7. April 2025
Geldwäsche Umgehungsgeschäft BaFin
Banking & Finance

Geldwäscheaufsicht: Risikotreiber Umgehungsgeschäfte

Wie umgehen mit Umgehungsgeschäften?Das dürften sich Verpflichtete mit Blick auf die Aufsichtsmitteilung der BaFin vom 27. März 2025 fragen. 

In einer Aufsichtsmitteilung zum Thema Geldwäschebekämpfung weist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als für die Geldwäscheprävention im Finanzsektor zuständige Aufsichtsbehörde darauf hin, dass Umgehungsgeschäfte mit erheblichen Risiken der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung verbunden seien. 

Verpflichtete i.S.d. Geldwäschegesetztes (GwG) sind daher gehalten, ihre institutsinternen Sicherungsmaßnahmen so zu kalibrieren, dass Risikofaktoren für Umgehungsgeschäfte identifiziert werden. Bei Transaktionen oder Geschäftsbeziehungen, die Anhaltspunkte für Umgehungsgeschäfte enthalten, verstärkte Sorgfaltspflichten i.S.d. § 15 GwG anzuwenden. 

Was sind Umgehungsgeschäfte im Sinne der Aufsichtsmitteilung?

Unter Umgehungsgeschäften versteht die Aufsichtsmitteilung Geschäfte oder Transaktionen, die bewusst darauf abzielen, gesetzliche, regulatorische oder vertragliche Vorgaben zu umgehen. Sie dienten dazu, Transparenz und Kontrollen zu unterlaufen, indem sie den tatsächlichen wirtschaftlichen oder länderspezifischen Hintergrund verschleierten.

Abgrenzung zum zivilrechtlichen Verständnis eines Umgehungsgeschäfts

Der Terminus Umgehungsgeschäft kann vorliegend für Irritation sorgen. Dies zum einen, weil er zwar Parallelen aufweist, im Detail aber abweicht vom allgemeinen, zivilrechtlichen Verständnis eines Umgehungsgeschäfts. Dabei handelt es nämlich um ein Geschäft, das zwar nicht den objektiven Tatbestand eines Verbotsgesetzes (§ 134 BGB) erfüllt, aber nach Inhalt und Zweck auf denselben Erfolg abzielt, wie ein verbotenes Geschäft (vgl. Wendtland, in BeckOK BGB, Hau/Poseck, 73. Edition, Stand: 1. Februar 2025, § 134 BGB Rn. 19f.). Ein Umgehungsgeschäft im Sinne der Aufsichtsmitteilung dient vorliegend nicht zwingend der Umgehung eines Verbots, sondern der Umgehung von Prüf- und Kontrollmaßnahmen durch den (potentiellen) Vertragspartner.

Abgrenzung zum sanktionsrechtlichen Verständnis eines Umgehungsgeschäfts

Dem allgemeinen, zivilrechtlichen Verständnis des Umgehungsgeschäfts entspricht hingegen das sanktionsrechtliche Verständnis des Umgehungsgeschäfts. Damit gemeint sind Handlungen, die per se nicht unter sanktionsrechtliche Verbote fallen, die aber, unter deren Aushebelung, auf einen von Verboten umfassten Erfolg abzielen. Solche Geschäfte bzw. die Beteiligung daran, sind z.B. in Bezug auf Russland-Sanktionen seit Inkrafttreten des 14. Sanktionspakets (VO (EU) 2024/1745) untersagt (vgl. Art. 12 VO (EU) Nr. 833/2014 bzw. Art. 9 VO (EU) Nr. 269/2014). 

Als verbotswidrige Handlungen können auch Anhaltspunkte auf Umgehungsgeschäfte im sanktionsrechtlichen Sinne Anlass für verstärkte geldwäscherechtliche Sorgfaltspflichten bzw. Verdachtsmeldepflichten geben, jedenfalls dann, wenn das Umgehungsgeschäft Vortat einer Geldwäschehandlung sein könnte. 

Typische Merkmale für Umgehungsgeschäfte gemäß der Aufsichtsmitteilung

Die Aufsichtsmitteilung listet die folgenden typischen Merkmale für Umgehungsgeschäfte: 

  • Komplexe Produkt- und Abwicklungsstrukturen
  • Briefkasten- und Scheinfirmen
  • Zahlreiche Intermediäre im In- und Ausland
  • Aufteilung von Transaktionen oder Geschäftsbeziehungen auf mehrere Akteure
  • Auffällige Transaktionsmuster (u.a. runde Transaktionsbeträge, generische Verwendungszwecke, Transaktionen, die nicht zum Kundenprofil passen. 

