Kann ein Personaldienstleister diejenigen Arbeitnehmer, die von einem Kunden „abgemeldet“ werden, d.h. deren „Austausch“ dieser verlangt, mangels anderweitiger Einsatzmöglichkeiten betriebsbedingt kündigen und dabei die weiterhin bei einem Kunden beschäftigten, sprich gerade nicht „abgemeldeten“ Mitarbeiter von der Sozialauswahl ausnehmen? Wird diese Frage bejaht, könnte der Arbeitgeber letztlich die Kündigungen auf die „abgemeldeten“ Arbeitnehmer beschränken und deren Arbeitsverhältnisse beenden.
Die 10. Kammer des Hess. LAG hat dazu jüngst entschieden, dass sich die Sozialauswahl grundsätzlich auf die verliehenen und die nicht verliehenen Arbeitnehmer mit einem vergleichbaren Tätigkeitsprofil erstrecken muss (Urt. v. 09.12.2011 – 10 Sa 438/11). Das Unternehmen argumentierte, dass eine Sozialauswahl nicht durchzuführen gewesen sei, da die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Arbeitnehmer, die der Kunden „abgemeldet“ habe, beendet worden seien.
Dieser Ansicht folgte das Hess. LAG nicht: die betriebsbedingte Kündigung sei nicht gerechtfertigt, da der Personaldienstleister soziale Gesichtspunkte gem. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG nicht hinreichend berücksichtigt habe. Dieser habe sämtliche nach wie vor bei dem Kunden eingesetzten Arbeitnehmer von der Sozialauswahl ausgenommen, die von den Sozialdaten her deutlich weniger schutzwürdig seien als der Kläger. Der Vergleichbarkeit stehe nicht entgegen, dass diese Arbeitnehmer bei dem Kunden eingesetzt seien, wohingegen der Kläger abgemeldet worden sei. Würde man die bloße „Abmeldung“ ausreichen lassen, um eine betriebsbedingte Kündigung zu begründen, könne ein Betrieb der Zeitarbeit, der sein Geschäftsmodell auf die Betreuung von 1 oder 2 Kunden beschränke, die Voraussetzungen des KSchG ohne Weiteres unterlaufen. Jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend – keine besonderen vertraglichen Vereinbarungen zwischen Personaldienstleister und Kunden bestünden, sei – unter Berücksichtigung des jeweiligen Tätigkeitsprofils – grundsätzlich von einer Vergleichbarkeit der „abgemeldeten“ und noch beim Kunden tätigen Arbeitnehmer auszugehen.
Die Entscheidung der 10. Kammer liegt auf der Linie der 9. Kammer, die in einem vergleichbaren Fall bereits die Ansicht vertreten hat, dass eine kündigungsrelevante Differenzierung nach eingesetzten und nicht eingesetzten Arbeitnehmern grundsätzlich ausgeschlossen ist (Hess. LAG, Urt. v. 29.04.2010 – 9 Sa 1830/09).
Eine abweichende Bewertung ist nach Ansicht des Hess. LAG hingegen möglich, wenn vertraglich zwischen Zeitarbeitsunternehmen und Kunde geregelt ist, dass eine Ersetzungsbefugnis ausgeschlossen sein soll (= Berechtigung des Personaldienstleisters, den Arbeitnehmer jederzeit abzuberufen und anderweitig einzusetzen); die schlichte namentliche Nennung der dem Kunden zur Verfügung zu stellenden Mitarbeiter soll hingegen nicht ausreichen. Die Entscheidung des Hess. LAG verdeutlicht, wie wichtig die Ausgestaltung des AÜV ist. Der Vorbehalt, aus Gründen der Flexibilisierung jederzeit die Zeitarbeitnehmer austauschen zu können, hat für den Personaldienstleister zumindest aus kündigungsschutzrechtlicher Sicht nicht unerhebliche Nachteile.