Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Struktur der Netzentgelte Strom soll Entwicklung der dezentralen Erzeugung Rechnung tragen.
Die Bundesregierung hat am 25. Januar 2017 den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur („NeMoG“) verabschiedet. Das NeMoG regelt die gestufte Verminderung der Zahlungen aus vermiedenen Netzentgelten bis hin zu ihrer vollständigen Abschaffung. Gleichzeitig wird eine Obergrenze für die Berechnungsgrundlage der vermiedenen Netzentgelte festgeschrieben.
Entwicklung der dezentralen Erzeugung widerspricht dem Grundgedanken der vermiedenen Netzentgelte
Das Instrument der vermiedenen Netzentgelte entstammt den Verbändevereinbarungen Strom aus den Anfangsjahren der Liberalisierung. Es wurde bei der nachfolgenden Normierung des regulierten Netzzugangs im Energiewirtschaftsgesetz („EnWG“) und in der Netzentgeltverordnung Strom („StromNZV“) fortgeschrieben. Hintergrund war die damalige Struktur des deutschen Strommarkts, in dem die Erzeugung in den oberen Spannungsstufen eingespeist und zu den Verbrauchern in den nachgelagerten Netzen transportiert wurde. Dezentrale Erzeugung wurde in einem solchen System als grundsätzlich kostenentlastend angesehen.
Die vermiedenen Netzentgelte spiegeln diesen Effekt wider, indem auf die dezentrale Einspeisung auf der nachgelagerten Netzebene abgestellt wird. Die Netzentgelte der jeweils vorgelagerten Ebenen gelten dabei als „erspart“, da der Strom in entsprechender Höhe nicht mehr aus diesen Netzebenen bezogen wird. Die ersparten Entgelte werden dem dezentralen Erzeuger erstattet (bzw. fließen in die Berechnung der EEG-Kosten mit ein).
Die zunehmende Erzeugung aus erneuerbaren Energien sowie der wachsende Anteil der dezentralen Erzeugung verändern den Strommarkt. Die Basisannahme der vermiedenen Netzentgelte trifft damit nicht mehr uneingeschränkt zu. Die dezentral erzeugte, zunehmend fluktuierende Energie wird wie der Strom aus den überregionalen Kraftwerken börsenorientiert vermarktet. Die dezentrale Erzeugung wird mithin immer weniger erzeugungsnah verbraucht. Sie wird vielmehr im Wege der Rückspeisung in die vorgelagerten Netzebenen in den Markt gebracht.
Regional unterschiedlich verteilte Zusatzkosten sind abzubauen
Die Zahlungen aus vermiedenen Netzentgelten sind ausweislich der Gesetzesbegründung von ca. einer Milliarde Euro in 2011 auf rund zwei Milliarden in 2015 gestiegen. Die Kosten verteilen sich zu 50% auf Anlagen mit EEG-Förderung und zu 40% auf KWK-Anlagen. Der Anteil der Zahlungen aus vermiedenen Netzentgelten an den gesamten Netzkosten beträgt mittlerweile im Bundesdurchschnitt über 10%. Dabei variiert die Kostenbelastung regional. In Netzen mit geringer Abnahmedichte und gleichzeitig hohem Anteil dezentraler Einspeisung ist die Kostenbelastung der Netznutzer relativ am höchsten.
Weiterhin führt die Berechnungslogik der vermiedenen Netzentgelte laut Gesetzesbegründung zu Fehlanreizen bei der Standortwahl für dezentrale Erzeugungsanlagen. Denn sie basiert auf den Netzentgelten der vorgelagerten Netzstufen. Je höher diese sind desto mehr steigen die vermiedenen Netzentgelte.
Schrittweise Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte durch das Gesetz zur Modernisierung der Struktur der Netzentgelte
Der jetzt verabschiedete Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Struktur der Netzentgelte soll die Systematik der Entgelte an die fortschreitende Entwicklung des Strommarktes durch die zunehmende dezentrale Einspeisung anpassen und fehlerhafte Anreize beseitigen.
Kernpunkt des Entwurfs ist die Neuregelung in § 120 EnWG, die das Auslaufen der vermiedenen Netzentgelte vorsieht. Der Migrationspfad umfasst mehrere Prozessschritte:
- Abschaffung für Neuanlagen: § 120 Abs. 1 EnWG verbietet die vermiedenen Netzentgelte für alle Neuanlagen mit volatiler Erzeugung, die ab dem 1. Januar 2018 in Betrieb genommen werden. Für alle anderen dezentralen Erzeugungsanlagen gilt dies bei einer Inbetriebnahme ab dem 1. Januar 2021.
- Gestuftes Auslaufen bei Bestandsanlagen: § 120 Abs. 3 EnWG sieht vor, dass bei Bestandsanlagen die vermiedenen Netzentgelte schrittweise abgebaut werden. Nach dem ebenfalls neu eingefügten § 18 Abs. 5 StromNEV beginnt der Abschmelzungspfad am 1. Januar 2018 (volatile Erzeugungsanlagen) bzw. 1. Januar 2021 (sonstige Anlagen). Er beträgt mindestens 10% jährlich. Bei Bestandsanlagen dürfen vermiedene Netzentgelte nicht mehr gezahlt werden ab dem 1. Januar 2027 (für volatile Erzeugungsanlagen) bzw. 1. Januar 2030 (für sonstige Anlagen). Das gestufte Auslaufen soll dem abnehmenden Beitrag der dezentralen Erzeugung zur Verringerung der Netzkosten Rechnung tragen.
