7. September 2017
Reform Prospektrecht
Banking & Finance

Reform des europäischen Prospektrechts

Am 20. Juli 2017 ist die Reform des europäischen Prospektrechts in Kraft getreten. Erfahren Sie mehr über wesentliche Änderungen und die Praxisauswirkungen.

Im Zuge der geplanten EU-Kapitalmarktunion werden die Vorgaben für Wertpapierprospekte angepasst und teils gelockert. Das System soll insgesamt einfacher und billiger werden. Zudem soll den Unternehmen der Zugang zu den Kapitalmärkten als Finanzierungsquelle erleichtert werden.

Der Europäische Rat hat dazu am 16. Mai 2017 eine Neufassung der Prospektrichtlinie verabschiedet. Auch das Europäische Parlament hat bereits zugestimmt. Um das Prospektrecht in Europa vollständig einheitlich zu gestalten, wird die aus dem Jahr 2003 stammende Prospektrichtlinie durch eine überarbeitete Prospektverordnung (EU 2017/1129) ersetzt. Dadurch werden die bisherigen Regelungen im Wertpapierprospektgesetz (WpPG) zu einem erheblichen Teil entfallen.

Einheitliche europäische Kapitalmarktunion als Auslöser der Reform

Mit der Überarbeitung soll eine einheitliche europäische Kapitalmarktunion erschaffen und der effektive Binnenmarkt gestärkt werden. Weiter soll die Vollharmonisierung durch die europäische Verordnung dazu führen, dass abweichende Regelungen in den Mitgliedstaaten auf ein Minimum reduziert werden.

Die Kommission verfolgt mit der Reform insbesondere vier Hauptziele:

  • Für Unternehmen soll es leichter werden, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren.
  • Außerdem sollen der bürokratische Aufwand sowie die Kosten für Emittenten verringert werden, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU).
  • Die Anleger sollen bessere und passgenauere Informationen durch den Prospekt erhalten.
  • Das Prospektrecht soll mit anderen Transparenz- und Offenlegungsvorschriften (z.B. die Marktmissbrauchsverordnung) besser verzahnt werden.

Die reformierte Verordnung sieht daher insbesondere weitergehende Ausnahmen von der Prospektpflicht sowie Erleichterungen bei der Prospekterstellung vor.

Weitergehende Ausnahmen von der Prospektpflicht

Zwar wird es weiterhin eine Pflicht zur Erstellung eines Wertpapierprospekts bei einem öffentlichen Angebot oder der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt geben. Wenn das Emissionsvolumen allerdings weniger als EUR 1 Mio. innerhalb von zwölf Monaten beträgt, entfällt die Prospektpflicht. Bisher lag die Grenze bei EUR 100.000. Zudem kann ein Mitgliedstaat für rein nationale Angebote auch Ausnahmen bis zu EUR 8 Mio. Volumen vorsehen.

Keine Prospektpflicht bei der Zulassung von Wertpapieren aus Kleinstemissionen

Eine weitere für die Praxis wichtige Erleichterung gibt es im Bereich von Kleinstemissionen. Sollen weniger als 20 % an Wertpapieren derselben Gattung der bereits zum Handel zugelassenen Wertpapiere  innerhalb von zwölf Monaten zum Handel zugelassen werden, kann dies ohne die Erstellung eines Prospekts geschehen. Dies ist immerhin eine Verdopplung des bisherigen Schwellenwerts von 10 %. Diese Ausnahme war bereits bislang für sog. 10 %-Kapitalerhöhungen von großer praktischer Bedeutung.

Erleichterungen bei Sekundäremissionen

Die neue Verordnung sieht aber auch für einen weiteren Fall einen vereinfachten Prospekt vor. Nämlich dann, wenn ein Emittent Wertpapiere im regulierten Markt oder an einem KMU-Wachstumsmarkt innerhalb der letzten 18 Monate ununterbrochen zugelassen hat. Zugleich müssen diese Wertpapiere aber auch die gleiche Gattung besitzen. Dieser vereinfachte Prospekt führt beispielsweise im Ergebnis zu starken Erleichterungen bei der Prospektierung von Kapitalerhöhungen.

