Nachdem der erste Senat des BAG vorgestern wieder einmal über die Mitbestimmung des Betriebsrats beim Arbeits- und Gesundheitsschutz entschieden hat, stellen sich beim Lesen der entsprechenden Pressemitteilung 17/14 doch Fragen.
Wir hatten berichtet, dass das BAG am 18. März 2014 ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Arbeitsorganisation bejaht hat. In der Pressemitteilung 11/14 zum Verfahren 1 ABR 73/12 hieß es:
„Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber diese aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat und ihm bei der Gestaltung Handlungsspielräume verbleiben. Mit dem Schreiben vom 16. September 2010 hat die Arbeitgeberin eine zur Durchführung des betrieblichen Arbeitsschutzes geeignete Organisation mit näher bezeichneten Aufgaben und Verantwortlichkeiten geschaffen. Hierfür schreibt das Arbeitsschutzgesetz dem Arbeitgeber kein bestimmtes Modell vor. Es bestimmt lediglich einen Rahmen für die Entwicklung einer an den betrieblichen Gegebenheiten ausgerichteten Organisation. Die hierdurch eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats.″
Alles klar, würde man dann meinen – wo Organisation draufsteht, ist dann also auch Mitbestimmung drin!
Nur, was versteht das BAG unter „Arbeitsschutzorganisation″?
Der Arbeitsschutzausschuss, den § 11 ASiG vorsieht, scheint jedenfalls nicht zur „Arbeitsschutzorganisation″ zu gehören. Nach der Vorschrift muss der Arbeitgeber in Betrieben mit mehr als zwanzig Beschäftigten einen Arbeitsschutzausschuss bilden.
§ 11 ASiG enthält nicht nur eine Berechnungsregel (wie sind Teilzeitkräfte zu berücksichtigen), sondern regelt neben der Zusammensetzung des Ausschusses (der Arbeitgeber oder ein von ihm Beauftragter, zwei vom Betriebsrat bestimmte Betriebsratsmitglieder, Betriebsärzte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Sicherheitsbeauftragte) auch dessen Aufgaben (Anliegen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung beraten) und den Mindestturnus, in dem der Ausschuss zusammenkommen muss (vierteljährlich).
Man möchte meinen, auch hier sei „Organisation″ drin, etwa ob weitere Stellen oder Personen im Ausschuss beteiligt werden, ob der Ausschuss häufiger tagen soll, und ob ihm zusätzliche Aufgaben übertragen oder die gesetzlichen Aufgaben näher konkretisiert werden.
Es steckt aber keine „Organisation″ drin, jedenfalls nicht nach der Entscheidung des BAG vor zwei Tagen im Verfahren 1 ABR 82/12:
„§ 11 ASiG regelt zugunsten des Betriebsrats keinen Anspruch auf Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses. Vielmehr handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers. Hierbei steht ihm kein Handlungsspielraum zu. Das schließt nach dem Eingangshalbsatz des § 87 Abs. 1 BetrVG auch ein Mitbestimmungsrecht in Angelegenheiten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes aus. Es bedurfte daher keiner Entscheidung, ob die Arbeitgeberin ihrer Verpflichtung aus dem Arbeitssicherheitsgesetz dadurch genügt, dass sie im Hauptbetrieb unter Beteiligung des Gesamtbetriebsrats einen Arbeitsschutzausschuss errichtet hat.″
Damit wäre das Thema Arbeitsschutzausschuss also ein für allemal aus der Verhandlung mit dem Betriebsrat raus?
Möglicherweise nicht. Denn die Parteien hatten in der Vorinstanz vor dem LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 9. August 2012 – 3 TaBV 1/12 ) über den Antrag gestritten, „der Arbeitgeberin aufzugeben, für die Filiale 3106 in S., K. 50 – 52 einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden.″ Und wenn es nur um die Frage gegangen ist, ob ein Ausschuss gebildet werden muss, dann wäre ja noch Spielraum für die Zukunft gegeben – und Arbeitgeber dürfen sich auf weitere Diskussionen einstellen. Regelungen über die Teilnahme der gesetzlichen Mitglieder an den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses sah das LAG Niedersachsen in seinem Beschluss vom 22. Oktober 2013 (Az. 11 TaBV 49/13) nicht als mitbestimmungspflichtig an, und ließ den Umfang der Mitbestimmung bei einer Geschäftsordnung des Ausschusses offen. Hierüber wird das BAG gesondert in dem Verfahren 1 ABR 83/12 entscheiden.
Spannend bleibt daneben dann die Frage, was alles „Organisation″ im Sinne der Entscheidung vom 18. März 2014 sein kann.
Hoffen wir, dass sich dies mit den Entscheidungsgründen aus den beiden Verfahren aufklärt!