16. März 2023
Aktienrecht

Das erweiterte Auskunftsrecht in der virtuellen HV-Praxis

Was es bei der (technischen) Ausgestaltung des erweiterten Auskunftsrechts in rechtlicher und praktischer Hinsicht zu berücksichtigen gilt

Mit dem Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften vom 20. Juli 2022, das am 27. Juli 2022 in Kraft trat, wurde die virtuelle Hauptversammlung (HV) im Aktiengesetz (AktG) verankert. Die (neue) virtuelle Hauptversammlung nach § 118a AktG bringt zahlreiche rechtliche und technische Herausforderungen mit sich, mit denen nun praxistauglich umzugehen ist. Dazu zählt auch die sichere und praktikable Ausgestaltung des Rechts eines jeden Aktionärs*, auf sein Verlangen in der Hauptversammlung die Auskunft zu erhalten, die einem anderen Aktionär wegen seiner Aktionärseigenschaft außerhalb der Hauptversammlung gegeben worden ist (sog. erweitertes Auskunftsrecht oder Nachauskunftsverlangen nach § 131 Abs. 4 AktG).

Dieser Beitrag beleuchtet die rechtlichen Anforderungen an die (technische) Ausgestaltung des erweiterten Auskunftsrechts in der virtuellen Hauptversammlung. Im Zentrum steht die Frage, ob das erweiterte Auskunftsrecht ausschließlich im Wege der Videokommunikation eingeräumt werden kann oder ob es stattdessen erforderlich oder jedenfalls zweckmäßig ist, im HV-Portal ein Texteingabefeld vorzusehen, über welches das erweiterte Auskunftsrecht auch nach dem Ende der Generaldebatte noch ausgeübt werden kann.

I. Das erweiterte Auskunftsrecht in der virtuellen HV

Die Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung setzt u.a. voraus, dass den Aktionären ein Auskunftsrecht nach § 131 AktG im Wege elektronischer Kommunikation eingeräumt wird (vgl. § 118a Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG). Neben dem allgemeinen Auskunftsrecht betreffend Angelegenheiten der Gesellschaft, die zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich sind (vgl. § 131 Abs. 1 S. 1 AktG), steht jedem elektronisch zur virtuellen Hauptversammlung zugeschalteten Aktionär auch ein erweitertes Auskunftsrecht gem. § 131 Abs. 4 S. 1 und 2 AktG zu:

Ist einem Aktionär wegen seiner Eigenschaft als Aktionär eine Auskunft außerhalb der Hauptversammlung gegeben worden, so ist sie jedem anderen Aktionär auf dessen Verlangen in der Hauptversammlung zu geben, auch wenn sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung nicht erforderlich ist. Im Fall der virtuellen Hauptversammlung ist zu gewährleisten, dass jeder elektronisch zu der Versammlung zugeschaltete Aktionär sein Verlangen nach Satz 1 im Wege der elektronischen Kommunikation übermitteln kann.

Die Vorschrift ist Ausfluss des Grundsatzes der gleichmäßigen Behandlung der Aktionäre nach § 53a AktG. Mit ihr soll ein durch Auskünfte an einzelne Aktionäre außerhalb der Hauptversammlung geschaffenes Informationsgefälle ausgeglichen werden.

II. Gestaltungsmöglichkeiten des erweiterten Auskunftsrechts in der virtuellen HV

Bei dem neuen virtuellen HV-Format stellt sich die Frage, ob (1) das erweiterte Auskunftsrecht gem. § 131 Abs. 4 AktG ausschließlich im Wege der Videokommunikation und – im Gleichlauf mit dem allgemeinen Auskunftsrecht nach § 131 Abs. 1 AktG – (lediglich) bis zum Ende der Generaldebatte gewährt werden kann oder (2) ob hierfür im HV-Portal ein Texteingabefeld vorgesehen werden sollte, über welches das erweiterte Auskunftsrecht auch noch nach dem Ende der Generaldebatte ausgeübt werden kann.

In der noch jungen Praxis der neuen virtuellen Hauptversammlung sind bislang beide Gestaltungsvarianten gleichermaßen anzutreffen.

III. Bestehen Rechtsrisiken bei einer auf die Videokommunikation beschränkten Ausgestaltung des erweiterten Auskunftsrechts?

Wird das erweiterte Auskunftsrecht in der virtuellen Hauptversammlung ausschließlich im Wege der Videokommunikation eingeräumt, führt dies mangels eindeutiger gesetzlicher Regelung zu mehreren Rechtsfragen und möglicherweise sogar zu einer gewissen Rechtsunsicherheit.

1. Kann das erweiterte Auskunftsrecht ausschließlich im Wege der Videokommunikation eingeräumt werden? Wer ist für diese Entscheidung zuständig?

Das erweiterte Auskunftsrecht, das in der virtuellen Hauptversammlung im Wege der elektronischen Kommunikation ausübbar sein muss (vgl. § 131 Abs. 4 S. 2 AktG), kann auch (ggf. ausschließlich) im Wege der Videokommunikation eingeräumt werden. „Elektronische Kommunikation“ umfasst neben textbasierten (Übermittlungs-)Formen wie z.B. einer E-Mail oder einem Texteingabefeld im HV-Portal auch die Videokommunikation.

