Europäischer Gesetzgeber beschließt gesonderte aufsichtsrechtliche Regelungen für Wertpapierfirmen, die nationale Umsetzung stellt den deutschen Gesetzgeber allerdings vor Herausforderungen.
Ende Dezember 2019 ist die Verordnung (EU) 2019/2033 über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen (Investment Firm Regulation – IFR) zusammen mit der sie begleitenden Richtlinie (EU) 2019/2034 (Investment Firm Directive – IFD) in Kraft getreten. Damit wurde ein gesondertes Rahmenwerk über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen geschaffen, um insbesondere den besonderen Risikoprofilen von Wertpapierfirmen Rechnung zu tragen.
Wertpapierfirmen haben regelmäßig keine großen Portfolios an Privatkunden- und Unternehmenskrediten und nehmen keine Einlagen entgegen. Insofern unterscheiden sich die Risikoprofile der meisten Wertpapierfirmen von denen von Kreditinstituten deutlich. Auch ist bei Wertpapierfirmen die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Ausfall die allgemeine Finanzstabilität gefährden könnte, geringer als bei Kreditinstituten. Sie stellen aus Sicht des Europäischen Gesetzgebers jedoch ebenfalls ein Risiko dar, dem mit einem soliden Rahmen vorzubeugen ist (s. Erwägungsgrund (4) der IFD).
In zeitlicher Hinsicht muss die IFD von den EU-Mitgliedstaaten bis zum 26. Juni 2021 in nationales Recht umgesetzt werden; ebenso gilt ab diesem Zeitpunkt die IFR.
Maßnahmenpaket für Banken
Bereits einige Monate vor dem Maßnahmenpaket für Wertpapierfirmen ist im Juni 2019 das sogenannte EU-Bankenpaket, bestehend insbesondere aus der Verordnung (EU) 2019/876 (CRR II) zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (CRR) sowie der Richtlinie (EU) 2019/878 (CRD V) zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU (CRD IV) verabschiedet worden. Dieses EU-Bankenpaket soll die Kapital- und Liquiditätsanforderungen für Banken im Einklang mit internationalen Standards stärken.
Änderung des Institutsbegriffs
Vielfach unbemerkt wurde dabei im Rahmen des Maßnahmenpaketes für Wertpapierfirmen auch die Begrifflichkeit in Art. 4 (1) CRR geändert (vgl. Art. 62 (3) IFR). Zukünftig gelten ausschließlich Kreditinstitute sowie große, systemrelevante Wertpapierfirmen als Institute i.S.d. CRR. Dies umfasst solche Wertpapierfirmen, die bankartige Dienstleistungen nach der Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II) erbringen (d.h. Eigenhandel sowie Emission und/oder Platzierung von Finanzinstrumenten mit fester Übernahmeverpflichtung) und gewisse Schwellenwerte (EUR 30 Mrd.) hinsichtlich der konsolidierten Bilanzsumme des Unternehmens oder der Gruppe überschreiten (sog. Gruppe 1 Wertpapierfirmen).
Alle übrigen Wertpapierfirmen, welche die neuen Voraussetzungen des Art. 4 (1) Nr. 1 CRR nicht erfüllen (sog. Gruppe 2 und 3 Wertpapierfirmen), gelten hingegen zukünftig nicht mehr als Institute i.S.d. Art. 4 (1) Nr. 3 CRR, sondern als Wertpapierfirmen i.S.d. Art. 4 (1) Nr. 2 CRR. Dies betrifft insbesondere kleinere, nicht systemrelevante Wertpapierfirmen. Diese unterliegen dann allein den neuen Vorgaben nach IFR und IFD.
Eine Zwitterstellung nehmen Wertpapierfirmen der Gruppen 2 und 3 mit einer konsolidierten Bilanzsumme von mehr als EUR 15 Mrd. oder mit einer konsolidierten Bilanzsumme zwischen EUR 5 und 15 Mrd., für die die zuständige Aufsichtsbehörde die Anwendung der CRR-Regelungen verlangt, ein. Sie unterfallen zwar nicht dem neuen Institutsbegriff in Art. 4 (1) Nr. 3 CRR, die CRR-Regelungen für Institute finden aber gleichwohl Anwendung.
„Institut″ und „Kreditinstitut″ in Deutschland
Diese vom Europäischen Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung hat auch Auswirkungen auf die Regelungen im deutschen Kreditwesengesetz (KWG), das die Vorgaben der CRD in deutsches Recht umsetzt und partiell auf Regelungen der CRR verweist. Denn gemäß § 1 Abs. 1b KWG umfasst der dort verwendete Begriff „Institut“ bisher sowohl Kreditinstitute nach § 1 Abs. 1 KWG als auch Finanzdienstleistungsinstitute nach § 1 Abs. 1a KWG. Die Finanzdienstleistungen nach § 1 Abs. 1a KWG bilden dabei größtenteils die Wertpapierdienstleistungen nach der MiFID II ab.
