16. Juni 2014
BGH: Bestechung macht Kaufvertrag unwirksam, aber nicht die Übereignung
Compliance

BGH: Bestechung macht Kaufvertrag unwirksam, aber nicht die Übereignung

Bestechungszahlungen können die Nichtigkeit eines davon beeinflussten Kaufvertrages und Schadenersatzansprüche begründen. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 9. Mai 2014 (V ZR 305/12) entschieden und das entgegenstehende Urteil des OLG Frankfurt aufgehoben.

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Klägerin ist Großhändlerin für ausländische Presseerzeugnisse. Ihr ehemaliger Vertriebsleiter hat im Namen der Klägerin zur Vernichtung vorgesehene Zeitschriften an den Beklagten verkauft. Dafür zahlte der Beklagte dem Vertriebsleiter einen zusätzlichen Betrag je Heft auf dessen Privatkonto.

Der Beklagte verkaufte die Zeitschriften insbesondere über das Internet und erzielte daraus einen sechsstelligen Erlös. Bei den Zeitschriften handelte es sich um sogenannte Remissionsware, das heißt um von den Einzelhändlern zurückgegebene Zeitschriften, die vernichtet werden sollten und für die die Klägerin von ihren Lieferanten eine Rückvergütung erhalten hatte.

Berufungsgericht: keine Bestechung

Das Berufungsgericht meinte, den Schadenersatzansprüchen der Klägerin stünde entgegen, dass die Zeitschriften wirksam an den Beklagten übereignet worden seien. Der Vertriebsleiter habe mit Anscheinsvollmacht gehandelt. Ein kollusives Zusammenwirken des Beklagten mit dem Vertriebsleiter könne nicht festgestellt werden.

Die Verträge seien auch nicht wegen der Zahlungen an den Vertriebsleiter nichtig gewesen. Der Beklagte habe den subjektiven Tatbestand einer Bestechung nicht erfüllt. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, dass die Verträge über die Belieferung des Beklagten gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hätten oder sittenwidrig gewesen seien.

BGH hält die Übereignung für wirksam, aber nicht den Kaufvertrag

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Bundesgerichtshof bestätigt das Berufungsgericht darin, dass die Bestechungszahlungen nicht die Wirksamkeit der dinglichen Übereignung der Zeitschriften gehindert haben. Insoweit reiche eine Anscheinsvollmacht.

Der Beklagte habe hinsichtlich der dinglichen Verträge auch nicht bewusst in arglistiger Weise zum Nachteil der Klägerin zusammengewirkt, um die nicht mehr zum Verkauf bestimmte Remissionsware zu erwerben. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs durfte der Beklagte von einem „regulären″ Verkauf von Restposten durch den für den Verkauf zuständigen Vertriebsleiter der Klägerin ausgehen.

Die Übereignung der Zeitschriften sei auch nicht im Hinblick auf die Vereinbarung über zusätzliche, an den Vertriebsleiter zu leistende Zahlungen nichtig. Allerdings seien wegen der Bestechung die Kaufverträge unwirksam. Die Sittenwidrigkeit der Abrede über die Zahlung auf das Privatkonto erfasse auch die Kaufverträge, weil die Klägerin diese Zahlungen nicht als Veräußerungserlös erhalten habe.

Schadensersatzansprüche für Opfer von Korruption

Da der Bundesgerichtshof entgegen dem Berufungsgericht von einer Unwirksamkeit der Kaufverträge ausgeht, kommt aus seiner Sicht eine Haftung aus Bereicherungsrecht in Betracht. Der Beklagte habe die Zeitschriften ohne rechtlichen Grund erlangt, weil die von ihm mit der Klägerin geschlossenen Kaufverträge nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig seien.

Der Beklagte hafte daher verschärft nach § 819 Abs. 1 BGB. Der Beklagte kannte sowohl die die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen als auch die sich daraus ergebene Rechtsfolge der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Das ergebe sich aus dem eigenen Vortrag des Beklagten.

Vor diesem Hintergrund schulde der Beklagte der Klägerin zunächst den Ersatz des Vertriebsschadens, welcher daraus entsteht, dass die Klägerin von ihren Lieferanten auf Rückvergütung der erstatteten Einkaufspreise wegen erneuten Vertriebs der Zeitschrift in Anspruch genommen wird. Denn der Beklagte kann die von ihm verkauften Zeitschriften nicht herausgeben.

Die Klägerin könne von dem Beklagten auch die Herausgabe des Erlöses aus dem Verkauf der Zeitschriften verlangen. Der Anspruch könne sich aus der verschärften Bereicherungshaftung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1, § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4, § 285 Abs. 1 BGB ergeben.

Wertungswiderspruch wenig überzeugend

Im Ergebnis stärkt das Urteil die Rechte von Unternehmen, die durch Bestechungszahlungen geschädigt worden sind. Es überzeugt aber nicht, richtigerweise davon auszugehen, dass Bestechungszahlungen zur Unwirksamkeit der davon betroffenen Kaufverträge führen, andererseits aber bei der Beurteilung der Vollmacht zur dinglichen Übereignung von „regulären Verkäufen″ zu sprechen. Dieser Wertungswiderspruch ist unbefriedigend.

Tags: Bereicherungsrecht Bestechung BGH Haftung Kaufvertrag Korruption Nichtigkeit Schadensersatz Übereignung Unwirksamkeit