Die Entscheidung über die Konzentration des erweiterten Auskunftsrechts auf Redebeiträge im Rahmen der Videokommunikation trifft im Vorfeld der Hauptversammlung allein der Vorstand, dem auch die konkrete Ausgestaltung der virtuellen Hauptversammlung mit den zu erfüllenden Voraussetzungen nach § 118a AktG obliegt. Eine mögliche Sperrwirkung aus § 131 Abs. 1f AktG in dem Sinne, dass nur dem Versammlungsleiter eine solche Konzentrationsentscheidung vorbehalten bliebe, scheidet u.E. aus: § 131 Abs. 1f AktG ist auf das erweiterte Auskunftsrecht nach § 131 Abs. 4 AktG weder direkt noch analog anwendbar (s.u.) und zudem wäre die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass der Versammlungsleiter (nur) bei mehreren in der Hauptversammlung zur Verfügung stehenden elektronischen Kommunikationswegen (z.B. Texteingabefeld im HV-Portal und Videokommunikation) eine Beschränkung auf die Videokommunikation festlegen kann. Gleichwohl kann aus Vorsichtsgründen auch der Versammlungsleiter zusätzlich bzw. bestätigend festlegen, dass das erweiterte Auskunftsrecht in der Hauptversammlung ausschließlich im Wege der Videokommunikation ausgeübt werden darf.

2. Kann die Ausübbarkeit des erweiterten Auskunftsrechts auf den Zeitraum der Generaldebatte beschränkt sein oder muss es auch noch nach der Generaldebatte ausgeübt werden können?

Durch die Vorgabe der (ausschließlichen) Videokommunikation wird das erweiterte Auskunftsrecht an die Situation in der Präsenzhauptversammlung angeglichen und entsprechend dem dort geltenden Mündlichkeitsgrundsatz nachgebildet:

In der Präsenzhauptversammlung, die dem Gesetzgeber als Maßstab für die Ausgestaltung der Rechtewahrnehmung der Aktionäre in der virtuellen Hauptversammlung – unter Berücksichtigung der Besonderheiten elektronischer Kommunikation – diente, ist die Generaldebatte das Forum, in dem die Aktionäre vom Versammlungsleiter aufgerufen sind, ihre Redebeiträge, Fragen und Anträge im Rahmen einer Wortmeldung zu stellen. Mit der Anordnung des Versammlungsleiters, die genannten Aktionärsrechte im Rahmen einer Wortmeldung auszuüben, wird zugleich klargestellt, dass ihre Ausübung grds. nur während der Generaldebatte erfolgen kann. Gleichwohl muss es Aktionären noch möglich sein, auch nach dem Ende der Generaldebatte Anträge zu stellen, über deren gesonderte Zulassung der Versammlungsleiter nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat. Zu denken ist etwa an einen Antrag auf Abwahl des Versammlungsleiters, wenn diesem nach dem Ende der Generaldebatte ein gravierender Leitungsfehler unterläuft, der einen wichtigen Grund für dessen Abwahl darstellen kann. Darüber hinaus gibt es auch bestimmte Aktionärsrechte, die ebenfalls noch nach dem Ende der Generaldebatte ausübbar sein müssen, wie z.B. das Verlangen auf Protokollierung (vermeintlich) nicht oder unzureichend beantworteter Fragen oder der Widerspruch gegen Hauptversammlungsbeschlüsse.

Im Hinblick auf das erweiterte Auskunftsrecht gibt es in der Präsenzhauptversammlung jedoch grds. keine Veranlassung, dieses auch noch nach dem Ende der Generaldebatte zuzulassen: Bevor der Versammlungsleiter zu den Abstimmungen übergeht bzw. förmlich die Generaldebatte schließt, wird er noch fragen, ob alle gestellten Fragen beantwortet sind oder erneut das Wort gewünscht wird. Soweit daraufhin vor der Schließung der Generaldebatte kein Auskunftsverlangen nach § 131 Abs. 4 AktG mehr gestellt wird, braucht es auch später nicht mehr berücksichtigt zu werden; die Rüge einer diesbezüglichen Auskunftspflichtverletzung wird – nach hier vertretener Auffassung entsprechend der h.M. zum allgemeinen Auskunftsrecht nach § 131 Abs. 1 AktG (Rechtsprechung und Literatur haben sich mit dieser Frage im Kontext von § 131 Abs. 4 AktG noch nicht befasst) – durch das Schweigen auf die Frage des Versammlungsleiters verwirkt. Für den Fall der vorgelagerten Schließung der Rednerliste wird der Versammlungsleiter darauf achten müssen, dass er sie mit angemessenem Vorlauf ankündigt und Wortmeldungen von Aktionären mit angekündigten Anträgen oder Nachauskunftsverlangen nach § 131 Abs. 4 AktG noch (vorrangig) berücksichtigt.

