8. Juni 2011
Einer kann auch viele sein?
Kanzleialltag

Urschriftlich zurück: „Haben Sie eigentlich einen Knall?″

Der Rechtsanwalt ist der Sachlichkeit verpflichtet - auch wenn ihm der Kamm schwillt. Ein Advokat, der sich im Eifer des Gefechts nicht beherrschen kann und mit dem handschriftlichen Vermerk „Haben Sie eigentlich einen Knall?″ auf einen Schriftsatz des gegnerischen Kollegen antwortet, verstößt daher gegen das Sachlichkeitsgebot. Das hat das Anwaltsgericht Köln entschieden (Beschl. v. 24.03.2011 – 10 EV 2/11).

Das frühere „Ehrengericht″ hatte dabei nicht darüber zu entscheiden, ob der Gegenanwalt tatsächlich einen Knall hat, sondern ging der Frage nach ob der antwortende Kollege gegen § 43a Abs. 3 BRAO verstoßen hatte, der da lautet:

„Der Rechtsanwalt darf sich bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten. Unsachlich ist insbesondere ein Verhalten, bei dem es sich um die bewußte Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlass gegeben haben.″

Die Anwaltskammer in Köln hatte zuvor eine Rüge ausgesprochen, der folgende Eskalationsstufen zugrunde lagen: Zunächst teilte der gerüffelte Rechtsanwalt seinem Kollegen mit, dass sein Mandant bereit sei, auf die Räumung der Wohnung zu verzichten, wenn die durch den Sohn des Mieters veranlassten Prozesskosten gezahlt würden. Darauf antwortete der Gegenanwalt:

„Ob der Inhalt dieses Schreibens eine Nötigung zu Lasten meiner Mandantin darstellt, möchte ich an dieser Stelle nicht vertiefen…″.

was den fürderhin gerügten und offenbar etwas aufgebrachten Anwalt dazu veranlasste, dieses Schreiben mit dem handschriftlichen Vermerk:

„Haben Sie eigentlich einen Knall?″

urschriftlich mit Kanzleistempel zurückzusenden.

Nach Auffassung des Anwaltsgerichts war die Rüge der Rechtsanwaltskammer, die auf nicht überlieferte Art und Weise von diesem Verhalten ″Wind bekommen″ hatte, gerechtfertigt:

„….ein Rechtsanwalt braucht mit seinem Verfahrensgegner nicht so schonend umgehen, dass sich dieser nicht in seiner Persönlichkeit beeinträchtigt fühlt. Die Äußerungen müssen jedoch sachbezogen sein. Diese nicht sanktionsfähige Schwelle wird jedoch überschritten, wenn strafbare Beleidigungen, die bewusste Verbreitung von Unwahrheiten oder herabsetzende Äußerungen, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlass gegeben haben, festzustellen sind. Letzteres ist der Fall.″

Besonders der erste Teil dieser Begründung lässt aufhorchen: Solange die Äußerungen des Anwalts sachbezogen sind, darf sich der Kollege also ruhig in seiner Persönlichkeit beeinträchtigt fühlen. Konkrete Vorschläge zur Umsetzung machte das Gericht nicht.

Weiterführende Informationen zum Thema „Streitschlichtung″ erhalten Sie übrigens hier.

Tags: 10 EV 2/11 Anwaltsgericht Beleidigung BRAO Ehrengericht Knall Persönlichkeitsrecht Recht und Sprache Sachlichkeitsgebot Strafrecht urschriftlich