Entschlackung der Einberufung von Hauptversammlungen börsennotierter Gesellschaften und ein weiterer Schritt zur Digitalisierung im Aktienrecht durch das BEG IV.
Die Bundesregierung hat am 19. Juni 2024 eine vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) vorgelegte Formulierungshilfezur Ergänzung des Regierungsentwurfs für das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) beschlossen. Mit diesem werden weitere Maßnahmen zum Abbau überflüssiger Bürokratie für das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz vorgeschlagen, darunter auch Neuerungen zur Entlastung von Aktiengesellschaften. Über das BEG IV wird derzeit im Deutschen Bundestag beraten.
Entschlackung der HV-Einberufung börsennotierter Gesellschaften – Internetveröffentlichung statt Bundesanzeigerbekanntmachung von Vergütungsunterlagen
Mit dem BEG IV sollen börsennotierte Gesellschaften bei der Einberufung ihrer Hauptversammlungen entlastet werden:
Für Hauptversammlungsbeschlüsse über das Vergütungssystem für die Vorstandsmitglieder (§ 120a Abs. 1 AktG), die Vergütung des Aufsichtsrats nach § 113 Abs. 3 AktG (mit Ausnahme einer damit verbundenen Satzungsänderung) oder den Vergütungsbericht (§ 120a Abs. 4 AktG) soll es künftig ausreichen, wenn die Unterlagen zu den jeweiligen Beschlussgegenständen im Rahmen der Einberufung der Hauptversammlung allein auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich gemacht werden; die derzeit geltende Pflicht zur Bekanntmachung der Vergütungsunterlagen (Vergütungssystem, Vergütungsbericht) im Bundesanzeiger – als Bestandteil der HV-Einberufung – soll entfallen. Gleiches soll auch künftig für den Vergütungsbericht von börsennotierten kleinen und mittelgroßen Gesellschaften (KMUs) gelten, wenn dieser gemäß § 120a Abs. 5 AktG als eigener Tagesordnungspunkt in der Hauptversammlung zur Erörterung vorlegt wird. Im Falle eines (einheitlichen) Hauptversammlungsbeschlusses nach § 113 Abs. 3 AktG über das (abstrakte) Vergütungssystem und die (konkrete) Festsetzung der Aufsichtsratsvergütung in der Satzung bleibt es hingegen dabei, dass der Wortlaut der Satzungsänderung (auch) im Bundesanzeiger bekanntzumachen ist, und zwar dann neben der Zugänglichmachung der Vergütungsunterlage auf der Internetseite der Gesellschaft.
Die entsprechende Änderung der aktienrechtlichen Vorschriften (§§ 124, 124a AktG) durch das BEG IV würde in der Praxis bei börsennotierten Gesellschaften zu einer deutlichen Reduzierung des Umfangs der Einberufungsbekanntmachung im Bundesanzeiger führen, ohne dass damit ein Informationsdefizit für die Aktionäre verbunden wäre.
Der Zeit-, und insbesondere der Kostenaufwand für die Vorbereitung der HV-Einberufung würde sich verringern. Auch die in der Praxis nicht selten zu beobachtenden (Übertragungs-)Fehler bei der Bundesanzeigerbekanntmachung von Vergütungsunterlagen, etwa bei vergütungsbezogenen Grafiken oder Schaubildern, die in aller Regel Anlass zu einer entsprechenden Berichtigung oder Korrektur der HV-Einberufung im Bundesanzeiger geben, würden nicht mehr auftreten.
Weitere Digitalisierung im Aktienrecht – Beteiligungsmitteilungen in Text- statt in Schriftform
Ein Unternehmen, das mehr als 25 % des Kapitals einer nichtbörsennotierten Aktiengesellschaft hält oder über die Kapital- bzw. Stimmrechtsmehrheit verfügt, ist verpflichtet, dies der Aktiengesellschaft mitzuteilen; nach geltendem Recht hat die Mitteilung schriftlich zu erfolgen (vgl. § 20 Abs. 1 bzw. Abs. 4 AktG). Durch das BEG IV soll das Schriftformerfordernis künftig auf die Textform herabgestuft werden, um insbesondere auch Mitteilungen per E-Mail zu ermöglichen. Da Aktiengesellschaften bereits de lege lata verpflichtet sind, entsprechende Mitteilungen digital über die Veröffentlichungsplattform des Bundesanzeigers bekanntzumachen, könnte der Mitteilungs- und Veröffentlichungsprozess künftig vollständig auf digitalem Wege erfolgen. Gleiches soll nach dem BEG IV künftig auch für die Mitteilung und Veröffentlichung einer wesentlichen Beteilung gelten, die einer Aktiengesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland gehört (vgl. § 21 AktG).
