15. April 2024
Hinweisgeberstelle Mitbestimmung Betriebsrat
Arbeitsrecht

Mitbestimmung bei der Einrichtung und Ausgestaltung von Hinweisgeberstellen 

Dieser Beitrag untersucht die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in Bezug auf Hinweisgeberstellen nach dem HinSchG.

Der Gesetzgeber hat das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) als nationale Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937) im Mai 2023 verabschiedet. Allerdings werden Bußgelder wegen des Fehlens einer internen Meldestelle erst seit Dezember 2023 nach Ablauf der Übergangsregelung verhängt. Vor diesem Hintergrund befassen sich derzeit viele Unternehmen mit der konkreten Umsetzung der Pflichten aus dem Hinweisgeberschutzgesetz.

Nicht selten machen Betriebsräte in diesem Zusammenhang Mitbestimmungsrechte geltend. Inwieweit dem Betriebsrat bei der Einrichtung und dem Betrieb von Hinweisgeberstellen Mitbestimmungsrechte zustehen, beleuchten wir in diesem Beitrag.

Ist die Einrichtung einer internen Hinweisgeberstelle für Arbeitgeber verpflichtend?

Hinweisgeber haben grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen interner und externer Meldestelle (§ 7 Abs. 1 HinSchG). Allerdings sollen sie sich vorrangig an eine interne Hinweisgeberstelle wenden, sofern intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und keine Repressalien zu befürchten sind (§ 7 Abs. 1 S. 3 HinSchG).

Beschäftigungsgeber mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten sind hingegen verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten (§ 12 Abs. 1, § 3 Abs. 8 und 9 HinSchG). Zu den Beschäftigten gehören neben Arbeitnehmern* unter anderem auch die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten (§ 3 Abs. 8 HinSchG).

Die Ausgestaltung interner Hinweisgeberstellen 

Sofern Arbeitgeber eine interne Meldestelle einrichten müssen, steht ihnen hinsichtlich der Organisationsform ein Wahlrecht zu. Entweder übertragen sie die Aufgaben auf eine Arbeitseinheit, die aus den Beschäftigten des Unternehmens besteht, oder sie lagern sie auf externe Dritte aus (§ 14 Abs. 1 HinSchG). 

Unabhängig von der gewählte Organisationsform haben Arbeitgeber Meldekanäle einzurichten, über die sich die Beschäftigten an die Meldestellen wenden können (§ 16 HinSchG). Den Arbeitgebern steht im Wesentlichen frei, wie sie diese Kanäle ausgestalten. Sie müssen lediglich gewährleisten, dass die Beschäftigten Meldungen mündlich oder in Textform einreichen können.

Sobald eine Meldung bei der internen Meldestelle eingeht, sind bestimmte Verfahrensschritte einzuhalten (§ 17 HinSchG). So hat die interne Meldestelle die Meldung unter anderem spätestens nach sieben Tagen zu bestätigen, der Verstoß ist von der Meldestelle auf seine Stichhaltigkeit zu prüfen und angemessene Folgemaßnahmen sind von ihr zu ergreifen. Dies beinhaltet beispielsweise die Durchführung interner Untersuchungen (§ 18 Nr. 1 HinSchG).  

Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung der Hinweisgeberstelle aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG

Teilweise wird vertreten, dass dem Betriebsrat bei der Ausgestaltung der Hinweisgeberstelle immer ein Mitbestimmungsrecht zustehe, weil Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb betroffen seien (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).

Vorzugswürdig ist allerdings eine differenzierte Betrachtung. Denn solange sich Arbeitgeber bei der Ausgestaltung im gesetzlichen Rahmen bewegen, also beispielsweise die vom Gesetz vorgegebenen Verfahrensschritte (§ 17 HinSchG) übernehmen, ohne die Hinweisgeberstelle zu weiteren Verfahrensschritten zu verpflichten, hat der Betriebsrat gerade kein Mitbestimmungsrecht, da dem Arbeitgeber kein Entscheidungsspielraum verbleibt.

Etwas anderes gilt, wenn Arbeitgeber sich zu Maßnahmen entschließen, die über den gesetzlichen Rahmen hinausgehen, z.B. wenn Hinweisgeber zur Nutzung eines Meldekanals verpflichtet werden. In diesem Fall wird das betriebliche Verhalten der Arbeitnehmer geregelt, mit der Folge, dass der Betriebsrat zu beteiligen ist. Denn wie bei der Einrichtung einer Beschwerdestelle nach § 13 AGG ist das Meldeverfahren nach dem Hinweisgebeschutzgesetz darauf angelegt, das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer in standardisierter Weise zu steuern. 

Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie zur Vermeidung der Mitbestimmung bei der Ausgestaltung interner Meldestellen darauf achten sollten, ob sich die geplanten Regelungen noch innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen. Insbesondere sollte die Freiwilligkeit der Nutzung der Meldekanäle gewährleistet werden.

Eine Ausnahme gilt hingegen für die Wahl des Standortes und die personelle Besetzung der Hinweisgeberstelle: Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist in diesen Fällen nicht gegeben, da die Standortwahl und Besetzung der Hinweisgeberstelle lediglich die mitbestimmungsfreie Organisation des Arbeitgebers und nicht das betriebliche Zusammenwirken betreffen. 

Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung der Hinweisgeberstelle aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG 

Weitaus größere Relevanz bei der Ausgestaltung einer Hinweisgeberstelle dürfte das Mitbestimmungsrecht wegen Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG), haben.

Die Meinungen in der Literatur gehen an dieser Stelle auseinander. Während einige die Auffassung vertreten, dass der Betriebsrat immer ein solches Mitbestimmungsrecht habe, nehmen andere an, dass die Ausgestaltung der Hinweisgeberstellen nicht der Mitbestimmung nach dieser Norm unterliege. Überzeugender ist es, einen differenzierten Ansatz zu wählen und das Bestehen des Mitbestimmungsrechts von der Konfiguration der Meldeplattform abhängig zu machen.

Sofern sich Arbeitgeber dazu entscheiden, ein internes Hinweisgebersystem über eine spezifische Software-Lösung, beispielsweise eine digitale Meldeplattform, zu betreiben, welche Rückschlüsse auf die Identität des Hinweisgebers sowie den Zeitpunkt der Meldung gibt, ist eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle durch den Arbeitgeber möglich und das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gegeben. Ohne Relevanz ist in diesem Zusammenhang, ob der Arbeitgeber die Überwachung des Hinweisgebers tatsächlich bezweckt. Es kommt allein auf die objektive Eignung der Meldeplattform an, Verhaltens- oder Leistungsinformationen über die Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen. 

Um die Mitbestimmung zu vermeiden, sollten Arbeitgeber bei der Auswahl der Meldeplattform darauf achten, dass Meldungen nur anonym abgegeben werden können, so dass weder Rückschlüsse auf die Identität des Hinweisgebers noch den Zeitpunkt der Meldung möglich sind. Dadurch ist eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle ausgeschlossen. 

Vorsicht ist darüber hinaus bei der Verwendung von Freifeldern geboten. Freifelder ermöglichen Hinweisgebern, die digitale Meldeplattform um weitere Informationen individuell zu ergänzen. Dann besteht die Gefahr, dass diese Informationen Rückschlüsse auf das Verhalten des Hinweisgebers ermöglichen.

Erfolgreiche Umsetzung von Hinweisgeberschutz durch Einbindung des Betriebsrats

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Hinweisgeberschutzgesetz sowie die damit verbundenen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen. Während das Gesetz darauf abzielt, Hinweisgeber effektiv zu schützen und Fehlverhalten innerhalb von Unternehmen transparent zu machen, bedarf es einer sorgfältigen Abwägung und Ausgestaltung der internen Meldestellen unter Berücksichtigung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Unternehmen sind daher gut beraten, bei der Einrichtung und Ausgestaltung von Hinweisgeberstellen nicht nur den gesetzlichen Anforderungen zu genügen, sondern auch proaktiv den Dialog mit dem Betriebsrat zu suchen. Durch eine transparente Kommunikation und Einbindung des Betriebsrats können nicht nur Konflikte vermieden, sondern auch ein Umfeld geschaffen werden, das das Vertrauen der Beschäftigten in die Hinweisgeberstellen stärkt. Letztlich profitieren alle Beteiligten von einem gut ausgestalteten und akzeptierten Hinweisgebersystem, das zur Aufdeckung und Prävention von Missständen im Unternehmen beiträgt und damit einen wesentlichen Beitrag zur Unternehmensintegrität und -kultur leistet.

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* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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