Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf zur Neugestaltung des Rechts der Vermögensabschöpfung beschlossen. Die wichtigsten Änderungen im Überblick.
Es handelt sich um die umfassendste Reform seit Einführung des Instituts der Vermögensabschöpfung im Jahr 1969. Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung soll sowohl inhaltlich als auch verfahrensrechtlich in weiten Teilen neu gestaltet werden.
Kernstück der Reform ist die Neuregelung der Opferentschädigung. Bislang sichert die Strafjustiz aus Straftaten stammende Vermögenswerte in einem ersten Schritt lediglich vorläufig zu Gunsten der Opfer und der Geschädigten. In einem zweiten Schritt müssen die Geschädigten dann ihre Ansprüche nach Erlangung entsprechender zivilrechtlicher Titel in einem komplizierten Verfahren geltend machen.
Abkehr vom Prioritätsprinzip
Bisher gilt das Prioritätsprinzip, oft auch als Windhundprinzip bezeichnet. Wer als Geschädigter mit der Geltendmachung eigener Ansprüche zu spät kommt, hat das Nachsehen. Teilweise wird auch aufgrund der hohen Kosten auf einen Anspruch verzichtet.
In Zukunft ist eine „staatlich organisierte″ Entschädigung der Opfer vorgesehen: Die Strafjustiz soll das inkriminierte Vermögen zunächst vollumfänglich abschöpfen und erst nach rechtskräftigem Strafurteil an die Geschädigten auskehren. Ebenso sieht die Reform zahlreiche weitere grundlegende Änderungen im Bereich der Vermögensabschöpfung vor.
Beweislastumkehr zu Gunsten der Strafjustiz
Bei bestimmten Straftaten soll eine – am amerikanischen Recht orientierte – Beweislastumkehr zu Lasten des Täters eingeführt werden. Bislang mussten aus Straftaten herrührende Vermögenswerte bei unklarer Beweislage an die Täter herausgegeben werden.
Weiter werden im Zuge der Reform einige bislang durch die Rechtsprechung entwickelte Rechtsfiguren ausdrücklich geregelt. So beispielsweise die in der Praxis wichtige Frage, in welcher Höhe Vermögen abgeschöpft werden kann und wie zu verfahren ist, wenn Vermögen an dritte Personen „verschoben″ wurde.
Geschädigtes Unternehmen: Auswirkungen der Neuregelungen
Änderungen für Unternehmen ergeben sich insbesondere, wenn diese Opfer von Straftaten werden. Klassische Fälle einer Schädigung des Unternehmens sind solche des Anlagebetrugs oder die Veruntreuung oder Verschiebung von Unternehmensgeldern durch Mitarbeiter des Unternehmens.
Zwar besteht ein wesentliches Ziel der Reform darin, Geschädigten in derartigen Fällen eine erleichterte Vermögensrückerlangung zu ermöglichen. Ob dies jedoch tatsächlich gelingen wird, hängt vom Einzelfall ab und ist gerade bei Unternehmen zweifelhaft.
Vermögensverteilung erst nach rechtskräftigem Strafurteil
Nach den Reformplänen wird zukünftig die Strafjustiz die Vermögenswerte einziehen und nach rechtskräftigem Urteil an die Geschädigten auskehren. Dies ist für Unternehmen insofern nachteilhaft, als die Rechtskraft eines Urteils bei umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren häufig erst nach vielen Jahren eintritt.
Die Neuregelung kann also dazu führen, dass von Straftaten betroffene Unternehmen erst lange Zeit nach Eintritt des Vermögensschadens kompensiert werden.
Aktuelle Rechtslage bietet größere Gestaltungsspielräume
Die Verfolgung der Vermögensinteressen nach derzeitiger Rechtslage ist kompliziert und kostenintensiv. Jedoch bestehen für Unternehmen, welche in der Regel über die erforderlichen finanziellen Ressourcen zur Geltendmachung ihrer Ansprüche verfügen, auch deutlich größere Einfluss- und Gestaltungsspielräume
Änderungen bei Straftaten „zu Gunsten″ des Unternehmens
Im Gegensatz zu den oben genannten Fällen der Schädigung des Unternehmens durch Straftaten sind diese in der Praxis auch häufig selbst Adressat von Abschöpfungsmaßnahmen. Dies ist der Fall, wenn Mitarbeiter eines Unternehmens Straftaten „zu Gunsten″ des Unternehmens begehen. Hierunter fallen z.B. infolge vorsätzlich unterlassener Umweltinstandsetzungsmaßnahmen ersparte Aufwendungen.
Dem Unternehmen werden die Straftaten seiner Mitarbeiter zugerechnet und das unrechtmäßig erlangte Vermögen abgeschöpft. In dieser Konstellation muss sich das Unternehmen gegen die Abschöpfungsmaßnamen verteidigen. Hier können sich die geplanten Neuregelungen nachteilhaft auswirken, da die Vermögensabschöpfung insgesamt ausgedehnt und verschärft wird.