11. Dezember 2018
sachgrundlose Befristung Vorbeschäftigung
Arbeitsrecht

Sachgrundlose Befristung bei fünf Jahre zurückliegender Vorbeschäftigung noch nicht zulässig

Als erstes Instanzgericht äußert sich das LAG Düsseldorf nach dem Beschluss des BVerfG zum Vorbeschäftigungsverbot bei sachgrundlosen Befristungen.

Gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht zulässig ist, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Hierzu hatte das Bundesarbeitsgericht seit 2011 in ständiger Rechtsprechung vertreten, dass eine Vorbeschäftigung einer erneuten sachgrundlosen Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht entgegensteht, wenn diese mehr als drei Jahre zurückliegt („Drei-Jahres-Regel″; BAG, Urteil vom 6. April 2011, Az. 7 AZR 716/09). Mit Beschluss vom 6. Juni 2018 (Az. 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14) kippte das Bundesverfassungsgericht („BVerfG″) die Rechtsprechung des BAG zum Vorbeschäftigungsverbot.

Zugrundeliegender Sachverhalt

Der Kläger war im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. September 2006 bei der Beklagten als Koch im Rahmen eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses beschäftigt. Nach Ablauf der Befristung war der Kläger anderweitig als Koch tätig, bevor er aufgrund eines erneut sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags vom 11. November 2011 seit dem 15. November 2011 bis zum 14. November 2013 wiederum bei der Beklagten beschäftigt wurde.

Der Koch erhob gegen die letzte Befristung die sog. Entfristungsklage und hatte in zweiter Instanz vor dem LAG Düsseldorf Erfolg. Das LAG Düsseldorf stellte nunmehr nach fünf Jahren fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht zum 14. November 2013 endete, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht (Urteil vom 10. Oktober 2018, Az. 7 Sa 792/17).

Entscheidungsgründe

a) Ausnahme vom Vorbeschäftigungsverbot nicht einschlägig

Das LAG zitiert in seiner Entscheidung die Ausführungen des BVerfG, wonach das Verbot der Vorbeschäftigung unzumutbar sein kann, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Dies ist z.B. gegeben bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden oder studentischen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht.

Eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne und damit eine Ausnahme vom Grundsatz des Vorbeschäftigungsverbots kann das LAG Düsseldorf in seiner Entscheidung aber nicht erkennen. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulässige erneute sachgrundlose Befristung lägen nicht vor, denn jedenfalls bei einer Zeitdauer von fünf Jahren könne noch nicht von einem „sehr langen″ Zeitraum zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG gesprochen werden. Darüber hinaus habe es sich bei der Vorbeschäftigung des Klägers auch nicht um eine geringfügige Nebenbeschäftigung, sondern um eine Vollzeittätigkeit gehandelt, mit der der Kläger den Lebensunterhalt für sich und seine Familie verdiente.

b) Kein Vertrauensschutz

Das LAG Düsseldorf – wie bereits zahlreiche LAGs zuvor (z.B. LAG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 29. Mai 2017 – 6 Sa 405/15) – geht ferner davon aus, dass Vertrauensschutz hinsichtlich der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BAG seit 2011 nicht besteht. Es habe im Zeitpunkt der Befristungsabrede im Jahr 2011 keine langjährige und gesicherte Rechtsprechung in dem Sinne bestanden, dass nach einer mehr als dreijährigen Unterbrechung ein befristeter Vertrag ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes geschlossen werden kann. Die Rechtsprechungsänderung des BAG im Jahr 2011 sei bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags erst ca. sieben Monate alt gewesen. Geht die Beklagte in Kenntnis einer Vorbeschäftigung eine erneute sachgrundlose Befristung ein, obwohl noch keine gefestigte und langjährige Rechtsprechung vorliegt, habe sie die sich daraus ergebenden rechtlichen Risiken und Konsequenzen zu tragen.

Anmerkung

Das LAG Düsseldorf stellt klar, dass eine sachgrundlose Befristung bei Vorliegen einer Vorbeschäftigung jedenfalls dann noch nicht möglich ist, wenn die Vorbeschäftigung „nur″ fünf Jahre zurückliegt. Damit ist zwar nach wie vor nicht geklärt, welcher Zeitraum zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen nach dem BVerfG („sehr lange″) bestehen muss, das LAG-Urteil gibt jedoch einen ersten Anhaltspunkt.

Weiterhin führt das LAG aus, dass es sich bei der Vorbeschäftigung des Klägers auch nicht um eine geringfügige Nebenbeschäftigung, sondern um eine Vollzeittätigkeit gehandelt habe, mit der der Kläger seinen Lebensunterhalt für sich und seine Familie verdiente. Unklar ist, ob eine Vollzeitvorbeschäftigung nun immer – egal wie weit sie in der Vergangenheit liegt – eine erneute sachgrundlose Befristung verhindert. Nach dem BVerfG dürfte dem nicht so sein, da danach eine Unzumutbarkeit anzunehmen ist, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Es genügt für die Unzumutbarkeit dementsprechend, wenn eine Alternative gegeben ist. Dass es sich um eine „geringfügige Nebenbeschäftigung″ handeln kann, führt das BVerfG in seinem Beschluss nur als Beispiel auf. Legt man das Urteil des LAG im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG aus, dürfte eine Vollzeitbeschäftigung für die erneute sachgrundlose Befristung unschädlich sein, wenn sie „sehr lange″ zurückliegt. Es bleibt abzuwarten, wie sich weitere Instanzgerichte hierzu positionieren.

Darüber hinaus stellt das LAG erstmals nach Veröffentlichung des BVerfG-Beschlusses klar, dass sich Arbeitgeber im Hinblick auf aktuell bestehende sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse nicht auf Vertrauensschutz wegen der früheren BAG-Rechtsprechung berufen können. Es gelten somit weiterhin unsere bereits aufgestellten Praxishinweise.

Das LAG hat die Revision zugelassen.

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