EuGH lässt wichtige Frage des Internationalen Kreditsicherungsrechts zu Drittwirkungen der Forderungsabtretung weiter unbeantwortet.
Bei grenzüberschreitender Übertragung von Forderungen ist Art. 14 Rom-I-Verordnung die üblicherweise anzuwendende Kollisionsnorm des Internationalen Privatrechts. Danach findet dasjenige Recht Anwendung, das auf den Vertrag zwischen den Parteien (Zedent und Zessionar) anzuwenden ist (Abs. 1). Das Verhältnis zwischen Zessionar und Schuldner sowie die Übertragbarkeit überhaupt bestimmen sich wiederum nach dem Recht, dem die abgetretene Forderung unterliegt (Abs. 2).
Es stellt sich jedoch die Frage, welches Recht maßgeblich ist, wenn zwei Gläubiger Rechte an der übertragenen Forderung geltend machen.
In Deutschland keine Abtretungsanzeige notwendig
Im Rechtsverkehr kommt es nicht selten vor, dass Forderungen mehrfach abgetreten werden. Dies kann versehentlich, gewollt, um ein Rangverhältnis herzustellen, oder schlimmstenfalls auch in betrügerischer Absicht geschehen. Tritt ein Gläubiger eine Forderung mehrmals ab, ist nach dem Prioritätsprinzip nur die erste Abtretung wirksam.
In der deutschen Praxis kommen häufig stille Abtretungen vor: Die Abtretung bedarf zu ihrer Wirksamkeit nicht der Abtretungsanzeige an den Drittschuldner. In vielen anderen Rechtsordnungen ist eine Anzeige der Abtretung an den Drittschuldner dagegen Wirksamkeitsvoraussetzung.
In der aktuellen Entscheidung des EuGH (EuGH, Urteil vom 9. Oktober 2019 – C-548/18) spielen beide Umstände eine Rolle.
Fall vor EuGH: Welches Recht ist für die Drittwirkungen bei Mehrfachabtretungen anzuwenden?
Eine Darlehensnehmerin und spätere Insolvenzschuldnerin schloss mit einer deutschen Bank im März 2011, mit einer luxemburgischen Bank im Juni 2011 einen Darlehensvertrag ab. Als Sicherheit trat sie jeweils ihre gegenwärtigen und künftigen Lohn-, Gehalts- und Pensionsansprüche gegen ihren luxemburgischen Arbeitgeber an die beiden Banken ab. Dieser wurde über die Abtretung an die deutsche Bank nicht in Kenntnis gesetzt. Die luxemburgische Bank hingegen informierte den Arbeitgeber der Darlehensnehmerin entsprechend dem luxemburgischen Recht, das zur Wirksamkeit der Abtretung eine Anzeige an den Drittschuldner voraussetzt.
Im Februar 2014 wurde über das Vermögen der Schuldnerin ein Insolvenzverfahren eröffnet, in dessen Rahmen die Treuhänderin einen Teil des Gehalts der Schuldnerin bei einem deutschen Amtsgericht hinterlegte. Beide Banken forderten daraufhin klageweise die Freigabe des gerichtlich hinterlegten Geldbetrags.
Der Fall könnte aus einem Lehrbuch des Internationalen Kreditsicherungsrechts entnommen sein. Die Entscheidung ist davon abhängig, welches Recht für die Drittwirkungen bei Mehrfachabtretungen maßgeblich ist. Dem EuGH wurde daher die Frage vorgelegt, ob Art. 14 Rom-I-Verordnung unmittelbar oder entsprechend anwendbar sei und – falls ja – welchem Recht die Drittwirkungen unterlägen.
Drittwirkungen der Forderungsabtretung werden von Art. 14 Rom-I-Verordnung nicht geregelt
Der EuGH entschied, dass Art. 14 der Rom-I-Verordnung weder unmittelbar noch durch entsprechende Anwendung bestimme, welches Recht auf die Drittwirkungen einer Forderungsabtretung bei Mehrfachabtretung einer Forderung durch denselben Gläubiger nacheinander an verschiedene Zessionare anzuwenden sei. Als Argumente führte er den Wortlaut, den Zusammenhang und die Entstehungsgeschichte der Norm an.
Nach dem 38. Erwägungsgrund stelle die frühere Abtretung derselben Forderung im Rahmen einer Mehrfachabtretung eine vorgelagerte Frage dar, die nicht unmittelbar unter das Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar falle. Auch sei der ursprüngliche Vorschlag der Kommission für die Frage, ob eine Forderungsübertragung Dritten entgegengehalten werden kann, nicht umgesetzt worden. Zudem gehe aus einem Bericht der Kommission aus dem September 2016 hervor, dass es keine einheitlichen Kollisionsnormen gebe und daher der Erlass entsprechender Regelungen durch den Unionsgesetzgeber erforderlich sei.
In der Praxis die Anforderungen aller beteiligten Rechte kumulativ betrachten
Die Entscheidung manifestiert die Unsicherheit im Internationalen Kreditsicherungsrecht hinsichtlich des anzuwendenden Rechts bei Drittwirkungen der Forderungsabtretung. Art. 14 Rom-I-Verordnung trifft zwar eindeutige Regelungen für das Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar in Abs. 1 sowie für das Verhältnis gegenüber dem Drittschuldner und für die Übertragbarkeit überhaupt in Abs. 2. Welches Recht gilt, wenn zwei Gläubiger Rechte an der übertragenen Forderung geltend machen, bleibt jedoch nach der Entscheidung des EuGH weiterhin unklar.
Im März 2018 legte die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung vor, wonach die Drittwirkung von Forderungsübertragungen grundsätzlich dem Recht des Staates unterliegen soll, in dem der Zedent seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das Europäische Parlament hat im Februar 2019 Änderungsvorschläge eingebracht, die Verabschiedung lässt jedoch weiter auf sich warten. Die Anknüpfung an das Recht des Staates, in dem der Zedent seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wäre eine Änderung im Vergleich zu Art. 33 EGBGB a.F., der bereits im Dezember 2009 aufgehoben wurde. Im Lichte dieser aufgehobenen Vorschrift wurde das Rangverhältnis konkurrierender Mehrfachabtretungen nach dem Schuldstatut der übertragenen Forderung beurteilt. Teilweise wird vertreten, dass sich diese Herleitung nicht nur aus Art. 33 EGBGB a.F. ergebe, sondern klassische deutsche Rechtsprechung seit Reichsgerichtszeiten sei. Es bleibt spannend, für welchen Anknüpfungspunkt sich das in diesem Fall vorlegende OLG Saarbrücken entscheiden wird.
In der Praxis sind mangels gesetzlicher Regelung die Anforderungen aller beteiligten Rechte kumulativ zu betrachten. Nur auf diese (aufwendige) Weise lässt sich Rechtsunsicherheit vermeiden. Das mag bei Einzelabtretungen noch funktionieren, bei Globalabtretungen im Internationalen Kreditsicherungsrecht ist es aus vielen Gründen nicht umsetzbar. Das ist einer der Gründe, warum Kreditgeber ausländischen Forderungen in der Regel keinen Sicherheitenwert beimessen. Umso mehr ist eine dringende gesetzgeberische Klärung der Frage geboten.