Neue EBA-Leitlinien bringen erheblichen Mehraufwand für Unternehmen, die sich auf die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 1 Nr. 10 ZAG stützen.
Unternehmen, die die PSD2-Bereichsausnahmen für begrenzte Netze (limited network) und sehr begrenzte Produktangebote (limited range) im Zahlungsverkehr weiterhin in Anspruch nehmen wollen, müssen bis zum 1. September 2022 eine Neuanzeige bei der Aufsicht abgeben. Dies hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kürzlich nochmals klargestellt.
Neue EBA-Leitlinien
Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hat im Februar 2022 ihre endgültigen „Leitlinien über die Ausnahme für begrenzte Netze gemäß der PSD2“ veröffentlicht (EBA/GL/2022/02). Damit präzisiert sie die Anwendung von Art. 3 (k) der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (Payment Services Directive 2 – „PSD2“), die in Deutschland durch § 2 Abs. 1 Nr. 10 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) umgesetzt ist. Die neuen EBA-Leitlinien gelten ab dem 1. Juni 2022.
Bereichsausnahme im ZAG
Viele Unternehmen bieten ihren Kunden* Zahlungsinstrumente an, mit denen in begrenztem Umfang Bezahlvorgänge durchgeführt werden können. Hierbei stellen sich regelmäßig Fragen nach einer Erlaubnispflicht unter dem ZAG. Aufgrund der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 1 Nr. 10 ZAG gelten jedoch solche Dienste nicht als Zahlungsdienste i.S.d. ZAG, die auf Zahlungsinstrumenten beruhen, die
- für den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen in den Geschäftsräumen des Emittenten oder innerhalb eines begrenzten Netzes von Dienstleistern im Rahmen einer Geschäftsvereinbarung mit einem professionellen Emittenten eingesetzt werden können (sog. „Limited network“-Ausnahme),
- für den Erwerb eines sehr begrenzten Waren- oder Dienstleistungsspektrums eingesetzt werden können (sog. „Limited range“-Ausnahme) oder
- beschränkt sind auf den Einsatz im Inland und auf Ersuchen eines Unternehmens oder einer öffentlichen Stelle für bestimmte soziale oder steuerliche Zwecke nach Maßgabe öffentlich-rechtlicher Bestimmungen für den Erwerb der darin bestimmten Waren oder Dienstleistungen von Anbietern, die eine gewerbliche Vereinbarung mit dem Emittenten geschlossen haben, bereitgestellt werden.
Ein Beispiel für ein begrenztes Netzwerk ist die von einer bestimmten Ladenkette ausgegebene Kundenkarte, mit der in den einzelnen Geschäften der Ladenkette eingekauft werden kann. Darüber hinaus werden von dieser Bereichsausnahme u.a. auch spezielle Karten für Fußball- oder Eventstadien für die Bezahlung von innerhalb des Stadions erworbenen Waren oder Dienstleistungen erfasst. Von einem begrenzten Waren- und Dienstleistungsspektrum ist bspw. bei Tankkarten auszugehen, sofern sie ausschließlich den Erwerb von fahrzeugbezogenen Waren und Dienstleistungen ermöglichen, die in ihrer Funktionalität ausschließlich der Prämisse „Alles, was das Auto bewegt“ unterliegen. Auch sog. Verbundzahlungssysteme im öffentlichen Personennah- und -fernverkehr werden regelmäßig von der Bereichsausnahme erfasst.
Übt ein Unternehmen eine Tätigkeit aus, die unter die „Limited network“- oder „Limited range“-Ausnahme fällt, und überschreitet der Gesamtwert der Zahlungsvorgänge der vorangegangenen zwölf Monate den Betrag von EUR 1 Mio., hat es diese Tätigkeit der BaFin anzuzeigen und in einer Beschreibung der angebotenen Dienstleistung anzugeben, welche Ausnahme nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a) oder b) in Anspruch genommen wird. Auf Grundlage dieser Anzeige entscheidet die BaFin, ob die Voraussetzungen der Bereichsausnahme vorliegen (§ 2 Abs. 2 ZAG). Diese Regelung setzt zugleich Art. 37 Abs. 2 der PSD2 um.
Erneute Anzeigepflicht bei der BaFin für Inanspruchnahme der Bereichsausnahme
Betroffene Unternehmen, die bereits in der Vergangenheit eine solche Anzeige über die Inanspruchnahme der Bereichsausnahme abgegeben haben, müssen nunmehr gem. den EBA-Leitlinien eine erneute Anzeige bei der BaFin einreichen. Die in den EBA-Leitlinien vorgesehene Frist läuft bis zum 1. September 2022.
Die BaFin weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sie, sofern eine Neuanzeige nicht oder verspätet eingereicht wird, den bisherigen Registereintrag des betroffenen Unternehmens mit Ablauf der Frist löschen wird. Geht eine Neuanzeige bei der BaFin verspätet ein, wird diese als erstmalige Anzeige gewertet und entsprechend in den Prüfungsturnus eingereiht. Erst nach erfolgreich durchgeführter Prüfung durch die BaFin kann eine erneute Aufnahme in das Register erfolgen. Das bisherige BaFin-Register für anzeigepflichtige Unternehmen nach § 2 Abs. 2 oder 3 i.V.m. §§ 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a) oder b), Nr. 11 lit. a) oder b) ZAG wird es nach Aussage der BaFin nach dem 1. September 2022 so nicht mehr geben.
Zugleich wird die Abgabe einer Anzeige über Branchenverbände, die bisher bei der Erstabgabe der Anzeige mitgewirkt haben, nicht mehr möglich sein. Neuanzeigen sind von den betroffenen Unternehmen direkt an die BaFin zu richten.
Quantitative Angaben erforderlich
Für die Beurteilung der Frage, ob ein Unternehmen die „Limited network“- oder „Limited range“-Ausnahme in Anspruch nehmen darf, muss die BaFin zukünftig neben qualitativen Informationen auch quantitative Angaben zum Geschäftsmodell verlangen (vgl. Leitlinien 2.2 und 4.4 der EBA-Leitlinien). Die BaFin weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sie entsprechende Erlaubnisanfragen in Zukunft nur noch bearbeitet, wenn die Unternehmen abschließende Angaben zu der geografischen Ausdehnung eines Netzes, der erwarteten Zahl der jährlichen Zahlungsvorgänge, den erwarteten Zahlungsvolumina und den damit einhergehenden Risiken machen.
Fristeinhaltung für die Anzeige unbedingt beachten
Die betroffenen Unternehmen sollten die Frist zum 1. September 2022 für eine erneute Anzeige bei der BaFin also unbedingt einhalten. Andernfalls droht – jedenfalls bis zur entsprechenden Prüfung und Freigabe durch die BaFin – der Verlust der Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Bereichsausnahme.
Die Anzeige muss Angaben zu allen Vorgaben der EBA-Leitlinien enthalten. Um den betroffenen Unternehmen die Anzeige zumindest zu erleichtern, hat die BaFin angekündigt, ein entsprechendes elektronisches Formular zur Verfügung zu stellen.