Beim Aufhebungsvertrag zu beachten: Voraussetzungen einer Sperrzeit und die mit der neuen Geschäftsanweisung zum § 159 SGB III einhergehenden Veränderungen.
Arbeitsverhältnisse werden in vielen Fällen einvernehmlich durch einen Aufhebungsvertrag zügig und rechtssicher beendet. Dadurch lassen sich kosten- und zeitaufwändige Kündigungsrechtsstreitigkeiten vermeiden.
Für den Arbeitnehmer stellt sich dabei jedoch immer das Problem, ob er eine Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld zu befürchten hat. Die Arbeitsagentur hat seit 25. Januar 2017 eine neue Geschäftsanweisung zu § 159 SGB III, die den Sachbearbeitern als Entscheidungshilfe dient.
Voraussetzungen für Ruhens- oder Sperrzeiten
Nach § 158 Abs. 1 S. 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn der Arbeitnehmer wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, eine Entschädigung oder eine ähnliche Leistung erhalten hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der (vom Arbeitgeber zu beachtenden) ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Frist beendet worden ist.
Hintergrund der Regelung: Bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung wird vermutet, dass sozialversicherungspflichtiges Gehalt in eine (sozialversicherungsfreie und steuerbegünstigte) Abfindungszahlung „umgewandelt″ wurde. Dies soll nicht zu Lasten der Arbeitslosenversicherung möglich sein. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 158 SGB III ruht längstens ein Jahr. Eine Verkürzung des Anspruches erfolgt nicht, d.h. nach der Ruhenszeit beginnt der volle Anspruchszeitraum zu laufen, wenn neben der Ruhenszeit nicht gleichzeitig (wie häufig) eine Sperrzeit nach § 159 SGB III verhängt wird.
§ 159 Abs. 1 S. 1 SGB III regelt, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitslosengeld ruht, wenn er sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidrig verhält sich ein Arbeitnehmer im Sinne des § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III u.a. dann, wenn er das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat („Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe″).
Daher stellt auch der Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder die Eigenkündigung grundsätzlich sperrzeitrelevantes Verhalten dar. Denn der Arbeitnehmer beendet sein Arbeitsverhältnis und möchte trotzdem Arbeitslosengeld beziehen. Diese Belastung der Versichertengemeinschaft wird ihm nur gestattet, wenn er einen wichtigen Grund für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses hatte.
Neben der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses setzt eine Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III deshalb voraus, dass kein wichtiger Grund vorliegt. Anders als das Ruhen des Anspruchs gemäß § 158 SGB III hat eine Sperrung gemäß § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 1. Alt. SGB III eine Verkürzung des Anspruches um regelmäßig zwölf Wochen zur Folge (§ 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III). Gleichzeitig treten die Rechtsfolgen des § 158 SGB III ein, sofern im Aufhebungsvertrag eine Entschädigungszahlung vorgesehen ist und die arbeitgeberseitige Kündigungsfrist abgekürzt wird.
Für den Wegfall der Sperrzeit ist demnach der wichtige Grund in § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 SGB III von besonderer Relevanz. Ob ein solcher „wichtiger Grund″ vorliegt, prüft die Arbeitsagentur grundsätzlich von Amts wegen und stützt sich dabei auf die Rechtsprechung der Sozialgerichte sowie auf die von ihr erlassene Geschäftsanweisung zum Arbeitslosengeld, die sich mit Wirkung ab 25. Januar 2017 geändert hat (Geschäftsanweisung zum Arbeitslosengeld, Aktualisierung, Stand 12/2016).
Keine Sperrzeit bei Vorliegen eines wichtigen Grundes – die Rechtsprechung
Hinsichtlich des wichtigen Grundes hat sich die Rechtsprechung in den letzten Jahren gewandelt. Inzwischen erkennt das Bundessozialgericht (BSG) einen wichtigen Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages dann an, wenn
- dem Arbeitnehmer mit einer objektiv rechtmäßigen ordentlichen Kündigung gedroht wird
- und diesem die Hinnahme der Kündigung nicht zuzumuten war.
Darüber hinaus entfällt die Rechtmäßigkeitsprüfung der Kündigung, wenn im Rahmen des Aufhebungsvertrages eine Entschädigungszahlung in den Grenzen des § 1a Abs. 2 KschG (0,5 Monatsverdienst für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses) vereinbart wird (BSG vom 2. 5. 2012 – B 11 AL 6/11 R).
Keine Sperrzeit bei Vorliegen eines wichtigen Grundes – die Bundesagentur für Arbeit
Die aktuelle Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit nimmt einen wichtigen Grund nunmehr darüber hinaus dann an, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen:
- eine Kündigung durch den Arbeitgeber wurde mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt
- die drohende Arbeitgeberkündigung wurde auf betriebliche oder personenbezogene (neu) (nicht aber verhaltensbedingte) Gründe gestützt,
- die ordentliche (arbeitgeberseitige) Kündigungsfrist wurde eingehalten
- der Arbeitnehmer war nicht unkündbar
und
- es wurde eine Abfindung von bis zu 0,5 Monatsgehältern (neu) für jedes Jahr des Arbeitsverhältnisses an den Arbeitnehmer gezahlt.
