niedergelegt ist. Entscheidend kommt es darauf an, dass sie nicht ohne Zustimmung des Gesellschaftergeschäftsführers zurückgenommen werden könne. Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn der Gesellschaftsvertrag vorsieht, dass ein dort geregeltes einstimmiges Stimmrecht jedes Gesellschafters durch jeden Beteiligten mit einer Frist von vier Wochen kündbar ist (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 18. Mai 2016 – L 4 R 296/15).

Um eine Selbständigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrecht zu gewährleisten, sollten die gesellschaftsvertraglichen Regelungen und die Bestimmungen des Geschäftsführeranstellungsvertrags so ineinander verschränkt werden, dass sie eine Weisungsfreiheit ergeben, die ohne Zustimmung des betroffenen Geschäftsführers nicht zurückgenommen werden kann. 

Es ist zudem noch darauf hinzuweisen, dass auch die in der Praxis häufig verwendete Konstellation eines Mehr-Personen-Verhältnisses in der Regel nicht zu einer Sozialversicherungsfreiheit führt. Bei einer solchen Gestaltung ist der jeweilige Geschäftsführer in einer A-GmbH alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer und somit von der Sozialversicherungspflicht eindeutig befreit. Die A-GmbH schließt nun mit der B-GmbH, bei der kein Geschäftsführeranstellungsvertrag besteht, einen Dienstleistungsvertrag, der vorsieht, dass der alleinige Gesellschafter der A-GmbH für die B-GmbH tätig wird. In einer solchen Konstellation wird überwiegend Sozialversicherungspflicht auch für die Tätigkeit bei der B-GmbH angenommen, wenn faktisch eine abhängige Beschäftigung besteht (vgl. hierzu z.B. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 25. April 2017 – L 11 R 1911/16).

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