14. November 2018
EURIBOR
Banking & Finance

EURIBOR – Test der Zukunftsfähigkeit einer Benchmark

Die laufenden Reformen des EURIBOR gehen in eine entscheidende Phase. Eine zweite Konsultation soll nunmehr den Weg für eine hybride Berechnung ebnen.

Das European Money Markets Institute (EMMI), welches für die Publizierung der EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate) verantwortlich ist, hat ein zweites Konsultationspapier zur Reform des EURIBOR veröffentlicht. Die Zukunftsfähigkeit des EURIBOR, einem der weltweit wichtigsten Referenzzinssätze, ist aktuell fraglich. Das EMMI versucht mit verschiedenen Maßnahmen, die weitere Publikation des Referenzzinssatzes sicherzustellen. Die Zeit drängt, da mit dem 1. Januar 2020 zahlreiche Vorgaben der EU Benchmark-Verordnung gelten.

Relevanz der Benchmark-Verordnung für den EURIBOR

Die Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (Benchmark Verordnung) gilt bereits seit dem 1. Januar 2018. Der EURIBOR profitiert jedoch noch von einer Übergangsfrist, welche am 1. Januar 2020 abläuft. Ab diesem Datum gelten die Vorgaben der Benchmark Verordnung, die sich auf die Ermittlung von Referenzwerten beziehen und Administratoren und Datenzulieferer adressieren, uneingeschränkt.

Die Benchmark Verordnung versteht sich als Antwort auf Skandale und Manipulationen von Referenzzinssätzen. Ziel ist die zuverlässige und manipulationssichere Ermittlung von Referenzzinssätzen. Für den EURIBOR gelten hierbei besonders hohe Anforderungen, da es sich um eine sog. kritische Benchmark handelt und die Bezugsgrundlage für Finanzinstrumente oder Finanzkontrakte mit einem Gesamtwert von mehr als EUR 500 Mrd. (vgl. Art. 20 Abs. 1 Benchmark Verordnung). Nach Artikel 34 der Benchmark-Verordnung muss das EMMI, als sog. Administrator eines Referenzwertes, ab 1. Januar 2020 eine Zulassung haben. Fehlt eine entsprechende Zulassung oder genügt der EURIBOR nicht den Vorgaben der Benchmark Verordnung, so hat dies direkten Einfluss auf seine mögliche vertragliche Verwendung. Die Folgen wären, angesichts der Vielzahl von Verträgen, welche sich auf den EURIBOR beziehen, verheerend. Die Reform des EURIBOR und seine Zukunftsfähigkeit sind somit auch für alle Unternehmen relevant, deren Darlehen, Derivate oder sonstige Finanzierungsverträge auf den EURIBOR rekurrieren.

Bisherige Reformversuche des EURIBOR durch EMMI

Das EMMI hat bereits zahlreiche Schritte zur Reformierung des EURIBOR unternommen. Parallele Entwicklungen vollziehen sich auch bei anderen relevanten Referenzzinssätzen, wie insbesondere dem LIBOR. Im Kern dienen die Initiativen der Umsetzung von Vorschlägen zur Stärkung von Referenzzinssätzen des Financial Stability Boards. Diese Reformvorschläge verlangen u.a., dass Referenzzinssätze wenn möglich mit tatsächlichen Transaktionsdaten hinterlegt werden sollten.

Auf Basis von Untersuchungen im Jahr 2016 musste das EMMI zunächst eingestehen, dass eine Ermittlung des EURIBOR allein auf Basis von Transaktionsdaten nicht möglich ist. Das derzeitige Marktumfeld liefert hierfür schlicht keine hinreichende Datengrundlage. Die Ermittlung des EURIBOR beruht demnach aktuell regelmäßig auf der Markteinschätzung beteiligter Panel-Banken.

Das EMMI ist darum bemüht, den EURIBOR auf eine hybride Berechnungsmethode umzustellen. Im März 2018 veröffentlichte das EMMI hierzu ein erstes Konsultationspapier und stellte die Grundlagen einer hybriden Berechnungsmethode vor. Im Kern verfolgt das EMMI ein dreistufiges Modell. Dieses stützt sich primär auf vorhandene Marktdaten. Erst auf einer zweiten Ebene finden ergänzende Marktdaten Eingang in die Berechnung. Hierbei kann es sich u.a. um interpolierte Zinssätze sowie um Transaktionen außerhalb des Reportingzeitraumes handeln. Auch auf dieser zweiten Ebene gilt eine strikte Rangordnung der jeweils maßgeblichen Daten. Erst auf der dritten und letzten Ebene soll eine Kombination von Modellberechnungen und/oder der professionellen Einschätzung der Panel-Banken erfolgen.