Die erste Änderung im Vergleich zu der alten Handhabung der Arbeitsagentur ist somit, dass an der Untergrenze von 0,25 Brutto-Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr nicht mehr festgehalten wird. Die Arbeitsagentur prüft nur noch die Rechtmäßigkeit der hypothetischen Kündigung, wenn eine höhere Abfindung als 0,5 Brutto-Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr gezahlt wird.
Hinzu kommt, dass ein wichtiger Grund nicht mehr nur bei drohender betriebsbedingter Kündigung, sondern auch bei drohender personenbezogener Kündigung (darunter fallen auch krankheitsbedingte Gründe) vorliegt. Dies gilt jedoch nicht für eine drohende Arbeitgeberkündigung aus verhaltensbedingten Gründen. Bei dieser ist daher nach wie vor mit einer Sperrzeit zu rechnen.
Fazit
Zur Vermeidung einer Sperrzeit empfiehlt es sich zunächst, die ordentliche arbeitgeberseitige Kündigungsfrist im Rahmen des Aufhebungsvertrages einzuhalten. In diesem Fall kommt ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs nach § 158 Abs. 1 S. 1 SGB III schon mal nicht in Betracht.
Von der Bundesagentur für Arbeit würde dann weiter das Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 SGB III geprüft. Hier zeigt die Praxis jedoch, dass die Bundesagentur für Arbeit in diese Prüfung regelmäßig nicht vertieft einsteigt. Die Handhabung variiert von Bundesland zu Bundesland und von Sachbearbeiter zu Sachbearbeiter.
Möchten Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages deshalb sichergehen, dass es nicht zu einer Sperrzeit des Anspruchs auf Arbeitslosengeld kommt, so müssen die oben aufgeführten Voraussetzungen eines wichtigen Grundes eingehalten werden.
Einer Sperrzeit kann man auch sicher entgehen indem man genau 12 Monate nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abwartet bis man sich arbeitslos meldet.
Hallo zusammen,
ich habe einen Aufhebungsvertrag mit meiner Firma abgeschlossen, und habe eine Abfindung von mehr als 0,5 Monatsgehälter /Jahr bekommen. Nun habe ich vom Arbeitsamt eine Meldung bekommen.
Sperrzeit 3Wochen bei Arbeitsaufgabe §159Abs.1S.2Nr.1SGBIII.
Sind es nur diese 3 Wochen, oder kommt da noch mehr?
Muss ich noch etwas bedenken?
Für ihre Hilfe danke ich ihnen.
Bleiben Sie gesund.
LG
OL
Hallo OL,
wenn die Arbeitsagentur eine Sperrzeit für nur 3 Wochen verhängt, dann sollte es das eigentlich sein. Nach § 159 Abs. 3 Nr. 1 SGB III verkürzt sich die Sperrzeit auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne Sperrfrist geendet hätte. Vielleicht ist das Ihr Fall. Nach § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III kann sich die Dauer des Arbeitslosengeldanspruchs jedoch ebenfalls um 3 Wochen reduzieren.
Bleiben Sie ebenfalls gesund!
Viele Grüße
Martina Hidalgo
Hallo zusammen.
Aufhebungsvertrag zum 31.01.22 (Beendigungsdatum)
Freistellung ab 01.09.2021
Es wird eine Ruhezeit geben, aber keine Sperrzeit (ärztliches Attest)
Frage: Wann fängt die Ruhezeit an zu laufen.
Gruß
Erich
Lieber Erich,
ein „Ruhen“ nach § 158 SGB III tritt ein, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der für den Arbeitgeber geltenden Kündigungsfrist gegen Zahlung einer Abfindung beendet wird. In diesem Fall ruht der Arbeitslosengeldanspruch vom Ende des Arbeitsverhältnisses bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der Kündigungsfrist geendet hätte (§ 158 Abs. 1 Satz 1). Beispiel: Die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber beträgt sechs Monate zum Monatsende, der Aufhebungsvertrag wird im April 2021 geschlossen und beendet das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2021. Der Arbeitgeber hätte das Arbeitsverhältnis im April 2021 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist erst zum 31.10.2021 beenden können; der Arbeitslosengeldanspruch ruht somit grundsätzlich vom 01.07.2021 bis 31.10.2021. Allerdings gibt es in § 158 SGB III viele weitere Regelungen, Konkretisierungen und Ausnahmen, was das im jeweiligen Fall konkret für den jeweiligen Arbeitslosengeldanspruch bedeutet. Insofern kann ich Ihnen nicht sagen, was das Ruhen in Ihrem Fall konkret für Ihren Arbeitslosengeldanspruch bedeutet, selbst wenn Sie mir weitere Details (z. B. die für Sie geltende Kündigungsfrist Ihres Arbeitgebers) mitteilen würden. Am besten klären Sie das Thema unmittelbar mit Ihrem Sachbearbeiter bei der Arbeitsagentur, der Ihnen konkret sagen kann, in welcher Höhe Sie ab wann Arbeitslosengeld erwarten können. Wir können in den Blog-Kommentaren keine individuelle Rechtsberatung geben . Trotzdem hoffe ich, dass die Information schon einmal weiterhilft.
