25. August 2020
Banking & Finance

Bundesregierung plant Einführung elektronischer Wertpapiere

eWertpapiere gelten als Sachen – Registereintrag statt Papierform – Erfassung auch blockchainbasierter Kryptowertpapiere.

Mit dem am 11. August dieses Jahres veröffentlichen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren (eWpG-E) wird ein neues Kapitel im deutschen Wertpapierrecht aufgeschlagen. Die Schaffung elektronischer Wertpapiere stellt eine Abkehr von der traditionell seit mehr als 100 Jahren erforderlichen Verbriefung eines Wertpapiers in einer Urkunde dar.

Hierbei soll das Gesetz in einem ersten Schritt zwar zunächst nur für Anleihen (sog. Inhaberschuldverschreibungen) anwendbar sein, allerdings sollen in Zukunft auch weitere elektronische Wertpapiere eingeführt werden – insbesondere auch die elektronische Aktie. Insofern lässt sich das Gesetz im Sinne eines „Mustergesetzes“ trotz seiner momentanen Beschränkung auf Anleihen als Blaupause für die Modernisierung des gesamten Wertpapierrechts begreifen.

Bedürfnis nach elektronischen Wertpapieren, um Finanzplatz Deutschland zu stärken

In der Praxis gibt es das Bedürfnis, Unternehmensfinanzierungen auch durch elektronische Wertpapiere, insbesondere auch durch den Einsatz von Blockchains, zu begeben. Das deutsche Wertpapierrecht steht dem bislang allerdings noch entgegen, da es zur Begebung eines Wertpapiers noch die Ausstellung einer Papierurkunde erfordert, was bei Kapitalmarkttransaktionen meist in Form einer Globalurkunde geschieht, die bei einem Zentralverwahrer (in Deutschland die Clearstream Banking AG), hinterlegt wird und an dem die Wertpapierinhaber Miteigentumsanteile halten. Bereits bislang war es bei Globalurkunden so, dass keine physische Übertragung der Urkunde mehr stattfand, sondern nur eine buchmäßige Übertragung mittels elektronsicher System (sog. Effektengiro). Alleine aus diesem Grund ist eine Anpassung der gesetzlichen Vorgaben an die Realität erforderlich. Da darüber hinaus auch bereits in anderen Staaten die elektronische Begebung von Wertpapieren – zum Teil auch Blockchain-Wertpapiere – geregelt worden ist, sah die Bundesregierung für den Fall einer ausbleibenden Reaktion hierauf die Gefahr, dass sich die Attraktivität des Finanzplatzes Deutschland verringern könnte.

Die im Referentenentwurf vorgeschlagene Lösung will sowohl dem Verbraucherschutz als auch der gleichzeitig erforderlichen Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte durch die Sicherung der Integrität und der Transparenz bei der Schaffung und Übertragung elektronischer Wertpapiere gerecht werden. Der Gesetzesentwurf versucht dabei, die Vorteile elektronischer Wertpapiere ohne größeren Umstellungsaufwand für die Finanzindustrie zu ermöglichen.

Die neuen Regelungen sollen sich in die bestehende Systematik des Zivil- und Aufsichtsrechts einfügen. Sie orientieren sich dabei an denen des Bundesschuldenwesengesetzes. Dort ist geregelt, dass Schuldverschreibungen des Bundes als dematerialisierte Wertpapiere durch die Eintragung in das Bundesschuldbuch ausgegeben und die Wertpapiere als Sachen behandelt werden. Ergänzend gibt es durch den Referentenentwurf Anpassungen u.a. im Prospektgesetz und im Depotgesetz, um den Gleichlauf der elektronischen Wertpapiere mit den Papierwertpapieren zu gewährleisten.

Herzstück des eWpG-E: Registereintrag statt Papierurkunde

Das elektronische Wertpapier ist nach dem Entwurf als zusätzliche Option der Begebung eines Wertpapiers neben der bislang allein möglichen Verbriefung in einer physischen Urkunde konzipiert. Papierurkunden und elektronische Wertpapiere werden damit parallel existieren. Die Abschaffung der Papierurkunden ist mit der Reform nicht verbunden, so dass nach wie vor Anleihen auch als Papierurkunde begeben werden können.