Zusätzliche Erleichterung bei der Bundesanzeigerbekanntmachung von HV-pflichtigen Verträgen noch wünschenswert
Es wäre wünschenswert, dass der Gesetzgeber im Zuge der geplanten Gesetzesänderung noch die Bundesanzeigerbekanntmachung von hauptversammlungspflichtigen Verträgen erleichtert, indem der neue Wortlaut des § 124 Abs. 2 Satz 3 AktG i.d.F. des BEG IV noch um das Wort „zumindest“ wie folgt ergänzt wird:
Soll die Hauptversammlung über eine Satzungsänderung oder über einen Vertrag beschließen, der nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam wird, so ist bei einer Satzungsänderung der Wortlaut der Satzungsänderung und bei einem vorbezeichneten Vertrag zumindest dessen wesentlicher Inhalt bekanntzumachen.
Denn mit einer solchen Gesetzesänderung würde die Rechtsunsicherheit beseitigt, ob die bloße Wiedergabe des vollständigen Wortlauts des Vertrags bzw. Vertragsentwurfs (z.B. eines Ergebnisabführungsvertrags) dem Erfordernis des § 124 Abs. 2 S. 3 AktG genügt, wonach der wesentliche Inhalt bekanntzumachen ist. Die Auffassung, die eine bloße Wiedergabe des Vertragstextes nicht als ausreichend erachtet, sieht den Zweck der Angabe des wesentlichen Inhalts darin, dem Aktionär die Entscheidung zu überlassen, ob er den zugänglich zu machenden Vertragstext einsehen oder von der Einsichtnahme absehen möchte. Die Aktionäre müssten entscheiden können, ob sie den (gesamten) Vertragstext lesen wollen, und sie müssten darüber informiert werden, was die Verwaltung selbst als wesentlichen Regelungsgehalt ansieht.
Ein derart weitreichendes Informationsbedürfnis der Aktionäre, das einem Anspruch auf Zusammenfassung des wesentlichen Vertragsinhalts gleichkäme, ist jedoch nach hier vertretener Auffassung nicht zu rechtfertigen, zumal es den Aktionären unbenommen bleibt, den Vorstand in der Hauptversammlung zu fragen, welche Regelungen des Vertrages er als wesentlich erachtet.
Um den Unternehmen in der Praxis die einfache (1:1) Wiedergabe des Vertrags im Rahmen der Bundesanzeigerbekanntmachung rechtssicher zu ermöglichen, wäre die oben vorgeschlagene Ergänzung des § 124 Abs. 2 S. 3 AktG i.d.F. des BEG IV zu begrüßen. Ein Informationsdefizit für die Aktionäre wäre damit nicht verbunden.
Inkrafttreten des BEG IV voraussichtlich noch in 2024
Das BEG IV wird derzeit im Deutschen Bundestag beraten. Ob das Gesetz noch vor der parlamentarischen Sommerpause Anfang Juli 2024 verabschiedet werden kann, erscheint eher fraglich.
Sollte das BEG IV nach der Sommerpause im September 2024 verabschiedet und verkündet werden, würden die aktienrechtlichen Neuerungen noch in diesem Jahr in Kraft treten: Nach den Übergangsvorschriften wären die Beteiligungsmitteilungen dann ab dem 1. Oktober 2024 in Textform möglich (Inkrafttreten am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Quartals) und die Erleichterungen bei der Einberufung von Hauptversammlungen börsennotierter Gesellschaften mit Say-on-Pay-Beschlüssen würden erstmals für Hauptversammlungen gelten, die ab dem 1. Dezember 2024 einberufen werden.