28. November 2012
Jetzt musste Sondermann bloß noch alle(s) auf Linie bringen
Arbeitsrecht

Neues von der CGZP: Landessozialgerichte entscheiden zu Nachforderungen der DRV

Wir haben bereits in zahlreichen Beiträgen über die vor den Sozialgerichten ausgetragenen Streitigkeiten im einstweiligen Rechtsschutz berichtet, in denen sich Personaldienstleister, die in der Vergangenheit die Tarifverträge der CGZP angewendet haben, gegen Nachforderungen der Rentenversicherungsträger wenden, die diese in Zusammenhang mit der nunmehr durch das BAG endgültig festgestellten Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft geltend machen:

In einer jüngst bekannt gewordenen Entscheidung hat das LSG Baden-Württemberg einstweiligen Rechtsschutz gewährt (Beschl. v. 19.11.2012 – L 11 R 3954/12 ER-B). Das Gericht hat dabei ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides, weil die Behörde nicht berechtigt war, die Höhe des zur Bestimmung der Nachforderung relevanten Arbeitsentgelts der betroffenen Zeitarbeitnehmer zu schätzen. Nach § 28 f Abs. 2 S. 3 SGB IV kann der Rentenversicherungsträger im Rahmen einer Betriebsprüfung den Gesamtsozialversicherungsbeitrag von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Entgelte geltend machen und zudem nach Satz 3 der Vorschrift die Höhe der geschuldeten Arbeitsentgelte schätzen, soweit er diese nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln und einem bestimmten Beschäftigten zuordnen kann (sog. Beitragssummenbescheid). Grundvoraussetzung eines Vorgehens nach § 28 f Abs. 2 SGB IV ist jedoch, dass der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden kann. Die Voraussetzung der Verletzung der Aufzeichnungspflicht gilt nicht nur für den in Satz 1 der Vorschrift geregelten sog. Lohnsummenbescheid, sondern ist auch Voraussetzung für die Schätzungsbefugnis des Satzes 3. Nach ihrem eigenen Vorbringen war der Antragsgegnerin die Feststellung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts im vorliegenden Fall deshalb nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand möglich, weil die Antragstellerin keinen geeigneten equal pay-Lohn hat vorlegen können. Dies beruht aber – so das LSG Baden-Württemberg – nicht auf einer Verletzung der Aufzeichnungspflicht, so dass eine Schätzung nicht möglich ist. Im Ergebnis schließt sich das Gericht der Ansicht des LSG Rheinland-Pfalz und des LSG Schleswig-Holstein an (vgl. LSG Rheinland-Pfalz v. 14.08.2012 – L 6 R 223/12 B ER; LSG Schleswig-Holstein v. 20.4.2012 – L 5 KR 9/12 B ER mwN): die DRV ist nicht berechtigt, die der Nachforderung zugrunde zu legenden Bemessungsgrundlagen ohne Weiteres zu schätzen. Vielmehr muss die DRV darlegen, warum und weshalb das Unternehmen seine Aufzeichnungspflichten verletzt hat. Mit den übrigen, gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides vorgebrachten Argumenten des Personaldienstleisters musste sich das LSG Baden-Württemberg bedauerlicherweise nicht mehr befassen.

Darüber hinaus hat auch das LSG Berlin-Brandenburg einen Anwender der CGZP-Tarifverträge wegen der inzwischen eingetretenen Verjährung der Nachforderung für das Jahr 2006 Recht gegeben (Beschl. v. 13.11.2012 – L 1 R 350/12 B ER). Das Gericht bestätigt dabei die bereits erstinstanzlich durch das SG Berlin (Beschl. v. 14.08.2012 – S 73 KR 1335/12 ER) angenommenen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides, da sich der Personaldienstleister auf die vierjährige Verjährungsfrist (§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV) berufen kann, die Ende 2010 abgelaufen ist. Der streitgegenständliche Prüfbescheid datiert aber erst aus dem Jahr 2012. Die DRV kann sich nicht auf die verlängerte Verjährungsfrist von 30 Jahren berufen, weil der Antragssteller die Beiträge vorsätzlich vorenthalten hat (§ 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Zwar begründet nach der Rspr. des BSG eine anfänglich vorhandene Gutgläubigkeit keinen Vertrauensschutz, wenn nach Fälligkeit, aber noch vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist zumindest ein Eventualvorsatz hinzutritt. Dies ist aber nur der Fall, wenn auch der innere (subjektiven) Tatbestand festgestellt ist, d.h. anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner individuell ermittelt werden kann. Die Feststellungslast (= Beweislast) dafür trifft im Zweifel den Versicherungsträger, der sich auf die für ihn günstige lange Verjährungsfrist beruft. Dafür ist aber nach Aktenlage nichts vorgetragen worden. Nach Ansicht des LSG Berlin-Brandenburg folgt alleine aus dem Hinweis der Antragsgegnerin auf den Beschluss des BAG zur fehlenden Tariffähigkeit der CGZP vom 14.12.2010 nicht einmal, dass das fehlendes Wissen über – wie hier – rückwirkende Beitragspflichten fahrlässig gewesen sein dürfte. Dass die Entscheidung des BAG umfassend publiziert worden sein mag, ersetzt dabei nicht den konkreten Nachweis einer vorsätzlicher Beitragsvorenthaltung.

Dass Gericht folgt im Ergebnis der wohl überwiegend in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass die Nachforderung der DRV von Beiträgen für die Jahre 2005 und 2006 verjährt ist, wenn die Betriebsprüfung erst im Jahr 2011 durchgeführt worden ist (vgl. nur: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 20.09.2012 – L 8 R 630/12 B ER; LSG Rheinland-Pfalz v. 14.08.2012 – L 6 R 223/12 B ER). Eine Verjährung für Beiträge aus dem Jahr 2007 kann zudem anzunehmen sein, wenn die Betriebsprüfung erst in 2012 erfolgte – dies lässt zumindest das LSG Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung deutlich durchblicken. Die DRV kann in den betreffenden Verfahren zur Herleitung des (bedingten) Vorsatzes in der Regel nur auf die von ihr versendeten, allgemein gehaltenen Schreiben verweisen, durch die unter Hinweis auf die Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 eine Betriebsprüfung angekündigt wird. Dies reicht allerdings nicht aus, um eine vorsätzliche Beitragsvorenthaltung zu begründen. Sollte die DRV dazu nicht weiter vortragen, ist von einer Verjährung der Beitragsnachforderungen zumindest für die Jahre 2005 und 2006 – nach den Umständen des Einzelfalls auch für 2007 – auszugehen. Darauf sollten sich die Personaldienstleister ausdrücklich berufen.

Die beiden Entscheidungen verdeutlicht erneut, dass sich Zeitarbeitsunternehmen erfolgreich gegen das Vorgehen der DRV gerichtlich zur Wehr setzen können und im Übrigen auch sollen. Dies gilt insbesondere, wenn die Behörde von ihrer vermeintlichen Schätzungsbefugnis Gebrauch gemacht hat.

Tags: CGZP DRV einstweiliger Rechtsschutz Lohnsummenbescheid Nachforderung Rentenversicherungsträger Schätzung Tarifunfähigkeit Verjährung