Wie wird das e-Wertpapier geschaffen?

Anstelle der Herstellung einer Papierurkunde als sog. Skripturakt wird das elektronische Wertpapier in ein zentral geführtes elektronisches Wertpapierregister eingetragen. Unterschiede zwischen papiergebundenen und elektronischen Wertpapieren sind nur auf die Begebungsform zurückzuführen. Beide Wertpapiere entstehen aber gleichermaßen, wenn sowohl eine Einigung zwischen Emittent und Inhaber (meist in einem sog. Begebungsvertrag) vorliegt als auch der sog. Skripturakt, also die Ausstellung der Papierurkunde bzw. Eintragung in das Wertpapierregister, ausgeführt ist.

Das Register wird bei den elektronischen Wertpapieren– anders als bereits bestehende Register, die von staatlichen Stellen geführt werden – von einem zugelassenen Zentralverwahrer (z.B. Cleastream) geführt wird, der hierin zur Schaffung von Rechtssicherheit durch die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) überwacht wird.

Einführung von dezentral verwahrten Kryptowertpapieren

Als besondere Art elektronischer Wertpapiere sollen sog. Kryptowertpapiere, auch bekannt als Security Token, geschaffen werden. Ihre Ausgestaltung ist ausdrücklich technologieneutral, um weiteren technischen Entwicklungen gerecht werden zu können und über Blockchain begebene Anleihen nicht gegenüber anderen elektronischen Begebungsformen zu begünstigen. Dies dürfte die Möglichkeiten, Wertpapiere künftig auch auf dezentralen Blockchains als Unterfall der Distributed Ledger Technologies zu emittieren, erheblich verbessern.

Kryptowertpapiere werden in ein Kryptowertpapierregister eingetragen. Dieses wird – anders als das Wertpapierregister, das beim Zentralverwahrer Clearstream geführt wird, dezentral in einem fälschungssicheren Aufzeichnungssystem geführt. Die Daten werden in ihrer zeitlichen Abfolge protokolliert und geschützt gegen unbefugte Löschung sowie nachträgliche Veränderung gespeichert. Manipulationen sollen auf diese Weise verhindert werden, indem jede Datenänderung von außen nachvollzogen werden kann.

Um dem dezentralen Ansatz von Kryptowertpapieren und Kryptowertpapierregistern gerecht zu werden, können neben beauftragten Dienstleistern auch die Emittenten selbst als registerführende Stelle fungieren; der bislang notwendigen aufwändigen Verwahrung durch einem Zentralverwahrer bedarf es für Kryptowertpapiere damit nicht mehr, wenngleich dies auch möglich sein soll. Das Führen eines Kryptowertpapierregisters soll (zusätzlich zum Kryptoverwahrgeschäft) nach dem Entwurf eine erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung nach dem Kreditwesengesetz (KWG) werden, wobei es verschiedene Erleichterungen bei den Anforderungen nach KWG geben soll. Auch wenn der Emittent selbst das Kryptowertpapierregister führt, dürfte er hierfür eine Erlaubnis benötigen.In jedem Fall hat aber der Emittent unverzüglich die Eintragung eines Kryptowertpapiers im Bundesanzeiger zu veröffentlichen und die BaFin hierüber in Kenntnis zu setzen. Außerdem ist von der registerführenden Stelle in regelmäßigen Abständen Verbrauchern als Inhabern ein Registerauszug zu übermitteln.

Sowohl für elektronische Wertpapiere als auch für Kryptowertpapiere gilt, dass schon vor der Registereintragung die Emissionsbedingungen, aus denen sich der Inhalt des Rechts der Inhaber ergeben, „niedergelegt“ werden müssen. Dies bedeutet, dass sie bei der registerführenden Stelle in beständiger Form mit der Möglichkeit beliebig wiederholbarer unmittelbarer Kenntnisnahme für jedermann zugänglich zu machen sind, um sie für den Rechtsverkehr verfügbar zu machen.

Umtausch eines papiergebundenen Wertpapiers in ein elektronisches Wertpapier möglich

Der Gesetzentwurf behandelt ausdrücklich auch das Verhältnis von elektronischen Wertpapieren zu Wertpapierurkunden.