Obwohl Umgehungsgeschäfte vielfältig ausgestaltet sein können, einte sie das Ziel, Überwachungs- und Kontrollmechanismen der Verpflichteten zu umgehen. 

Wirksames Risikomanagement

Um der durch die Umgehungsmodelle geschaffenen Intransparenz entgegenzuwirken, seien Verpflichtete gehalten, ihre institutsinternen Sicherungsmaßnahmen dahingehend anzupassen, dass diese, insbesondere die im Institut eingesetzten Monitoring-Systeme, verdächtige Muster identifizieren können. Zudem sei die Möglichkeit des Informationsaustauschs zwischen Verpflichteten auszuschöpfen. 

Verstärkte Sorgfaltspflichten und Beendigungspflichten im Einzelfall 

Nach Auffassung der BaFin führten Umgehungsgeschäfte zudem dazu, dass Verpflichtete regelmäßig an der ordnungsgemäßen Durchführung geldwäscherechtlicher Sorgfaltspflichten (sog. KYC-Pflichten) gem. §§ 10ff. GwG gehindert seien. 

Sollte die Durchführung verstärkter Sorgfaltspflichten im Einzelfall nicht möglich sein, etwa weil Zweifel an der Kundenidentität, der Identität des wirtschaftlich Berechtigten oder der Herkunft der Vermögenswerte bestehen blieben, griffe die Beendigungspflicht (§§ 15 Abs. 9, 10 Abs. 9 GwG). Zudem, so die BaFin, seien Verdachtsmeldungen nach § 43 Abs. 1 GwG zu erstatten.

Praxisfokus: Iran-Geschäfte

Die BaFin gibt in der Aufsichtsmitteilung zudem an, dass sie in der Praxis vermehrt Umgehungsaktivitäten mit Iran-Bezug festgestellt habe. Der Hintergrund der Verschleierung des Iran-Bezugs könne, so die BaFin, in der Vermeidung der Anwendung verstärkter Sorgfaltspflichten liegen. Da der Iran als sog. Drittstaat mit hohem Risiko gelistet ist (vgl. Delegierte Verordnung (EU) 2016/1675), sind in Bezug auf Geschäftsbeziehungen oder Transaktionen mit dem Iran oder im Iran ansässigen natürlichen oder juristischen Personen bestimmte verstärkte Sorgfaltspflichten anzuwenden (vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 GwG). 

Nach Auffassung der BaFin sei der „Iran-Bezug“ weit auszulegen. Er dürfe sich nicht auf den (Wohn-)Sitz des Kunden oder des wirtschaftlich Berechtigten im Iran oder eine direkte Transaktion in den Iran bzw. aus dem Iran heraus beschränken. Vielmehr seien sämtliche Anhaltspunkte, die für einen Iran-Bezug oder für gängige Umgehungsmodelle sprechen, in die Bewertung einzubeziehen. 

Diese Ausführungen dürften über das konkrete Beispiel des Iran-Bezugs hinaus von Relevanz für Bezüge zu jeglichem Drittstaat mit hohem Risiko sein. Während es aus Sicht der Verfasserin durchaus sinnvoll – und unter Risikoaspekten geboten – ist, die präventive Compliance so auszugestalten, dass jeglicher Bezug zu „Risikostaaten“ identifiziert wird (vgl. zu weiteren Bezugspunkten zu Risikostaaten auch EBA Leitlinien (EBA/GL/2021/02), Leitlinie 4, Ziff. 4.55), bleibt anzumerken, dass aus Rechtsfolgensicht ein Bußgeld wegen unterbliebener oder als unzureichend betrachteter verstärkter Sorgfaltspflichten im Falle eins lediglich im weiteren Sinne vorhandenen Bezugs zu „Risikostaaten“ verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen würde. 

Als weitere (evidente) Gründe für die bewusste Verschleierung eines Iran-Bezugs sind die Umgehung von Primärsanktionen oder – insbesondere aus geschäftspolitischen Interessen – die Vermeidung von Sekundärsanktionen der USA aufgeführt. Aus Sicht der Unterzeichnerin dürfte eine vergleichbare „Umgehungspraxis“ aus geldwäsche- und sanktionsrechtlichen Erwägungen insbesondere auch zum Zwecke der Verschleierung eines Russland-Bezugs bestehen. 

Die Aufsichtsmitteilung listet beispielhaft die folgenden Merkmale, deren Vorliegen aus Sicht der BaFin auf Umgehungsgeschäfte mit Iran-Bezug hindeute: 

  • die Einbindung von „Exchange Trading Houses“
  • die Einbindung von „Payment Agents“
  • Missbrauch von Handelsfinanzierungen unter Einsatz von „Umgehungsmethoden“ (z.B. Phantomhandel, Preismanipulation, mehrfache Rechnungsstellung, Einsatz von Briefkasten- und Scheinfirmen, Einbindung mehrerer Akteure ohne legitimen Grund, gefälschte Dokumente, Proforma-Rechnungen). 