Erleichterungen für KMU

Weiter sieht die neue Prospektverordnung vor, dass kleine und mittlere Unternehmen sowie Emittenten mit geringer Marktkapitalisierung (weniger als EUR 200 Mio. in den letzten drei Jahren) erleichterten Zugang zum Kapitalmarkt erhalten sollen. Allerdings nur sofern sie ihre Aktien nicht an einem organisierten Markt zulassen.

Als KMU gelten dabei Unternehmen, die mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen:

  • weniger als durchschnittlich 250 Beschäftigte im letzten Geschäftsjahr
  • Bilanzsumme höchstens EUR 43 Mio.
  • Jahresumsatz höchstens EUR 50 Mio.

Hinsichtlich der Form und des Inhaltes sieht die Verordnung einen standardisierten und kürzeren Prospekt vor. Die Einzelheiten soll die EU-Kommission mittels delegierter Rechtsakte festlegen. Der sogenannte EU-Wachstumsprospekt soll aber signifikant leichter und kostengünstiger sein als ein Standardprospekt.

Allgemeines Registrierungsformular für regelmäßig tätige Emittenten

Regelmäßigen Emittenten von Wertpapieren wird durch die Verordnung nunmehr die Möglichkeit gegeben werden, ein sog. Allgemeines Registrierungsformular (universal registration document, URD) zu erstellen. Dieses kann von der Finanzaufsicht in einem beschleunigten Verfahren gebilligt werden.

Das URD enthält dabei nur Angaben zum Emittenten selbst. Es bildet dann zusammen mit der Wertpapierbeschreibung und der emissionsspezifischen Zusammenfassung den Wertpapierprospekt. Dadurch soll der Emittent die emissionsunabhängigen Prospektteile laufend vorhalten können.

Änderungen beim Standardprospekt – Zusammenfassung und Risikofaktoren

Die Zusammenfassung soll insgesamt kürzer und übersichtlicher werden. Dazu darf sie nur noch in vier Abschnitte eingeteilt werden und maximal sieben DIN-A4-Seiten umfassen. Aktuell liegt die Begrenzung bei 7 % des Gesamtinhalts oder maximal 15 Seiten. Der Umfang kann sich jedoch etwas erhöhen, wenn der Prospekt eine Garantie enthält oder mehrere Wertpapiere abdeckt.

Weitreichende Änderungen gibt es vor allem aber bei der Gestaltung der Risikofaktoren. Deren Anzahl ist in der Zusammenfassung dann auf maximal 15 Faktoren begrenzt. Dies dürfte bei der Prospekterstellung zu Diskussionen bei der Auswahl der infrage kommenden Risikofaktoren führen, vor allem vor dem Hintergrund der nach wie vor nicht europäisch vereinheitlichten Prospekthaftung.

Im Hauptteil des Prospekts müssen die Risikofaktoren inhaltlich kategorisiert und nach Wesentlichkeit angeordnet werden. Die nach der Beurteilung des Emittenten wichtigsten Risikofaktoren (Wahrscheinlichkeit des Eintritts, Auswirkung der Folgen bei Eintritt) müssen zuerst genannt werden.

Ob das Ziel, mit der Reform des europäischen Prospektrechts lesbarere Prospekte zu schaffen, dadurch erreicht wird, scheint allerdings fraglich.

Prospektverordnung bereits am 20. Juli 2017 in Kraft getreten

Die reformierte Prospektverordnung ist am 20. Juli dieses Jahres in Kraft getreten, wird aber erst zwei Jahre danach (Mitte 2019) vollständig anwendbar sein. Allerdings gelten die erhöhten Schwellenwerte für prospektfreie Emissionen bereits ein Jahr nach dem und die 20%-Ausnahme gilt schon mit dem Inkrafttreten der Verordnung.

Erfahren Sie mehr über die schrittweise Wirksamkeit der ProspektVO und welche Ausnahmeregelungen von den Kapitalmarktteilnehmern beachtet werden müssen.

Tags: Banking & Finance Capital Markets Kapitalmarktrecht Prospektrecht Reform