Bedeutung des zweiten Konsultationspapieres für die Zukunft des EURIBOR

Das EMMI möchte mit dem nunmehr vorliegenden zweiten Konsultationspapier vom 17. Oktober 2018 den Weg für eine zukunftsfeste Reformierung des EURIBOR ebnen. Den Ausgangspunkt hierfür bilden Marktdaten, die das EMMI in einer Testphase vom Mai bis Juli 2018 sammelte. Die Mehrheit der aktuell an der Ermittlung des EURIBOR beteiligten Panel-Banken wirkte bei dem Test der hybriden Berechnungsmethode mit. Das zweite Konsultationspapier fasst die Erkenntnisse dieser Testphase zusammen und dient der Diskussion von offenen Fragen und Einzelheiten der Berechnungsmethodik.

Insbesondere erhofft sich das EMMI Antworten auf neun konkrete Fragen der Berechnungsmethodik. Die Fragen beziehen sich auf sämtliche Aspekte des neuen hybriden Modells. So erhofft sich das EMMI u.a. eine Rückmeldung zur geplanten Ausweitung sog. Laufzeitfenster, welche für die verschiedenen quotierten Laufzeiten gelten sollen. Hintergrund ist der Wunsch nach einer vergrößerten Datenbasis. Weiterhin ist derzeit offen, ob Transaktionen mit sog. non-financial corporate counterparties in die Berechnung eingehen sollen oder nicht. Auch die maßgeblichen Schwellenwerte hinreichender Transaktionen, welche die primäre Datengrundlage bilden sollen, sind sowohl hinsichtlich ihrer Höhe als auch einer evtl. notwendigen Anzahl offen. Abschließend steht auch die Berechnungsmethodik auf der sog. zweiten Ebene des Quotierungsverfahrens noch zur Diskussion.

Das zweite Konsultationsverfahren ist kritisch, da es sich um einen entscheidenden Punkt der Reformierungsbemühung handelt. Gelingt es nicht, die Ermittlung des EURIBOR auf eine breitere Grundlage zu stellen, so ist seine Zukunft fraglich. Deutlich wird dies am Schicksal des EONIA (European Overnight Index Average). Das ebenfalls für die Publizierung des EONIA verantwortliche EMMI hat bereits Anfang 2018 mitgeteilt, dass keine Reform des EONIA geplant sei. Aufgrund der Vorgaben der Benchmark Verordnung wird daher mit Ablauf des 31. Dezember 2019 voraussichtlich keine Quotierung mehr erfolgen. Mit dem ESTER (Euro Short Term Rate) hat die EZB zwar bereits einen Geldmarktzins und potentiellen Ersatz entwickelt. Dieser ist jedoch nicht für längerfristige Laufzeiten konzipiert. Für den EURIBOR besteht daher kein potentieller Nachfolger oder ein entsprechendes Sicherheitsnetz. Die wirtschaftliche Bedeutung der Zukunftsfähigkeit des EURIBOR kann somit nicht überschätzt werden.

Fahrplan für die kommende Entwicklung

Stellungnahmen zur zweiten Konsultation sind noch bis zum 30. November 2018 möglich. Im Jahr 2019 soll anschließend die Implementierung der hybriden Berechnungsmethode erfolgen. Die Beantragung der Zulassung gemäß Benchmark Verordnung soll im zweiten Quartal 2019 erfolgen.

Seitens des EMMI ist man derzeit zuversichtlich, dass die neue hybride Berechnungsmethode den Vorgaben der Benchmark Verordnung genügen wird. Unternehmen, deren Finanzierungsverträge auf den EURIBOR rekurrieren, sollten die weitere Entwicklung jedoch aufmerksam verfolgen. Stellt sich heraus, dass eine Ermittlung des EURIBOR im Einklang mit der Benchmark Verordnung nicht möglich ist, so ist die verbleibende Zeit zur Identifizierung von Alternativen sowie deren Berücksichtigung in existierenden und neu abzuschließenden Vertragsdokumentationen knapp.

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