Viele Grüße
Martina Hidalgo
Hallo, bezieht sich die Berechnung 0,5 Monatsgehälter pro Jahr auf volle Jahre, oder auf genaue Zeitangaben? Wenn man beispielsweise 2,75 Jahre bei einem Arbeitgeber beschäftigt ist, gelten dann 2 Jahre , 2,75 oder aufgerundet 3 Jahre? Viele Grüße
Hallo zusammen,
die Ärzte haben bei mir Krebs diagnostiziert. Für uns ist eine Welt zusammengebrochen. Ich bin verheiratet, Alleinverdiener und Vater von fünf Kindern, die alle noch zur Schule gehen.
Im Januar 2021 hat mir mein Arzt nach mehreren Operationen empfohlen, meinen Arbeitsplatz zu kündigen und mir eine längere Auszeit zu nehmen.
Im Februar 2021 habe ich einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung unterschrieben und bin zum 31.03.2021 aus dem Unternehmen ausgeschieden.
Der Plan war, gesund zu werden und den Kopf frei zu kriegen.
Ich hatte mich im März 2021 bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet, dort wurde auch ein Schreiben meines Arztes eingereicht, worin er die Empfehlung den Arbeitsplatz zu kündigen und die aktuelle Arbeitsunfähigkeit schriftlich bestätigt.
Nun wurde von der Agentur für Arbeit eine Sperrzeit von 12 Monaten, aufgrund des § 158 SGB III eingeleitet.
Nun meine Frage:
Wurde hier richtig entschieden oder gibt es doch eine Möglichkeit auf Krankenversicherung und Arbeitslosengeld.
Vielen Dank und Gruß
Matthias
Lieber Matthias,
das ist hart. Offensichtlich wurde die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber erheblich abgekürzt, weil Sie im Februar einen Aufhebungsvertrag mit nur einem Monat Kündigungsfrist zum 31.03.2021 unterzeichnet haben. Ich vermute, dass die Kündigungsfrist eigentlich viel länger gewesen wäre, vielleicht war eine ordentliche Kündigung bei Ihnen sogar ganz ausgeschlossen. Die Abfindung war damit wohl zu einem großen Teil das Gehalt, das Sie eigentlich verdient hätten, wenn das Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig schon zum 31.03.2021, sondern unter Einhaltung der Kündigungsfrist beendet worden wäre. In einem solchen Fall muss leider ein Ruhen nach § 158 SGB III angeordnet werden, das Gesetz lässt der Arbeitsagentur keinen anderen Spielraum. Es gibt in dieser Vorschrift auch keinen „wichtigen Grund“ oder irgendetwas, was man als Rechtfertigung für die Abkürzung der Kündigungsfrist anführen könnte und was der Arbeitsagentur einen Ermessensspielraum einräumen würde, von einem Ruhen abzusehen. Die Vorschrift ist sehr technisch und stellt ausschließlich auf die Abkürzung der Kündigungsfrist ab. Ich befürchte deshalb, dass man nichts machen kann.
Es tut mir leid, dass ich keine bessere Auskunft habe.
Viele Grüße und alles Gute
Martina Hidalgo
Hallo Damian,
ich schulde Ihnen noch eine Antwort: Für die Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses zur Berechnung der Abfindung ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden (§ 1a Abs. 2 Satz 1 KSchG). Das bedeutet in Ihrem Beispiel, dass bei 2,75 Jahren Beschäftigung 0,5 Bruttomonatsgehälter x 3 Jahre anzusetzen sind, bei genau 2,5 Jahren wäre auf 2 Jahre abzurunden.
Viele Grüße
Martina Hidalgo
Stimmt die Aussage, die im Kommentar vom 20.1.2020 getroffen wurde (Jahresfrist)? Wenn Ja, welche rechtliche Grundlage liegt zugrunde?
Hallo, ich habe 2019 einen Aufhebungsvertrag zum 31.12.22 zugestimmt. Mittlerweile hat sich meine soziale Situation geändert (Ehefrau ist arbeitslos geworden) und frage mich ob der Aufhebungsvertrag überhaupt rechtmäßig ist. Ich konnte damals nicht wissen das ich in diese Situation komme.