Zudem ist der Begriff „Kreditinstitut″ nach dem KWG weiter gefasst als der bisherige Begriff „Kreditinstitut″ nach Art. 4 (1) Nr. 1 CRR. Letzterer erfasst lediglich Unternehmen, deren Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren. Als Bankgeschäfte i.S.d. des KWG gelten hingegen beispielsweise auch das Finanzkommissions-, Garantie- oder Emissionsgeschäft.
Da vor Inkrafttreten der IFR CRR-Wertpapierfirmen als Institute nach Art. 4 (1) Nr. 3 CRR ebenfalls den Vorgaben der CRR unterlagen, ergaben sich aus dem erweiterten Kreditinstitutsbegriff nach § 1 Abs. 1 KWG sowie der Anwendung der Vorgaben der CRR über § 1a KWG auch für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, die keine CRR-Institute sind, bisher keine unmittelbaren Auswirkungen. Infolge der Änderung des europäischen Institutsbegriffs könnten zukünftig jedoch bestimmte Wertpapierfirmen nach Art. 4 (1) Nr. 2 CRR in der Fassung der IFR unter den Institutsbegriff des KWG fallen, die mit Inkrafttreten der IFR eigentlich nicht mehr von den aufsichtsrechtlichen Vorgaben für Kreditinstitute nach der CRR erfasst werden sollen.
Bisher keine Berücksichtigung des geänderten Institutsbegriffs in der nationalen Umsetzung
Anders als für die Umsetzung der IFD liegt zur Umsetzung der CRD V in deutsches Recht ein erster Gesetzentwurf bereits vor. Zunächst hatte das Bundesfinanzministerium am 22. April 2020 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reduzierung von Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Bankensektor (Risikoreduzierungsgesetz – RiG) veröffentlicht und zugleich die öffentliche Konsultation des Referentenentwurfes gestartet. Hierzu ist eine Vielzahl an Stellungnahmen von Marktteilnehmern eingegangen. Am 29. Juli 2020 hat das Bundeskabinett dann den Regierungsentwurf des RiG beschlossen. Das RiG soll größtenteils bereits Ende 2020 in Kraft treten.
Jedoch sehen weder der Referentenentwurf noch der Regierungsentwurf des RiG bisher vor, den Institutsbegriffs im KWG an die Neuregelung der IFR anzupassen. Wird der Institutsbegriff nach § 1 Abs. 1b KWG nicht entsprechend des Art. 4 (1) Nr. 3 CRR in der Fassung der IFR, wonach ‚Institut‘ nur noch ein gemäß Art. 8 bzw. des neu eingefügten Art. 8a der CRD IV zugelassenes Kreditinstitut i.S.d. CRR ist, geändert, würde dies zu erheblichen Rechtsunsicherheiten bezüglich der Anwendbarkeit der Vorgaben der IFR und CRR führen. So könnten beispielsweise Wertpapierfirmen im Sinne des Art. 4 (1) Nr. 2 CRR in der Fassung der IFR, die zugleich als Kreditinstitute nach § 1 Abs. 1 KWG gelten (weil sie z.B. das Emissionsgeschäft als Bankgeschäft i.S.d. KWG betreiben), sowohl unter die Vorgaben der IFR als auch der CRR (über § 1a Abs. 1 KWG) fallen, obgleich die Vorgaben der IFR im Allgemeinen weniger umfassend sind als die der CRR. Gleiches droht wegen § 1a Abs. 2 KWG grundsätzlich auch für Finanzdienstleistungsinstitute, die keine CRR-Institute sind.
Inhaberkontrolle
Wie oben erläutert, unterliegen mit der Anpassung des Institutsbegriffs Wertpapierfirmen der Gruppe 2 und 3 zukünftig grundsätzlich nicht mehr den Anforderungen der CRR und CRD, sondern allein den Regelungen der IFR und IFD. Jedoch beinhalten weder IFR noch IFD den Regelungen für Kreditinstitute vergleichbare Vorgaben für den Erwerb bedeutender Beteiligungen an Wertpapierfirmen, nach denen eine qualifizierte Beteiligung einer Anzeige und Beurteilung der Aufsichtsbehörden bedarf. Auch hier besteht das Risiko erheblicher Rechtsunsicherheiten bezüglich der Anwendbarkeit des § 2c KWG auf Wertpapierfirmen bzw. Finanzdienstleistungsinstitute.
Vermeidung von Rechtsunsicherheiten durch schlüssige und konsequente Umsetzung des geänderten Institutsbegriffs in nationales Recht
Auf den Gesetzgeber kommt im Rahmen der Umsetzung der Maßnahmenpakete für Banken und Wertpapierfirmen noch erheblicher Aufwand zu. Aus praktischer Sicht sollte zwingend darauf geachtet werden, dass die mit IFR und IFD auf europäischer Ebene vorgenommene Änderung des Institutsbegriffs schlüssig und umfassend in nationales Recht, insbesondere im KWG, umgesetzt wird. Andernfalls drohen erhebliche Rechtsunsicherheiten für Marktteilnehmer und Aufsichtsbehörden. Zudem sollten zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen Ungleichbehandlungen von Wertpapierfirmen, die nicht mehr unter den Institutsbegriff der CRR fallen, im europäischen Vergleich möglichst vermieden werden.