Zudem verweist die Aufsichtsmitteilungen hinsichtlich Auffälligkeiten im Bereich der Außenhandelsfinanzierung auf die EBA Leitlinien (EBA/GL/2021/02), dort Leitlinie 13. 

„Gesamtaufsichtliche Einordnung“ der BaFin von Verstößen

Die Aufsichtsmitteilung resümiert, dass Kreditinstitute im Rahmen ihrer Pflicht zur Einrichtung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation verpflichtet seien, auch Maßnahmen zu implementieren, die die in der Aufsichtsmitteilung dargestellten Vorgaben umfasse. Rechtsgrundlagen sind hier wohl § 25a KWG i.V.m. §§ 6ff. GwG. Daher könnten Verstöße aufsichtliche Folgen wie Mängelbeseitigungsanordnungen, erhöhte Kapitalanforderungen oder eine Verwarnung der Geschäftsleitung zur Folge haben, schwerwiegende oder nachhaltige Verstöße gar geschäftsbeschränkende Maßnahmen, wie die Abberufung der Geschäftsleitung bis hin zum Entzug der Erlaubnis.  

Möglicher neuer Prüfungsschwerpunkt bei Geldwäsche-Sonderprüfungen

Die verschriftlichte Aufsichtspraxis legt nahe, dass auf die Geldwäscheprävention bezogene Sonderprüfungen künftig einen Fokus darauflegen werden, ob (zumindest) die in der Aufsichtsmitteilung skizzierten Umgehungsszenarien, sofern einschlägig, risikoangemessen berücksichtigt werden.

Dabei ist es naheliegend, dass die BaFin überprüft, ob die institutseigene Risikoanalyse entsprechende Umgehungsszenarien berücksichtigt und so eine initiale Identifikation und eine darauffolgende, risikoangemessene Ausgestaltung der Sicherungsmaßnahmen überhaupt ermöglicht. 

Hinsichtlich der Sicherungsmaßnahmen dürften weitere Prüfungsschwerpunkte auf der Ausgestaltung des Transaktionsmonitorings und dem Umgang mit Findings im Einzelfall, namentlich der Anwendung verstärkter Sorgfaltspflichten und der Abgabe von Verdachtsmeldungen, liegen. 

Wie umgehen mit Umgehungsgeschäften? 

Das Gebot der Stunde dürfte daher lauten, institutsinterne Sicherungsmaßnahmen auf die Erfassung von Risikotreibern für Umgehungsgeschäften hin zu überprüfen und ggfs. Anpassungen vorzunehmen. 

Regelmäßig dürfte sich der Anpassungsaufwand für die Institute in Grenzen halten, da es sich bei den von der BaFin aufgeführten Merkmalen um altbekannte „Red Flags“ handelt, die auf eine Begünstigung der Anonymität des Kunden oder des wirtschaftlich Berechtigten hindeuten (vgl. z.B. bereits Anlage 2 Ziff. 2 lit. b zum GwG) und nun neu, unter dem Stichwort der Umgehungsgeschäfte zusammengefasst werden. 

In Bezug auf einzelne Geschäftstätigkeiten sollten Geldwäschebeauftragte zudem prüfen, ob die Mitarbeiter der ersten Verteidigungslinie hinreichend für die Erkennung entsprechender Risikomerkmale sensibilisiert sind und ggfs. ihre internen Trainingsunterlagen anpassen.  

Blick in die Zukunft: Konsolidierung von Geldwäsche- und Sanctions-Compliance unter der EU-AML-VO

Ab 10. Juli 2027 unterfallen geldwäscherechtlich Verpflichtete dem unionsweit einheitlichen Anwendungsbereich der EU-AML-Verordnung (VO (EU) 1624/2024). Diese zielt neben der Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung auch auf die Vermeidung von Verstößen gegen Finanzsanktionen ab. 

Verpflichtete sind daher gut beraten, bei der Anpassung ihrer institutsinternen Sicherungsmaßnahmen nicht nur Risikofaktoren für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, sondern auch solche für Sanktionsverstöße konsolidiert zu betrachten und damit Risikotreiber für Umgehungsgeschäfte im geldwäsche- und im sanktionsrechtlichen Sinne in ihren Sicherungsmaßnahmen, insb. den Monitoring-Systemen, angemessen zu reflektieren.

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