2. Juli 2024
Widerruf Kfz-Darlehensvertrag
Banking & Finance

Erneute Entscheidung des BGH zum Widerruf von Kfz-Darlehensverträgen

Der BGH hat zu wesentlichen Auslegungsfragen im Zusammenhang mit Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen im Kfz-Bereich entschieden.

In einem Urteil vom 4. Juni 2024 hat der BGH erneut zum Widerrufsrecht im Zusammenhang mit Verbraucherdarlehensverträgen im Kfz-Bereich Stellung genommen (Az.: XI ZR 113/21). Das Urteil betrifft insbesondere die Anforderungen an die Widerrufsinformationen. 

Dieser Beitrag beleuchtet die Hintergründe der Entscheidung, die wesentlichen Grundsätze des Urteils und zieht ein Fazit zur Bedeutung dieser Entscheidung für Verbraucher und Banken.

Verbraucher widerrief Kfz-Darlehensvertrag 

Der Fall betraf einen Verbraucher, der im Februar 2017 ein gebrauchtes Fahrzeug für 21.890 € kaufte und zur Finanzierung einen Darlehensvertrag über 7.890 € mit einem Zinssatz von 4,88% p.a. abschloss. Wegen der Einzelheiten des Vertrags wird auf das Urteil verwiesen.

Der Verbraucher, der Kläger in diesem Fall, widerrief seine Willenserklärung zum Abschluss des Darlehensvertrags im August 2019, was von der Bank als verfristet zurückgewiesen wurde. Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen und das Berufungsgericht die Klage zurückgewiesen hatte, hatte sich der BGH mit der Frage zu beschäftigen, ob und bis zu welchem Zeitpunkt dem Kläger ein Widerrufsrecht zustand. 

BGH: Bank durfte sich auf Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen

Das Urteil des BGH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Revision des Klägers zurück.Dem Kläger stand zwar bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zu und die Widerrufsfrist begann nicht zu laufen, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Dies war aber vorliegend bei Abschluss des Darlehensvertrags im Februar 2017 der Fall, so dass der Widerruf im August 2019 verspätet war.

Der BGH stellte im Rahmen seiner Entscheidung fest, dass die von der Bank erteilten Widerrufsinformationen den gesetzlichen Anforderungen entsprachen. Insoweit konnte sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen, weil die in dem Darlehensvertrag in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form enthaltene Widerrufsinformation dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB in der vom 21. März 2016 bis zum 14. Juni 2021 geltenden Fassung entsprach.Abweichungen hinsichtlich Format und Schriftgröße sind zulässig (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB). Dies gilt auch für die Anwendung der Gestaltungshinweise 2, 2a, 5, 5a, 5b, 5c, 5f und 5g. Dass es sich bei dem Darlehensvertrag und dem Kaufvertrag um verbundene Verträge nach § 358 BGB gehandelt hat, hat die Beklagte in der Widerrufsinformation unter der Zwischenüberschrift „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“ zutreffend angegeben und den Klammerzusatz in Gestaltungshinweis 2a verwendet. 

Der Anwendung der Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB steht – was der BGH mit Urteil vom 27. Februar 2024 (XI ZR 258/22) entschieden und im Einzelnen begründet hat – das Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2023 (C-38/21, C-47/21 und C-232/21, BMW Bank u.a.) nicht entgegen.

Art des Darlehens

Bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag* im Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie) muss gegebenenfalls klar und verständlich angegeben werden, dass es sich um einen verbundenen Darlehensvertrag handelt und dass dieser Vertrag als befristeter Vertrag geschlossen worden ist. 

Dabei genügte vorliegend die Angabe der Laufzeit des Vertrages sowie die Angaben unter der Überschrift „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“.

Fehler in Unterrichtung über Verzugszinssatz lässt Widerrufsfrist nicht weiterlaufen

Zwar hat die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, nicht ordnungsgemäß erfüllt. Dies stellt allerdings keinen Belehrungsfehler dar, der das Anlaufen der Widerrufsfrist hindert.

