Grundsätzlich sind Studenten versicherungspflichtig. Für Studentenjobs gilt jedoch ab 1. Januar 2017 teilweise eine neue Rechtsauslegung.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V unterliegen Arbeitnehmer, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Krankenversicherungspflicht. Nach § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 i.V.m. S. 1 SGB XI besteht zusätzlich eine Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung. Gleiches gilt nach § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI für die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach § 25 Abs. 1 SGB III für die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung.
Das Bestehen von Versicherungspflicht ist mithin abhängig davon, ob eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt vorliegt. Etwas anderes gilt bei der Versicherungspflicht für Studenten.
Ausnahme von der Versicherungspflicht: Das Werkstudentenprivileg
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V sind Personen krankenversicherungsfrei, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule oder einer Fachhochschule gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Dies gilt ebenfalls für die Pflegeversicherung sowie nach § 27 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB III für die Arbeitslosenversicherung, da diese grundsätzlich der Krankenversicherung folgen.
Schüler und Studenten sind von der Kranken-, Pflege, und Arbeitslosenversicherung befreit. Für die Rentenversicherung gilt dieses Privileg nicht.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung lässt für die Versicherungsfreiheit aufgrund des Werkstudentenprivilegs allerdings nicht das formale Kriterium genügen, dass es sich bei den Beschäftigten statusrechtlich um Studenten handelt (BSG vom 11.11.2003 – B 12 KR 24/03 R). Die Versicherungsfreiheit verlangt vielmehr neben dem förmlichen Status des Studenten (Immatrikulation), dass das Studium Zeit und Arbeitskraft des Studenten überwiegend in Anspruch nimmt und er damit trotz Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung seinem Erscheinungsbild nach Student bleibt.
Gesetzliches Leitbild des Werkstudentenprivilegs sind demnach Studierende, die neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausüben, um sich durch Arbeit die zur Durchführung des Studiums und zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts erforderlichen Mittel zu verdienen. Die Beschäftigung ist demgemäß nur versicherungsfrei, wenn und solange sie „neben“ dem Studium ausgeübt wird. Die Arbeit muss dem Studium nach Zweck und Dauer untergeordnet, mithin das Studium die Hauptsache, die Beschäftigung die Nebensache sein (BSG vom 11.11.2003 – B 12 KR 24/03 R; BSG vom 30.3.1994 – 11 RAr 67/93).
Neue Rechtsauslegung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger
Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger haben am 23. November 2016 ein Gemeinsames Rundschreiben veröffentlicht. Darin teilen sie ihre teilweise veränderte Rechtsauslegung bezüglich der Frage mit, wann die oben genannten Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit einer Werkstudententätigkeit in Zukunft erfüllt sein sollen.
Im Folgenden werden anhand der bisher und auch weiterhin geltenden Grundsätze die Änderungen aufgezeigt:
Grundsatz: Bei bis zu 20 Wochenstunden gilt das Werkstudentenprivileg
Grundsätzlich ist die Tätigkeit eines Studenten versicherungsfrei, wenn sie die Grenze von 20 Wochenstunden nicht überschreitet.
Bei Beschäftigungen am Wochenende sowie in den Abend- und Nachtstunden kommt Versicherungsfreiheit aufgrund des Werkstudentenprivilegs auch bei einer Wochenarbeitszeit von mehr als 20 Stunden in Betracht. Dies entschied das Bundessozialgericht bereits im Jahre 1980 in seinem Urteil vom 22. Februar (12 RK 34/79). Vorausgesetzt werde, dass Zeit und Arbeitskraft des Studenten überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen werde.
Die Rechtsauslegung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 23. November 2016 weicht von der bisherigen ab. Sie halten nunmehr fest, dass von einem Erscheinungsbild eines Studenten nicht mehr auszugehen ist, wenn
- eine Beschäftigung am Wochenende und in den Abend- und Nachtstunden mit einer Wochenarbeitszeit von mehr als 20 Stunden ohne zeitliche Befristung ausgeübt wird oder
- auf einen Zeitraum von mehr als 26 Wochen im Jahr befristet ist.
In diesen Fällen trete die Zugehörigkeit zum Kreis der Beschäftigten in den Vordergrund.
Nimmt ein Student z.B. eine unbefristete Beschäftigung im Umfang von 25 Stunden/Woche auf und leistet hiervon 7 Stunden nur am Wochenende, so besteht in diesem Fall nach der neuen Rechtsauslegung Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Versicherungsfreiheit aufgrund des Werkstudentenprivilegs besteht nicht, obwohl die wöchentliche Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden dem nicht entgegensteht. Die Arbeitszeit passt sich mit Blick auf die Verteilung des Beschäftigungsumfangs den Erfordernissen des Studiums an.
