6. November 2023
Pflichtangaben Händler Produkthaltbarkeit
Commercial

Pflichtangaben für Händler zur Produkthaltbarkeit kommen

Harmonisierte Label und Hinweise zu Gewährleistung und Haltbarkeitsgarantien sollen den ökologischen Wandel vorantreiben.

Die geplante Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel verfolgt im Wesentlichen zwei Regelungsziele: Verbraucher sollen vor Vertragsschluss über nachhaltigkeitsrelevante Produkteigenschaften (u.a. zu Lebensdauer/Haltbarkeit, Reparierbarkeit, Verfügbarkeit von Software-Updates) informiert und gleichzeitig vor unlauteren Geschäftspraktiken geschützt werden, um auf informierter und „objektiver“ Grundlage ihre Kaufentscheidung zugunsten nachhaltiger Produkte treffen zu können. 

Im Rampenlicht des Regelungsentwurfs stand bislang vor allem der Schutz vor Irreführung durch sog. Green Claims. Demgegenüber fanden die mit der Richtlinie ebenfalls geplanten Informationspflichten in der öffentlichen Diskussion bislang weniger Beachtung. Diese bringen jedoch vor allem für Verkäufer teilweise erhebliche Änderungen mit sich, die sich in dem am 25. Oktober 2023 verabschiedeten Kompromissvorschlag für die Lesung im Europäischen Parlament nunmehr immer konkreter abzeichnen. 

Einführung eines harmonisierten Labels und eines harmonisierten Hinweises

Während der ursprüngliche Vorschlag der Kommission noch den Verkäufer verpflichten wollte, potentielle Käufer über das Bestehen (und bei energiebetriebenen Waren sogar über das Nichtbestehen) einer Herstellergarantie von mindestens zwei Jahren zu informieren, sieht der Kompromissvorschlag die Einführung eines sog. „harmonisierten Labels“ (harmonized label) für die Angabe von Haltbarkeitsgarantien vor. Daneben muss der Verkäufer mit einem „harmonisierten Hinweis“ (harmonized notice) den Verbraucherkunden zugleich über die durch Warenkauf-Richtlinie EU-weit gesetzlich vorgegebene zweijährige kostenlose Konformitätsgarantie (in Deutschland umgesetzt durch die Mängelgewährleistungsrechte des BGB) informieren. Diese Verpflichtung gilt unabhängig davon, ob für die Produkte eine zusätzliche Haltbarkeitsgarantie gegeben wird oder nicht.

Informationspflicht für Händler nur bei Information durch den Hersteller

Eine Pflicht zur Information über bestehende Haltbarkeitsgarantien des Herstellers besteht jedoch nur, wenn der Hersteller die diesbezüglichen Informationen dem Händler auch zur Verfügung stellt. Durch diese Einschränkung sollen Händler davor bewahrt werden, beim Hersteller umfangreiche Nachforschungen über das Vorhandensein etwaiger Garantien anstellen zu müssen. Gleichwohl dürfte diese Regelung über die vom EuGH vorgegebene Linie hinausgehen, nach denen der Händler nur dann über etwaige Garantien informieren muss, wenn er sich selbst dazu entscheidet, diese zu einem wesentlichen Bestandteil seines Angebots zu machen. Wenn der Hersteller z.B. die Herstellergarantie auf dem Produkt oder der Verpackung anbringt, wird der Händler zukünftig die neuen Informationspflichten zu erfüllen haben. 

Nur echte Haltbarkeitsgarantien betroffen

Das harmonisierte Label betrifft nur Haltbarkeitsgarantien, die vom Käufer ohne zusätzliche Kosten in Anspruch genommen werden können und die für das gesamte Produkt und für einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren gelten. Bei anderen gewerblichen Garantien (wie z.B. einer Zufriedenheitsgarantie) oder sonstigen Leistungen (wie beispielsweise After-Sales-Services) greift das harmonisierte Label nicht. Allerdings dürfen Hinweise auf andere gewerbliche Garantien nicht dazu führen, dass Verbraucher hinsichtlich ihrer gesetzlichen Gewährleistungsrechte und etwaiger Haltbarkeitsgarantien irregeleitet werden. Problematisch dürften daher auch Haltbarkeitsgarantien für einen Zeitraum von zwei Jahren oder weniger sein.

