Immobilienbewertung: Vergleichswertmethode bei der Wertermittlung schützt Banken vor Haftungsrisiko.
Bei Immobilienverkäufen wirft das Dreiecksverhältnis zwischen Käufer, Verkäufer und finanzierender Bank an vielen Stellen klärungsbedürftige Rechtsfragen auf. Insbesondere von Kunden ohne umfassende Geschäftserfahrung wird die Bank häufig als Vertragspartei wahrgenommen, die aufgrund ihres zum Teil überlegenen Wissens eher dem Lager des Verkäufers zuzuordnen und deshalb zur umfassenden Aufklärung über das zugrundeliegende Geschäft verpflichtet sei.
Im aktuellen Marktumfeld, welches durch das Niedrigzinsniveau geprägt ist, werden Wohnimmobilien regelmäßig zu Preisen verkauft, welche den Ertragswert erheblich übersteigen. In diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage, ob die Bank eine Aufklärungspflicht im Hinblick auf eine mögliche Überteuerung der finanzierten Immobilie trifft.
Aufklärungspflicht der finanzierenden Bank bei erkennbarer sittenwidriger Übervorteilung des Käufers
Der BGH hat sich in seiner Entscheidung vom 8. Januar 2019 (Az. XI ZR 535/17) erneut mit den Aufklärungspflichten einer Bank auseinandergesetzt. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung kann eine solche Aufklärungspflicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Wissensvorsprungs gegenüber dem Kunden entstehen, wenn eine so wesentliche Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert vorliegt, dass die Bank von der sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen muss. Das ist anzunehmen, wenn der Verkaufspreis knapp doppelt so hoch ist wie der Verkehrswert der Immobilie.
Anwendbarkeit der Vergleichswertmethode auch bei deutlich abweichendem Ertragswert
In seiner Entscheidung hat sich der BGH nun insbesondere damit beschäftigt, wie der dieser Situation zugrundeliegende Verkehrswert zu ermitteln ist. Der BGH vertritt bereits seit einigen Jahren die Rechtsansicht, dass für die Verkehrswertermittlung in der Regel die Vergleichswertmethode anzuwenden sei (vgl. die Urteile des XI. Zivilsenats vom 16. Mai 2006 – Az. XI ZR 6/04, vom 29. Juni 2010 – Az. XI ZR 104/08 und vom 18. Oktober 2016 – Az. XI ZR 145/14, jeweils m.w.N.). Diese Rechtsprechung wurde nun in der benannten Entscheidung bestätigt und vertieft.
Lässt sich eine aussagekräftige Menge von Vergleichspreisen verlässlich ermitteln, so stellt nach dem BGH die Vergleichswertmethode die einfachste und zuverlässigste Methode zur Ermittlung des Verkehrswertes der finanzierten Immobilie dar. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine andere Wertermittlungsmethode wie beispielsweise die Ertragswertmethode zu einem deutlich abweichenden Ergebnis führt.
Wenn hinreichendes Vergleichsmaterial – also eine gewisse Anzahl vergleichbarer Verkaufsfälle – vorliegt, so stellt dies eine ausreichende Basis für die Beurteilung des Verkehrswertes dar, auch wenn der Wert auf einer vergleichsweisen „schmalen“ Basis ermittelt wurde. Der durch die Auswertung der tatsächlich erzielten Preise vorgenommene direkte Vergleich mit dem maßgeblichen Markt ist eine ausreichende Grundlage für die Verneinung eines besonders groben Missverhältnisses zwischen Verkaufspreis und Verkehrswert. Der Verkäufer – und damit auch die finanzierende Bank – muss sich dann nicht entgegenhalten lassen, der Verkaufspreis habe eine außergewöhnliche Gegenleistung dargestellt.
Keine erweiterte Prüfungspflicht der Bank
Da im aktuellen Niedrigzinsumfeld der Ertragswert (insbesondere) bei Wohnimmobilien ganz regelmäßig deutlich von den Verkaufspreisen abweicht, ist die Entscheidung für Bankenseite sehr erfreulich. Im Ergebnis ist die Bank nicht – auch nicht im eigenen Interesse zur Abwendung einer etwaigen Haftung aufgrund der Nichterfüllung von Aufklärungspflichten – verpflichtet, den Ertragswert einer von ihr finanzierten Immobilie zu ermitteln. Die Bank muss sich die Erkennbarkeit von nicht präsentem Wissen ohnehin nur dann vorhalten lassen, wenn sich ihr die zugrundeliegenden Tatsachen im Einzelfall quasi aufdrängen. Wenn hinreichende Vergleichswerte vorliegen, die nicht auf eine sittenwidrige Übervorteilung des Kunden schließen lassen, muss die Bank daher zu einem etwaig abweichenden Ertragswert jedenfalls auch nicht weiter ermitteln.