Das Urteil des Europäische Gerichtshofs (EuGH) zum Widerrufsrecht der Verbraucher bei in Deutschland abgeschlossenen Autofinanzierungsverträgen ist da (C‑38/21, C‑47/21 und C‑232/21).
Im Ergebnis folgt der EuGH in weiten Teilen den Schlussanträgen des Generalanwalts Collins und konkretisiert an vielen Stellen die Vorgaben der Richtlinien für das Verbraucherwiderrufsrecht.
Kein Widerrufsrecht bei Kilometer-Leasingverträgen
Nach Auffassung des Gerichts ist ein Kilometer-Leasingvertrag als reiner „Dienstleistungsvertrag“ weder als Vertrag über eine Finanzdienstleistung noch als Verbraucherkreditvertrag einzustufen.
Es liegt kein „Fernabsatzvertrag“ vor, wenn ein im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelnder Vermittler bei den Vertragsverhandlungen anwesend war, in deren Verlauf der Verbraucher von dem Vermittler alle Pflichtinformationen erhalten hat und der Verbraucher dem Vermittler auch Fragen zu dem Vertrag stellen konnte.
Es handelt sich nicht um einen „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrag“, wenn der Verbraucher die Geschäftsräume eines in einer anderen Branche tätigen Vermittlers aufsucht, der erkennbar im Namen oder Auftrag des Unternehmers zum Zweck der Aushandlung des Vertrags handelt, wenn der Verbraucher damit rechnen konnte, in den Geschäftsräumen zum Abschluss eines Vertrags angesprochen zu werden.
Ein Leasingvertrag, der als Fernabsatzvertrag oder als außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag einzustufen ist, wird von der Ausnahme vom Widerrufsrecht erfasst, die für Mietwagen gilt, wenn der Hauptgegenstand des Vertrags die Nutzugsüberlassung des Fahrzeugs während der Laufzeit gegen Zahlung der Leasingraten ist. In diesen Fällen besteht kein Widerrufsrecht des Verbrauchers.
Klarstellung bei Kreditverträgen
Bei den Verbraucherkreditverträgen gab es einige Klarstellungen. So müssen die für den Fall des Widerrufs in der Widerrufsinformation anzugebenden Zinsen klar, prägnant und widerspruchsfrei mitzuteilen. Sie dürfen insbesondere nicht höher sein als die vertraglich vereinbarten Zinsen, ansonsten werden im Falle des Widerrufs keine Zinsen geschuldet.
In einem Kreditvertrag müssen die wesentlichen Informationen angegeben werden über alle zur Verfügung stehenden außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren und ggfs. die damit verbundenen Kosten. Ferner muss darüber informiert werden, ob die Beschwerde oder der Rechtsbehelf per Post oder elektronisch einzureichen ist. Es muss auch über die physische oder elektronische Adresse und über die sonstigen formalen Voraussetzungen für das jeweilige Verfahren informiert werden. Ein bloßer Verweis auf im Internet abrufbare Verfahrensordnungen oder andere Dokumente reicht nicht aus.
Die Berechnungsweise der Vorfälligkeitsentschädigung muss in leicht verständlicher Weise angegeben werden, damit der Verbraucher die Entschädigung ermitteln kann. Sofern konkrete und leicht verständliche Angaben zur Berechnungsweise fehlen, können die Angaben genügen, sofern der Verbraucher die Höhe der Entschädigung anhand der Vertragsangaben selbst ermitteln kann.
In einem Kreditvertrag ist der bei Vertragsabschluss geltende Verzugszinssatz und ggfs. der Referenzzinssatz anzugeben und der Mechanismus die Häufigkeit der Zinsanpassung. Die Berechnungsmethode muss leicht verständlich dargestellt werden.
Die Widerrufsfrist beginnt allerdings auch im Falle von fehlenden oder unvollständigen Pflichtinformationen zu laufen, wenn der Verbraucher trotzdem den Umfang seiner Rechte und Pflichten einschätzen konnte oder die fehlenden Angaben keinen Einfluss auf seine Entscheidung zum Abschluss des Vertrages hatten und die Rechte des Verbrauchers auch ansonsten nicht geschmälert werden.
Kein Widerrufsrecht nach vollständiger Rückführung; allerdings wurden der Vorleistungspflicht, der Gesetzlichkeitsfiktion und der Verwirkung eine Abfuhr erteilt
Die vollständige Erfüllung des Kreditvertrags führt zum Erlöschen des Widerrufsrechts. Allerdings kann sich der Kreditgeber nicht auf rechtsmissbräuchliches Verhalten des Verbraucers berufen, wenn fehlende oder falsche Pflichtangaben den Entschluss des Verbrauches auf Abschluss des Vertrages beeinflusst haben.
Der Unternehmer kann sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen, wenn Europarecht dem Bundesrecht entgegensteht. D.h. der in der alten Widerrufsinformation enthaltene Kaskadenverweis führt grundsätzlich zu einem Widerrufsrecht des Verbrauchers.
Der Kreditgeber kann sich nicht auf die Verwirkung des Widerrufsrechts berufen.
Der Verbraucher ist im Falle eines Widerrufsrechts nicht vorleistungspflichtig, so dass dem Unternehmer kein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich der zurückzuzahlenden Raten zusteht, solange der Verbraucher den mit dem Kredit finanzierten Gegenstand an den Kreditgeber herausgeben hat.
Bei Verbraucherkreditverträgen besteht Handlungsbedarf
Im Ergebnis dürfte ein Widerrufsrecht bei Kilometer-Leasingverträgen, auch wenn diese im Autohaus geschlossen wurden, kaum noch möglich sein. Allerdings ergibt sich im Hinblick auf Verbraucherdarlehensverträge ggfs. Anpassungsbedarf, insbesondere bei den Informationen zu dem Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren und der Vorfälligkeitsentschädigung.
Bei der Überprüfung und Anpassung der Verträge sind wir gerne behilflich.