Nach der Rechtsprechung des BGH erfordert bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen im Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie die Information über den Verzugszinssatz neben der Angabe der Art und Weise seiner etwaigen Anpassung auch die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (BGH, Urteil v. 27. Februar 2024 – XI ZR 258/22). Dem hat die Beklagte nicht genügt, weil sie lediglich darauf hingewiesen hat, dass der Verzugszinssatz für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betrage und der Basiszinssatz jeweils zum 1. Januar und zum 1. Juli eines Jahres ermittelt werde.

Allerdings hinderte dies das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht. Ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher in der Lage des Klägers hätte den streitgegenständlichen Darlehensvertrag auch abgeschlossen, wenn ihm bei Vertragsschluss über die im Vertrag enthaltenen Angaben hinaus auch der zu diesem Zeitpunkt geltende konkrete Verzugszinssatz mitgeteilt worden wären (vgl. BGH, Urteil v. 27. Februar 2024 – XI ZR 258/22).

Vorfälligkeitsentschädigung

Des Weiteren machte der Kläger ohne Erfolg geltend, dass die von der Beklagten erteilten Angaben zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung (§ 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) nicht ordnungsgemäß waren.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die hier erforderliche Information klar und verständlich, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt. Daran hält er auch auf der Grundlage des Urteils des EuGH vom 21. Dezember 2023 (C-38/21, C-47/21 und C-232/21, BMW Bank u.a fest.

Die von der Beklagten erteilten Angaben genügten den Anforderungen in Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Verbraucherkreditrichtlinie, weil die Entschädigung mit einem Betrag von 75 € pauschaliert wurde und dem Darlehensnehmer den Nachweis der Entstehung eines geringeren Schadens oder dessen Ausbleibens eröffnete.

Kündigung

Soweit nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5EGBGB zu den vorgeschriebenen Pflichtangaben, von deren Erteilung der Beginn der Widerrufsfrist abhängt, auch das „einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags“ gehört, gilt dies nicht für die Information über das außerordentliche Kündigungsrecht nach Information über das Kündigungsrecht gemäß § 500 Abs. 1 BGB. Auf das dem Kläger nach § 500 Abs. 2 BGB zustehende Recht zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens wurde er klar und verständlich hingewiesen.

Bank erfüllt auch weitere Vorgaben zu Pflichtangaben

Ordnungsgemäß erteilt wurden zudem:

  • die erforderliche Pflichtangabe gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB über den Zugang des Verbrauchers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls zu den Voraussetzungen für diesen Zugang
  • die Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGBGB (hier: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht)
  • der Hinweis auf den Anspruch des Darlehensnehmers auf einen Tilgungsplan. Eines besonderen Hinweises auf die Kostenfreiheit bedurfte es hier nicht.

Ebenso ist der Hinweis entbehrlich, dass der Darlehensnehmer in Höhe des ausgezahlten Betrags von seiner Verbindlichkeit auf Bezahlung des Kaufpreises befreit wird.

Mehr Rechtsklarheit für Widerrufsinformationen

Die Entscheidung des BGH unterstreicht die Bedeutung korrekter und vollständiger Widerrufsinformationen bei Verbraucherdarlehensverträgen. Verbraucher müssen sich darauf verlassen können, dass ihnen alle notwendigen Informationen zum Widerrufsrecht rechtzeitig und vollständig mitgeteilt werden, um ihre Rechte wirksam ausüben zu können. Für Banken bedeutet dies, dass sie sicherstellen müssen, dass ihre Widerrufsinformationen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Dieses Urteil stärkt die Rechtsklarheit und schützt sowohl Verbraucher als auch Banken vor rechtlichen Unsicherheiten. Es zeigt auch, wie wichtig es ist, bei der Vertragsgestaltung und -prüfung die gesetzlichen Anforderungen genau einzuhalten, um Rechtsstreitigkeiten und damit verbundene Kosten zu vermeiden. Banken sollten stets genau prüfen, ob alle erforderlichen Angaben in ihren Darlehensverträgen enthalten sind und sich im Zweifel rechtzeitig rechtlichen Rat einholen.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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