31. August 2012
Sondermann hatte seine Ich-AG glücklicherweise selbst gemanagt
Aktienrecht

Darf’s ein bisschen mehr sein? Zur Finanzierung bei Übernahmen börsennotierter Unternehmen

Bei der Übernahme börsennotierter Unternehmen setzt das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) einen engen Rechtsrahmen mit detaillierten Vorgaben, die der Bieter bei der Planung und Durchführung der einzelnen Transaktionsschritte zu beachten hat. So ist er verpflichtet, bereits vor Veröffentlichung seines Übernahmeangebots sicherzustellen, dass er über ausreichend liquide Mittel verfügt, um sein Angebot bei Fälligkeit vollständig erfüllen zu können. Dies führt regelmäßig dazu, dass der Bieter eine Finanzierung bereitstellen muss, die mehr Mittel umfasst, als er tatsächlich benötigt.

Die Finanzierung ist an der „vollständigen Erfüllung des Angebots“ auszurichten. Dies wirft die Frage auf, welche Aktien von einem Übernahmeangebot erfasst sein müssen. Grundsätzlich gilt die Vollangebotspflicht: Das Angebot muss sich auf alle Aktien beziehen, die nicht vom Bieter gehalten werden. Auf diese Weise soll allen außenstehenden Aktionären mit Blick auf den bevorstehenden oder bereits erfolgten Kontrollwechsel der Ausstieg aus der Zielgesellschaft ermöglicht werden. Hält der Bieter selbst keine Aktien, muss die Finanzierung also den Kauf von 100 Prozent der Anteile abdecken. In der Praxis ist eine solche Annahmequote bei börsennotierten Unternehmen mit tausenden Aktionären in Dutzenden von Ländern ausgeschlossen. Aus Sicht des Bieters ist diese finanzielle Belastung umso ärgerlicher, wenn er von vornherein weiß, dass bestimmte Aktionäre das Angebot nicht annehmen werden, z.B. weil sie kein Verkaufsinteresse haben, mit ihm zusammenwirken oder sogar zum selben Konzern gehören. Die übrigen Aktionäre werden durch die Einbeziehung dieser Aktien freilich geschützt: Würden ihre Inhaber das Angebot wider Erwarten doch annehmen, wäre die – dementsprechend zu niedrig kalkulierte – Finanzierung gefährdet.

Eine Ausnahme gilt für Aktien, die von einem Tochterunternehmen des Bieters in der Rechtsform der GmbH gehalten werden. In dem Fall kann er per Weisung sicherstellen, dass sein Angebot nicht angenommen wird. Anders bei einer Aktiengesellschaft: Deren Vorstand ist grundsätzlich nicht an Weisungen Dritter gebunden, nicht einmal die des Aufsichtsrats oder Mehrheitsaktionärs.

Inzwischen akzeptiert die  Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als zuständige Aufsichtsbehörde eine weitere Ausnahme: Der betreffende Aktionär muss sich gegen Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichten, das Angebot nicht anzunehmen (sog. Nichtandienungsverpflichtung). Tut er dies dennoch, ist zusätzlich sicherzustellen, dass sein Anspruch auf den Kaufpreis möglichst vollständig zum Erlöschen gebracht werden kann, z.B. indem der Bieter mit seiner Forderung auf Zahlung der Vertragsstrafe aufrechnet – in diesem Fall würde kein Kaufpreis fließen.

Welche Bedeutung das haben kann, zeigt folgendes Beispiel: Mit der Stimmrechtsmehrheit bei VW hatte Porsche mittelbar auch die Kontrolle über Audi erworben, deren Aktien zu 99 Prozent VW gehören. Porsche musste den Audi-Aktionären daher anbieten, ihre Aktien zu kaufen. VW verpflichtete sich, das Angebot nicht anzunehmen. Obwohl keine Vertragsstrafe vereinbart war, erlaubte es die BaFin in diesem Sonderfall, die von VW gehaltenen Aktien bei der Finanzierung auszuklammern. Porsche musste liquide Mittel in Höhe von 123 Millionen Euro bereitstellen. Ohne die Ausnahme wären es 21 Milliarden gewesen.

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