15. Dezember 2010
Buntes Rechengerät
Dispute Resolution

Die neuen DIS-Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung (1): Schiedsgutachten

Mitte 2010 hat die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) neue Verfahrensordnungen für verschiedene Arten der außergerichtlichen Streitbeilegung erlassen. Mit diesen Regeln stellt die DIS neben den bewährten Schiedsverfahren und Schlichtungsverfahren die Instrumente Mediation, Schiedsgutachten, Gutachten sowie projektbegleitende Adjudikation zur Verfügung. Diese neu angebotenen Verfahren sollen hier in loser Reihenfolge vorgestellt werden. Den Anfang macht das neue DIS-Schiedsgutachtensverfahren.

Das DIS-Schiedsgutachtensverfahren darf nicht mit einem Schiedsgutachten gemäß § 317 Abs. 1 BGB verwechselt werden. Letzteres ist ein Vertrag, der einem Dritten die Befugnis überträgt, Tatsachen bindend für die Parteien festzustellen. Das DIS-Schiedsgutachtensverfahren dagegen ist gewissermaßen ein „verkürztes″ Schiedsverfahren: Es sieht eine vorläufig bindende Entscheidung eines neutralen Dritten in einer konkreten Streitigkeit zwischen den Vertragsparteien vor. Damit ist es dem insbesondere im anglo-amerikanischen Raum geläufigen Adjudication-Verfahren vergleichbar. So ist in Großbritannien die Durchführung einer Adjudication im baurechtlichen Bereich sogar gesetzlich vorgesehen (vgl. Housing Grants Construction and Regeneration Act 1996). Auch im deutschen Recht bestehen derzeit Bestrebungen, für baurechtliche Streitigkeiten eine Adjudikation gesetzlich festzulegen.

Das DIS-Schiedsgutachtensverfahren ist zudem von der projektbegleitenden DIS-Adjudikation abzugrenzen. Grundsätzlich sind beide Verfahren ähnlich ausgestaltet und stellen eine Adjudikation dar. Jedoch wird bei der projektbegleitenden Adjudikation bereits bei Projektbeginn ein Gremium aus Adjudikatoren bestellt, ohne dass ein konkreter Streit vorliegt. Dieses Gremium begleitet dann im Folgenden das Projekt und soll auftretende Streitigkeiten schnell und effizient lösen.

Das DIS-Schiedsgutachtensverfahren beginnt mit Einreichung des Antrags auf Einholung eines Schiedsgutachtens, der im Wesentlichen einer Klageschrift ähnelt. Das Verfahren wird mit einem oder drei Schiedsgutachter durchgeführt. Falls sich die Parteien nicht einigen können, kann die Benennung des Schiedsgutachters bzw. der parteibenannten Schiedsgutachter dem DIS-Ernennungsausschuss übertragen werden. Bei einem Dreiergremium schlagen die parteibenannten Schiedsgutachter einen dritten Schiedsgutachter als Vorsitzenden vor. Nach Verfahrensbeginn hat der Antragsgegner sechs Wochen Zeit eine Antragserwiderung einzureichen. Beide Parteien haben danach nochmals jeweils eine aufeinanderfolgende dreiwöchige Frist, um einen weiteren Schriftsatz einzureichen. Wird eine mündliche Verhandlung durch die Parteien oder den Schiedsgutachter für notwendig erachtet, schließt sich diese an den Austausch der Schriftsätze an.

Die Entscheidung des Schiedsgutachters ist vorläufig bindend bis zu einer abändernden oder aufhebenden Entscheidung in einem nachfolgenden (Schieds-) Gerichtsverfahren. Jedoch muss die „unzufriedene″ Partei der DIS eine Nichtanerkennungserklärung innerhalb von einem Monat ab Erhalt der Entscheidung übermittelt haben. Ansonsten wird die Entscheidung nach Ablauf dieser Frist endgültig und bindend. Vor Erlass einer Entscheidung hat der Schiedsgutachter zusätzlich die Möglichkeit vorläufige Anordnungen zur Sicherung der geltend gemachten Ansprüche zu erlassen.

Die Vorteile eines DIS-Schiedsgutachtensverfahrens gegenüber einem herkömmlichen Schiedsverfahren oder einem staatlichen Gerichtsverfahren liegen auf der Hand:

  • Zeit: Die vorgesehene Zeit für die Durchführung des Verfahrens liegt bei ca. 3 Monaten;
  • Vertraulichkeit: Das Verfahren ist vertraulich.
  • Kosten: Diese liegen regelmäßig unter denen eines herkömmlichen (Schieds-) Gerichtsverfahrens;
  • Neutrale Einschätzung: Die Parteien erhalten eine (vorläufig bindende) Entscheidung eines neutralen Dritten, die eine Blockade der geschäftlichen Beziehungen möglicherweise wieder lösen kann;

Insofern sollten Streitbeteiligte, insbesondere im Rahmen komplexer Projekte, zukünftig häufiger erwägen, auf dieses Instrument zurückzugreifen, um eine zügige Entscheidung in einem aufkommenden Streit zu erhalten und den Projektfortschritt damit zu fördern. Auch im Rahmen eines vorgeschalteten Konfliktmanagementverfahrens können die Beteiligten die Durchführung eines Schiedsgutachtensverfahrens vereinbaren.

Nähere Informationen zur DIS-Schiedsgutachtensordnung können unter http://www.dis-arb.de/ abgerufen werden.

Weitere Informationen zum DIS-Konfliktmanagementverfahren hier.

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