Diese Neuerungen sind bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung von beschäftigten Studenten und Praktikanten ab 01. Januar 2017 zu berücksichtigen; dies gilt auch dann, wenn die Beschäftigung vor dem 01. Januar 2017 aufgenommen wurde. Sofern bei Aufnahme einer Beschäftigung vor dem 01. Januar 2017 durch die Anwendung der 26-Wochen-Regelung nach dem Verständnis des gemeinsamen Rundschreibens in der bisherigen Fassung aus dem Jahre 2004 von der Versicherungsfreiheit aufgrund des Werkstudentenprivilegs ausgegangen werden durfte, wird dies für die Dauer dieser Beschäftigung nicht beanstandet.
Versicherungsfreiheit in Semesterferien
Wird die Beschäftigung ausschließlich während der vorlesungsfreien Zeit (Semesterferien) ausgeübt, war und ist auch weiterhin davon auszugehen, dass Zeit und Arbeitskraft in der Gesamtbetrachtung überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen werden.
Unabhängig von der wöchentlichen Arbeitszeit und der Höhe des Arbeitsentgeltes kann daher Versicherungsfreiheit aufgrund des Werkstudentenprivilegs bestehen. Die Beschäftigung muss hierfür ausschließlich auf die vorlesungsfreie Zeit (Semesterferien) begrenzt sein. Dies gilt auch für eine Beschäftigung, die grundsätzlich an nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich ausgeübt wird, in den Semesterferien auf mehr als 20 Stunden wöchentlich ausgedehnt und nach dem Ende der Semesterferien wieder auf eine Wochenarbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden zurückgeführt wird.
Etwas anderes gilt dann, wenn sich derartige Beschäftigungen mit mehr als 20 Wochenstunden im Laufe des Jahres wiederholen und insgesamt mehr als 26 Wochen im Jahr ausmachen.
Versicherungsfreiheit bei befristeten Studentenjobs
Versicherungsfreiheit besteht auch weiterhin für solche Studenten, die zwar mehr als 20 Stunden wöchentlich arbeiten, deren Beschäftigung aber von vornherein auf nicht mehr als zwei Monate oder 50 Arbeitstage befristet ist. Die Höhe des Arbeitsentgeltes ist hierbei unbedeutend.
Die Versicherungsfreiheit beruht in diesen Fällen jedoch nicht auf der Anwendung der Vorschriften über die Versicherungsfreiheit aufgrund des Werkstudentenprivilegs, sondern auf der Regelung zur Versicherungsfreiheit bei geringfügiger (kurzfristiger) Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 SGB V, § 27 Abs. 2 SGB III jeweils i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV). Es ist daher zunächst vorrangig zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer geringfügigen kurzfristigen Beschäftigung erfüllt sind.
Hierbei ist weiterhin zu beachten, dass in der Zeit vom 01. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2018 die Zeitgrenzen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV für das Vorliegen einer geringfügigen Beschäftigung von zwei auf drei Monate bzw. von 50 auf 70 Arbeitstage ausgeweitet werden (§ 115 SGB IV). Die Ausweitung dieser Zeitgrenzen ist auch bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung der von Studenten ausgeübten (befristeten) Beschäftigungen zu beachten.
Sind die Voraussetzungen für eine kurzfristige Beschäftigung nicht erfüllt, kann dennoch Versicherungsfreiheit in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung im Rahmen des Werkstudentenprivilegs bestehen. Dies gilt dann, wenn
- die Beschäftigung ausschließlich auf die vorlesungsfreie Zeit (Semesterferien) begrenzt ist. Dabei sind zeitliche Überschneidungen mit der Vorlesungszeit bis zu längstens zwei Wochen unschädlich, sofern sie nur ausnahmsweise vorkommen;
- die 20-Wochenstunden-Grenze der befristeten Beschäftigung nur durch Beschäftigungszeiten am Wochenende oder in den Abend- und Nachtstunden überschritten wird;
- mehrere Beschäftigungen im Laufe des Jahres vorliegen, die über die 20-Wochenstunden-Grenze und über den Zeitraum der kurzfristigen Beschäftigung hinausgehen, die jedoch befristet sind und zusammengerechnet nicht 26 Wochen im Jahr überschreiten.
Es ist in diesen Fällen zusätzlich zu prüfen, ob die Beschäftigung zusammen mit zuvor ausgeübten Beschäftigungen die Grenze von 26 Wochen/182 Kalendertagen innerhalb eines Jahres (nicht Kalenderjahr!) überschreitet.
Zusammenfassung: Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit für Studenten
Zusammengefasst lässt sich also festhalten, dass auch zukünftig Versicherungsfreiheit für Werkstudenten besteht, wenn:
- Der Studentenjob nicht über 20 Wochenstunden hinausgeht,
- ein Studentenjob über 20 Wochenstunden hinausgeht, jedoch befristet ist und die Tätigkeit ausschließlich am Wochenende oder in den Abend- und Nachtstunden ausgeübt wird. Voraussetzung ist dann weiterhin, dass die Beschäftigung zusammen mit zuvor ausgeübten Beschäftigungen die Grenze von 26 Wochen/182 Kalendertagen innerhalb eines Jahres ab Ende der Beschäftigung (nicht Kalenderjahr!) nicht überschreitet und
- ein Studentenjob ausschließlich befristet und nur in der vorlesungsfreien Zeit (Semesterferien) ausgeübt wird.