- Wechsel der Netzebene: Eine Erzeugungsanlage, die am 31. Dezember 2015 ausschließlich an das Höchstspannungsnetz angeschlossen war, erhält gem. § 120 Abs. 2 EnWG ab dem Inkrafttreten des NeMoG keine vermiedenen Netzentgelte, wenn sie nach dem 31. Dezember 2015 an eine nachgelagerte Netzebene angeschlossen wurde. Damit soll eine Optimierung durch den Wechsel der Netzebene ausgeschlossen werden.
- Einfrieren der Berechnungsgrundlage: § 120 Abs. 4 EnWG schreibt die am 31. Dezember 2015 geltenden Netzentgelte der jeweils vorgelagerten Netzebene als Kalkulationsgrundlage für vermiedene Netzentgelte fest. Diese Obergrenze gilt rückwirkend zum 1. Januar 2017. Das Einfrieren soll verhindern, dass nach dem 31. Dezember 2015 erfolgte Netzentgelterhöhungen zu entsprechend höheren Zahlungen aus vermiedenen Netzentgelten führen.
- Reduzierung der Berechnungsgrundlage: Bei der Ermittlung der Obergrenze sind gem. § 120 Abs. 5 EnWG ab dem 1. Januar 2018 zusätzlich bestimmte Kostenbestandteile von den Erlösobergrenzen der Übertragungsnetzbetreiber abzuziehen. Es handelt sich hierbei um die Offshore-Anbindungskosten nach § 17 d Abs. 7 EnWG und um die Kosten für die Erdverkabelung gem. § 2 Abs. 5 Energieleitungsausbaugesetz. Diese Kostenbestandteile sind nach der Gesetzesbegründung auszunehmen, da sie nicht durch dezentrale Einspeisung vermieden werden können.
Verbände befürchten Schwächung der KWK durch Gesetz zur Modernisierung der Struktur der Netzentgelte
Große Versorger-/Industrieverbände haben in den Anhörungen eine Schwächung der Kraft-Wärme-Kopplung beklagt. Aus ihrer Sicht ist zwischen volatilen EE-Anlagen und steuerbaren Anlagen zu unterscheiden. Bei steuerbaren dezentralen Anlagen komme es tatsächlich zu einer verminderten Netznutzung. Sie hätten mithin eine entlastende Wirkung auf Netzbetrieb und -ausbau. Ihre Netzdienlichkeit müsse dementsprechend durch vermiedene Netzentgelte vergütet werden. Die Vergütung für volatile EE-Anlagen sei dagegen zu streichen. Vereinzelt wird eingewandt, dass die Gleichbehandlung der volatilen und der steuerbaren Anlagen im geltenden Recht gegen Art. 3 GG verstoße.
Die Streichung der vermiedenen Netzentgelte führe auch zu erheblichen Erlöseinbußen insbesondere bei bestehenden KWK-Anlagen. Die Förderung durch das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz 2016 zur Sicherung des Anlagenbestandes werde bei Umsetzung des NeMoG praktisch aufgezehrt. Damit werde die Wirtschaftlichkeit der KWK in Frage gestellt. Dasselbe gelte für Pumpspeicher- und Laufwasserkraftwerke.
Kritisch kommentiert wird auch die Regelung, wonach die am 31. Dezember 2015 ausschließlich an das Höchstspannungsnetz angeschlossenen Anlagen keine vermiedenen Netzentgelte mehr erhalten, wenn sie nach dem 31. Dezember 2015 an eine nachgelagerte Netzebene angeschlossen wurden. Dies stelle einen Eingriff in eine bestehende Rechtsposition dar. Teilweise wird hierin ein Verstoß gegen das grundgesetzlich gewährleistete Rückwirkungsverbot gesehen.
Keine bundesweite Vereinheitlichung der Netzentgelte
Ursprünglich war angedacht, dass das Gesetz zur Modernisierung der Struktur der Netzentgelte auch eine bundesweite Vereinheitlichung der Stromnetzentgelte ermöglichen sollte. Hintergrund ist das Auseinanderlaufen der Netzentgelte der vier Übertragungsnetzbetreiber Tennet, Amprion, 50Hertz und TransnetBW auf Grund des regional unterschiedlichen Ausbaus der erneuerbaren Energien. Dies führt in einigen Bundesländern zu höheren Netzkosten und damit zu einer Benachteiligung der Netzkunden. Während diese Länder von einer Vereinheitlichung der Netzentgelte profitieren würden, wären Bundesländer mit niedrigen Netzkosten dadurch eher negativ betroffen.
In den Anhörungen zum Gesetzentwurf kam es jedoch – vor diesem Hintergrund wenig überraschend – zu keiner Annäherung zwischen den gegensätzlichen Auffassungen der Länder. Das Bundeswirtschaftsministerium hat daraufhin die vorgesehene Verordnungsermächtigung zur Vereinheitlichung der Netzentgelte aus dem Referentenentwurf des NeMoG gestrichen.
Thüringen und Schleswig-Holstein haben daraufhin im Bundesrat einen Antrag zur Vereinheitlichung der Netzentgelte eingebracht. Es gelte, im Rahmen der Energiewende eine faire Lastenverteilung zu erreichen. § 24 EnWG soll um eine Verordnungsermächtigung ergänzt werden. Danach sollen die Entgelte für den Zugang zu den Übertragungsnetzen zwar nach wie vor getrennt für jeden Netzbetreiber bestimmt werden. Die Höhe der Netzentgelte soll jedoch auf dieser Basis bundeseinheitlich bestimmt werden. Die daraus resultierenden Mehr- oder Mindererlöse der Netzbetreiber sollen schließlich durch eine finanzielle Verrechnung zwischen ihnen ausgeglichen werden.
Der Bundesrat wird sich im Laufe des März 2017 mit dem Gesetzentwurf zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur befassen und eine Stellungnahme beschließen.