Während die Ersetzung eines elektronischen Wertpapiers durch ein inhaltsgleiches papierbegebenes Wertpapier die Zustimmung des Berechtigten oder die ausdrückliche Zulassung in den Emissionsbedingungen und die anschließende Registerlöschung erfordert, kann ein in Sammelverwahrung begebenes Wertpapier jederzeit und ohne die Zustimmung der Berechtigten durch ein inhaltsgleiches elektronisches Wertpapier ersetzt werden. Voraussetzung ist lediglich, dass dies in den Emissionsbedingungen weder ausgeschlossen noch von der Zustimmung der Berechtigten abhängig gemacht worden.

Für bereits begebene papiergebundene Wertpapiere ist der Wechsel ihrer Skriptur in ein elektronisches Wertpapier daher schon allein deshalb ohne weiteres möglich, weil deren Emissionsbedingungen zu einer späteren Umwandlung in elektronische Wertpapiere verständlicherweise bislang keine Aussagen treffen (können). Die Ersetzung eines urkundenbasierten Wertpapiers durch ein Kryptowertpapier ist jedoch nur nach ausdrücklicher Zustimmung der Berechtigten möglich. Das Zustimmungserfordernis erklärt sich aus der veränderten Risikostruktur, die aus der Verwendung mit der für das Kryptowertpapierregister verwendeten neuen Technik einhergehen.

Wie wird das e-Wertpapier übertragen?

Bei verbrieften Wertpapieren ist die Urkunde Anknüpfungspunkt für die sachenrechtliche Übertragung, nach der sich der Eigentumswechsel an der Urkunde vollzieht. Hierzu bedarf es neben einer Einigung über den Eigentumswechsel grundsätzlich auch der Übergabe der Urkunde. Um einen Gleichlauf von papiergebundenen und elektronischen Wertpapieren zu erreichen, werden nach dem Konzept des Referentenentwurfs elektronische Wertpapiere zivilrechtlich als Sache behandelt (sog. Fiktion). Hierdurch erhalten die Wertpapiererwerber und -inhaber einen mit Wertpapierurkunden vergleichbaren Eigentumsschutz. Für die Übertragung des Eigentums an einem elektronischen Wertpapier sieht der Entwurf die Schaffung eines eigenen, die zivilrechtlichen Vorschriften des BGB ergänzenden Übereignungstatbestands vor. Die Übereignung erfolgt danach kumulativ durch

  • die Einigung, dass das Recht am Wertpapier übergehen soll, und
  • die Umtragung, also die Austragung des Inhabers eines elektronischen Wertpapiers und die Eintragung des Erwerbers als neuen Inhaber in das Wertpapierregister. Die Umtragung muss auf Weisung des bisherigen Inhabers erfolgen.

Der für das Wertpapierrecht geltende Grundsatz „Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier“ wird damit auch auf elektronische Wertpapiere übertragen.

Weitreichender Gutglaubensschutz erleichtert schnellen Umlauf

Gleichzeitig wird die Verkehrsfähigkeit der elektronischen Wertpapiere dadurch erhöht, dass die Eintragung im Wertpapierregister einen weitreichenden Schutz des gutgläubigen Eigentumserwerbs gewährleistet. Auch der Erwerber eines elektronischen Wertpapiers soll auf seine Eigentümerstellung vertrauen dürfen, wenn er in das Register eingetragen wurde, auch wenn er das Wertpapier beispielsweise von einem Nicht-Eigentümer erworben hat. Hierzu bedient sich der Entwurf einer ganzen Reihe von Fiktionen, welche im Gegensatz zu den allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts nicht an die Eigentümerstellung des Veräußerers, sondern an die Rechtseintragungsverschaffungsmacht des Veräußerers oder eines für ihn Auftretenden anknüpfen. Neben der angenommenen Vollständigkeit und Richtigkeit des Wertpapierregisters gelten unter anderem als Vertreter auftretende Dritte als bevollmächtigt und Veräußerer bzw. Vertreter als geschäftsfähig. Hintergrund für diese weitreichenden Fiktionen ist die Gewährleistung eines schnellen und rechtssicheren Wertpapierhandels. Dadurch wird darüber hinaus überhaupt erst dessen Funktionsfähigkeit hergestellt, da eine umfangreiche Prüfung von Verfügungsbeschränkungen oder Berechtigungen, die sich nicht aus dem Register ergeben, nicht sachgerecht ist und den Handel erheblich verzögern würde.

