8. Juli 2011
Compliance

Sternekoch, Fingernägel und das Persönlichkeitsrecht

Jeden Dienstag und Freitag ist es so weit. Der Padrone lässt seine Leute zur  „Pfötchenkontrolle″ antreten: „Egal wie alt einer ist oder wie viele Kinder er schon gezeugt hat, die Finger müssen vorgezeigt werden″,  bekennt Vincent Klink.  Der ist zwar nicht nur Koch, sondern auch Musiker, Autor, Verleger diverser kulinarischer Kampfschriften und Bonvivant – gleichwohl mag dieser Umgang mit der Belegschaft seines Restaurants in Stuttgart-Degerloch erstaunen.

Aber nur auf den ersten Blick.

Denn der Mann hat gute Gründe für seine vorgebliche Schrulle, die er (unter der Überschrift „Verdammte Hügenie″) in der aktuellen Ausgabe von „Häuptling eigener Herd″ ausbreitet. Kurz gesagt: Bereits Klinks hygienefanatischer Vater schwor neben der Trias „Wasser-Seife-Handtuch″ zu Präventionszwecken vor allem auf extrem kurze Fingernägel. Klink setzt dieses Konzept auch weiterhin konsequent um und wundert sich über die entgegenstehende Praxis:

„Es gibt alle erdenkliche Hygienevorsorge, vom Fingernägelschneiden redet niemand.  Man glaubt es nicht, es laufen Köche herum, die haben Pfoten, als hätten sie gerade die Urgroßmutter ausgegraben. Darüber aber keinen Ton. Da werden offensichtlich Persönlichkeitsrechte berührt.″

Aus rechtlicher Sicht können wir zur Beruhigung beitragen.  Die Klink’sche Fingernagelphilosophie ist als wesentliche Personalhygiene-Regel absolut anerkannt. Dann aber ist es nicht nur recht und billig, wenn der Küchenchef die Einhaltung derartiger Regeln auch kontrolliert – sondern schlicht erforderlich: Denn er ist als Lebensmittelunternehmer nach der EU-Lebensmittelhygieneverordnung für die Einhaltung sämtlicher lebensmittelrechtlichen Vorschriften in seinem Betrieb  verantwortlich. Der Blick auf den Fingernagel ist also tatsächlich keine Schrulle, sondern angewandte Compliance.

Und auch bei der gegebenenfalls erforderlichen Interessenabwägung würden die Persönlichkeitsrechte krallentragender Küchenmitarbeiter wohl zurückstehen müssen: Jedenfalls das Landesarbeitsgericht Köln hat fingernagelbezogene Vorgaben für Fluggastkontrolleurinnen zur Verletzungsprävention für verhältnismäßig gehalten. Dies dürfte mindestens in gleicher Weise gelten, wenn Lebensmittelhygiene und -sicherheit in Rede stehen.

Insoweit: Auch am heutigen Freitag gutes Gelingen bei der Pfötchenkontrolle auf der Wielandshöhe…

Tags: Fingernagelkontrolle Häuptling eigener Herd Hygienevorschriften Lebensmittelhygiene Lebensmittelrecht Persönlichkeitsrecht Vincent Klink Wielandshöhe
Martin Rath
am 08.07.2011 um 12:33:39

Hat der „Häuptling eigener Herd“, zu dessen Abonnenten ich mich aus ökonomischen Gründen leider nicht zählen kann, eigentlich immer noch dieses köstliche Impressum mit seinen Verweisen auf das minoische Faustrecht (oder ähnlich löbliche Konstruktionen)?
Dazu würde mich ja einmal Ihre professionelle Meinung interessieren.

Michael Kamps
am 08.07.2011 um 14:49:38

@Martin Rath: Fürwahr, die Formulierung war „Gerichtsstand: Timbuktu. Es gilt lusitanisches und minoisches Recht (Mutterrecht und Blutrache)“. Mittlerweile ist sie allerdings verschwunden – überlebt hat lediglich „Erscheint so vierteljährlich wie möglich“. Dessen ungeachtet: Wir könnten uns in der Tat mal fachlich mit der Rechtswahlklausel befassen – dauert nur etwas, weil die Quellenlage zum lusitanischen und minoischen Recht ziemlich überschaubar ist. Mehr vielleicht demnächst an dieser Stelle…

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