Manchmal hat eine Abmachung unvorhergesehene Folgen: So führt die Vereinbarung der Incoterm DDP-Klausel (Delivery Duty Paid; deutsch: geliefert, verzollt, benannter Bestimmungsort) zwischen zwei Unternehmen zur Regelung ihrer Lieferpflichten im internationalen Warenverkehr in Ermangelung einer ausdrücklichen Gerichtsstandvereinbarung zur Zuständigkeit deutscher Gerichte über den Anknüpfungspunkt des Erfüllungsortes gemäß § 29 ZPO. Dies stellte der BGH kürzlich klar.
Gegenstand des Urteils des BGH vom 07. November 2012 (Az. VIII ZR 108/12) war ein Schadensersatzanspruch eines deutschen Käufers gegen einen koreanischen Verkäufer. Vor den deutschen Gerichten verteidigte sich der Beklagte unter Verweis auf die Unzuständigkeit deutscher Gerichte. Es gäbe keine ausdrückliche Gerichtsstandvereinbarung und bei der von der Gegenseite benannten Incoterm DDP-Klausel handele es sich um eine bloße Gefahrtragungsregel.
Wo liegt der Erfüllungsort?
Dies sah der BGH ein wenig anders. Die maßgebliche Vorschrift zur Bestimmung der Zuständigkeit deutscher Gerichte sei der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes, § 29 ZPO. Die Qualifizierung des Erfüllungsortes ist dabei von den zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Vorschriften oder einer Parteivereinbarung abhängig.
Die entscheidende materiell-rechtliche Vorschrift im Bereich des internationalen Warenverkehrs ist Art. 31 lit. a) CISG, wonach der Verkäufer seiner Lieferpflicht grundsätzlich dann nachkommt, wenn er die Ware an den ersten Beförderer übergeben hat. Dies für sich genommen, hätte wohl zu einer Zuständigkeit koreanischer Gerichte geführt.
Nach Auffassung des BGH soll dies im Rahmen von Art. 31 CISG indes nur dann gelten, wenn der Verkäufer die Ware nicht an einen anderen Ort zu liefern habe. Eine solche Konstellation sah der BGH in der Vereinbarung der Incoterm DDP-Klausel. Diese besagt, dass der Verkäufer Gefahr und Kosten des Transports bis zur Übergabe der Sache am Sitz des Käufers zu tragen hat.
Überraschende Konsequenzen
Mithin hatte die Vereinbarung dieser Klausel für das koreanische Unternehmen gleich in doppelter Hinsicht unschöne Auswirkungen. Zum einen bedeutet die Incoterm DDP-Klausel zunächst, dass der Käufer alle Kosten, inklusive der Zollfreimachungen, und die Haftung für Gefahren auf dem Transport zu tragen hat. Dies war auch bisher hinlänglich bekannt.
Die zweite Konsequenz aus der Incoterm DDP-Klausel dürfte deutlich unangenehmer, weil unvorhergesehener sein. Denn der BGH führte aus, dass durch die Klausel der Erfüllungsort bestimmt werde und dieser nach Auslegung der Klausel in Deutschland läge. Damit hat der BGH – zumindest für die DDP-Klausel – einen langjährigen Meinungsstreit darüber entschieden, ob Incoterm-Klauseln auch den Erfüllungsort regeln können.
Lässt man sich dies unter Berücksichtigung des besonderen Gerichtsstandes des Erfüllungsortes gem. § 29 ZPO einmal auf der Zunge zergehen, führt dies zu einer Quasi-Gerichtsstandvereinbarung durch die Hintertür. Die scheinbar harmlose Vereinbarung einer „Gefahrtragungs- bzw. Lieferregelung“ kann schlussendlich zu einer Gerichtsstandvereinbarung führen, und zwar – wie der BGH ausdrücklich feststellte – ohne dass dies den Parteien bewusst sein müsse.
Auswirkungen auch für innereuropäische Transporte
Interessant ist die Entscheidung auch für den innereuropäischen Warenverkehr. Freilich bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit beim Verkauf beweglicher Sachen hier nach Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVVO, jedoch dürften die Grundsätze der vorliegenden Entscheidung unter Berücksichtigung der bereits zu Art. 5 Nr. 1 lit. b) EuGVVO ergangenen Rechtsprechung des EuGH vom 25. Februar 2010 (NJW 2010, 1059) nahezu vollständig übertragbar sein.
Denn der EuGH führte seinerzeit aus, dass der Erfüllungsort im Sinne von lit. b) nicht unter Bezugnahme auf etwaige materiell-rechtliche Vorschriften der lex fori zu bestimmen sei, sondern autonom nach den jeweiligen Vertragsumständen. Dies führt zu der Annahme, dass bei Vereinbarung der Incoterm DDP jedenfalls deutsche Gerichte ihre Zuständigkeit bejahen werden, sofern der Erfüllungsort Deutschland ist und keine ausdrückliche Gerichtsstandvereinbarung vorliegt.
Dies ist im innereuropäischen grenzüberschreitenden Warenverkehr vor allem deshalb von weitreichender Bedeutung, weil eine wirksame Gerichtsstandvereinbarung nach Art. 23 Abs. 1 EuGVVO in der Regel der Schriftform bedarf, die meist nicht erfüllt ist, wenn die Parteien die Gerichtsstandvereinbarung durch bloßen Verweis auf ihre AGB treffen. Die Entscheidung des BGH hat somit doch wahrscheinlich deutlichere Auswirkungen als sich auf den ersten Blick erahnen lässt.