Aufsicht über die Register

Anliegen des Entwurfs ist außerdem die Schaffung aufsichtsrechtlicher Klarheit. Die BaFin soll als Aufsichtsbehörde die Erbringung der Emission und das Führen zentraler wie dezentraler Wertpapierregister als neue Finanzdienstleistungen nach dem eWpG, dem Kreditwesengesetz und der Zentralverwahrer-Verordnung überwachen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Verwahrung und Verwaltung von elektronischen Wertpapieren – im Gegensatz zur Registerführung – wie auch die Verwahrung und Verwaltung von verbrieften Wertpapieren dem Depotgeschäft unterfallen.

Ferner führt die BaFin für die ihr mitgeteilten Kryptowertpapierregister eigenständig eine öffentliche Liste im Internet mit Angaben zu Emittenten, registerführender Stelle und der Registereintragung wie auch sie betreffende Änderungen einschließlich deren Inhalte.

Entwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung

Der nach dem Eckpunktepapier vom 7. März 2019 und der der Blockchain-Strategie der Bundesregierung bereits im letzten Jahr erwartete Referentenentwurf für ein Gesetz zur Schaffung elektronischer Wertpapiere zieht eine breite Aufmerksamkeit auf sich.

Der Entwurf wurde im Wesentlichen positiv aufgenommen. Insbesondere für die Blockchain-Community ist der Entwurf ein echter Fortschritt, profitiert sie mit der Gleichstellung von Kryptowertpapieren mit den (übrigen) elektronischen Wertpapieren doch besonders von der geplanten Rechtsänderung. In jedem Fall läutet der Entwurf eine Zeitenwende im deutschen Wertpapierrecht ein, die den Wettbewerbsstandort Deutschland für neue digitale Finanzprodukte stärkt. Der Entwurf kommt allerdings auch nicht zu früh, denn auf europäischer als auch nationaler Ebene sind bereits ähnliche Gesetzesprojekte geplant bzw. umgesetzt worden.

Insgesamt ist der Gesetzentwurf gelungen und gut durchdacht, auch wenn es an manchen Stellen noch einige Ungereimtheiten und Klärungsbedarf gibt, die im weiteren Verfahren noch ausgeräumt werden sollten. So ist noch nicht ganz klar, was im Fall der Insolvenz des Registerführers passiert und welche tatsächliche Rolle bei dezentral gespeicherten Kryptowertpapieren eine für diese registerführende Stelle spielen soll, außer dass sie als Normadressatin für die geplanten Regelungen dient. Der Ansatz einer zentraler Registrierungsverantwortung steht jedenfalls auf dem ersten Blick dem Ansatz eines dezentralen Aufzeichnungssystems entgegen. Auch die gesetzliche Fiktion der Bevollmächtigung eines Vertreters zur Erreichung eines starken Gutglaubensschutzes ist nicht ganz unkritisch zu sehen. Nicht hinreichend nachvollziehbar ist dabei der dem bisherigen Inhaber zuzurechnende Vertrauenstatbestand: der Gesetzentwurf soll nach seiner Begründung den Erwerber bereits dann schützen, wenn ein Dritter „vorgibt, für den Berechtigten zu handeln“.

Stellungnahmen zum Referentenentwurf sind noch bis zum 14. September möglich. Die Bundesregierung plant, dass das Gesetz noch in diesem Jahr beschlossen wird. Dies ist zwar wünschenswert, zeitlich allerdings auch ambitioniert.

Das Gesetz soll noch dieses Jahr verabschiedet werden. Es bietet Unternehmen und der Finanzbranche sowohl Chancen als auch Herausforderungen, welche wir Ihnen am 27.08.2020 in unserem 45-minütigen Online-Seminar mit anschließender Fragerunde gerne näher erläutern möchten. 

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