Haltbarkeitsangaben gelten online und im stationären Handel 

Die geplanten Neuerungen gelten sowohl online als auch für den stationären Handel. Das harmonisierte Label soll an gut erkennbarer Stelle platziert werden, damit Verbraucher leicht erkennen können, dass für die betreffende Ware eine kommerzielle Haltbarkeitsgarantie gegeben wird. Als Beispiel für den Offline-Verkauf nennt der Entwurf beispielhaft die Anbringung des Labels auf dem Produkt selbst bzw. auf dessen Verpackung oder am Verkaufsregal. Die harmonisierten Hinweise auf die gesetzliche Gewährleistung sollen nach dem Vorschlag beispielsweise durch Plakate im Laden (z.B. im Kassenbereich) erteilt werden können 

Beim Online-Verkauf muss der Verkäufer vor Vertragsschluss ebenfalls in klarer und verständlicher Weise über den Inhalt der Herstellergarantie und die gesetzlichen Gewährleistungsrechte informieren. Für das Label schlägt der Entwurf u.a. vor, dieses neben dem Bild der betreffenden Ware anzuzeigen.  Für den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte nach der Warenkauf-Richtlinie soll ein allgemeiner Hinweis auf der Website des Händlers genügen.

Kommission muss Design und Inhalt des harmonisierten Labels noch festlegen

Unterstützt durch einen eigens hierfür eingerichteten Ausschuss hat die Kommission spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten der geplanten Richtlinie die konkrete äußere Gestaltung und den Inhalt sowohl des harmonisierten Labels als auch des harmonisierten Hinweises festzulegen. Der Hinweis auf die nach der Warenkauf-Richtlinie bestehenden Gewährleistungsrechte soll aber zumindest die gesetzliche Mindestdauer von zwei Jahren enthalten und – sofern der der Mitgliedstaat, in dem das Produkt angeboten wird, von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat – darüber informieren, dass in dem betreffenden Mitgliedstaat bzw. bei der betroffenen Produktkategorie eine längere Gewährleistung gilt.

Weitere Informationspflichten zu Software-Updates, Recycelbarkeit, Reparierbarkeit und umweltfreundlichen Lieferoptionen

Neben den Informationspflichten zur Haltbarkeitsgarantie und über die gesetzliche Gewährleistung sollen Händler vor Vertragsschluss noch weitere nachhaltigkeitsrelevante Informationen bereitstellen. Dies betrifft neben der Frage der Recycelbarkeit z.B. die Reparierbarkeit des Produkts. Hierzu sollen künftig vermehrt gesetzliche Vorgaben zur Bestimmung eines standardisierten „Reparierbarkeitsindex“ (wie er seit Kurzem für Smartphones und Tablets existiert) geschaffen werden. Besteht ein solcher (noch) nicht, ist u.a. über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und deren voraussichtliche Kosten und die Verfügbarkeit von Reparaturinformationen zu informieren. Bei Waren mit digitalen Elementen oder für digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen ist zusätzlich noch der Mindestzeitraum anzugeben, in dem bzw. bis zu dem der Hersteller oder Anbieter Software-Updates bereitstellt.

Daneben sollen Händler die Verbraucher gegebenenfalls über die Verfügbarkeit umweltfreundlicher Lieferoptionen unterrichten, wie z. B. die Lieferung von Waren mit Lastenfahrrädern oder elektrischen Lieferfahrzeugen oder die Möglichkeit gebündelter Versandoptionen (shipping bundles). 

Entwurf schafft Klarheit für Händler und Verbraucher

Aus Verbrauchersicht sind die vorgeschlagenen Informationspflichten zur Haltbarkeit der Produkte sicherlich zu begrüßen. Potentielle Käufer werden nicht nur über die prinzipielle Unterscheidung zwischen gesetzlicher Gewährleistung (legal guarantee) und einer freiwillig gegebenen Haltbarkeitsgarantie (commercial guarantee) aufgeklärt, sondern auch über den dem Durchschnittsverbraucher nicht unbedingt bekannten Umstand, dass sie ihre gesetzlichen Gewährleistungsrechte mindestens zwei Jahren geltend machen können. 

Für die Händler bzw. die dahinterstehenden Hersteller dürfte die Einführung standardisierter Angaben zum einen für einheitlichere Wettbewerbsbedingungen sorgen. Zum anderen dürfte der Pflichthinweis auf die mindestens zweijährige Gewährleistungsfrist in manchen Fällen Hersteller dazu anhalten, ihre Produkte haltbarer zu machen und mit einer darüberhinausgehenden Haltbarkeitsgarantie zu versehen, um sich gegenüber Wettbewerbern zu profilieren. 

Unabhängig davon lässt der Entwurf noch einige Fragen unbeantwortet. Unklar ist z.B., inwiefern die neuen Pflichtangaben auf gebrauchte bzw. wiederaufbereitete (refurbished) Produkte gelten soll. Diese Fragen müssen unter Umständen die Mitgliedsstaaten selbst beantworten. Dies dürfte die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht – für die ohnehin ein relativ knapper Zeitrahmen angesetzt ist – zusätzlich verkomplizieren. Nach dem derzeitigen Stand müssen die Mitgliedsstaaten die Richtlinie spätestens 24 Monate nach ihrem Inkrafttreten in nationales Recht umsetzen und spätestens sechs Monate später anwenden.

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