Bei einer virtuellen Hauptversammlung, die der Präsenzhauptversammlung durch Vorgabe der Videokommunikation entsprechend nachgebildet wird, ist es daher aus Rechtsgründen nicht zwingend erforderlich, dass das erweiterte Auskunftsrecht gem. § 131 Abs. 4 AktG auch noch nach dem Ende der Generaldebatte ausgeübt werden kann.

IV. Konzentration des erweiterten Auskunftsrechts auf den Übermittlungsweg per Texteingabefeld im HV-Portal zu empfehlen

Gleichwohl empfiehlt es sich insbesondere aus Zweckmäßigkeitsgründen, das erweiterte Auskunftsrecht auf den Übermittlungsweg per Texteingabefeld im HV-Portal zu konzentrieren; dieser Übermittlungsweg ist in der Praxis ohnehin bereits für das Protokollierungsverlangen nach § 131 Abs. 5 AktG und das Widerspruchsrecht gem. § 118a Abs. 1 S. 2 Nr. 8 AktG vorgesehen.

Erstens bietet sich die Übermittlung des Nachauskunftsverlangens in Textform schon aufgrund der strengen Anforderungen an die Konkretisierungspflicht bzw. Darlegungslast des Aktionärs an. Die wohl überwiegende Meinung in der Literatur verlangt jedenfalls in groben Zügen eine Darlegung, dass und mit welchem ungefähren Inhalt eine Informationserteilung im Vorfeld der Hauptversammlung an einen anderen Aktionär stattgefunden hat. Die Rechtsprechung ist noch strenger und verlangt für das entsprechende Auskunftsbegehren, dass ein bestimmter Informationsvorgang außerhalb der Hauptversammlung an einen Aktionär dargelegt wird, teils sogar, welchem Aktionär namentlich außerhalb der Hauptversammlung die Auskunft erteilt wurde. Die Möglichkeit zur Ausübung des erweiterten Auskunftsrechts per Textform erleichtert dem Aktionär die konkrete Darlegung und dem Vorstand die Prüfung des Auskunftsverlangens. Falls das Nachauskunftsverlangen im Rahmen eines Redebeitrags per Videokommunikation gestellt und dabei – wie in der Praxis häufig – nicht hinreichend dargelegt wird, sollte bei der Verweisung des Aktionärs auf den richtigen Übermittlungsweg per Texteingabefeld im HV-Portal auch gleich auf die besonderen Anforderungen an die Darlegung hingewiesen werden.

Zweitens läuft der Versammlungsleiter nicht Gefahr, das erweiterte Auskunftsrecht bei einer von ihm angeordneten Rede- und Fragezeitbeschränkung im Rahmen des betreffenden Videokommunikationsbeitrags nicht herauszurechnen. Denn nach hier vertretener Einschätzung ist das erweiterte Auskunftsrecht durch den Versammlungsleiter nach § 131 Abs. 2 S. 2 AktG in zeitlicher Hinsicht nicht beschränkbar (s.u.); Rechtsprechung und Literatur gibt es zu dieser Frage bislang nicht.

Drittens kann das erweiterte Auskunftsrecht, das keinen Bezug zur Tagesordnung haben muss (vgl. § 131 Abs. 4 S. 1 AktG), ohne Weiteres auch noch nach dem Ende der Generaldebatte per Textübermittlung über das HV-Portal zugelassen werden, sodass die obengenannte ungeklärte Rechtsfrage einer Verwirkung durch Nichtstellen des Auskunftsverlangens trotz (letztmaliger) Aufforderung des Versammlungsleiters vor Schließung der Generaldebatte dahinstehen kann. Wird ein entsprechendes Auskunftsverlangen nach dem Ende der Generaldebatte gestellt, muss diese deshalb nicht wieder eröffnet werden. In einem solchen Fall sollte zunächst über die Beschlussgegenstände der Tagesordnung abgestimmt und anschließend der Antrag vor der Schließung der Hauptversammlung behandelt werden – dann ist allseits klar, dass aus dem späten Nachauskunftsverlangen keine weiteren Fragen abgeleitet werden können.

Auch wenn das erweiterte Auskunftsrecht in der Praxis nur in seltenen Fällen greift – insbesondere vor dem Hintergrund der weithin gelebten informellen Gleichbehandlung der Aktionäre (vgl. „Fair Disclosure“-Empfehlung F.1, DCGK 2022) – gilt es für dessen Ausübung in der virtuellen Hauptversammlung eine rechtssichere und praktikable Gestaltung vorzusehen.

V. Hintergrundinfo – Rechtlicher Hintergrund: § 131 Abs. 1f AktG ist auf das erweiterte Auskunftsrecht nach § 131 Abs. 4 AktG weder direkt noch analog anwendbar

Die Vorschrift des § 131 Abs. 1f AktG, die dem Versammlungsleiter eine Beschränkung auf die Videokommunikation gestattet, nennt nur „das Auskunftsrecht nach [§ 131] Absatz 1, das Nachfragerecht nach [§ 131] Absatz 1d und das Fragerecht nach [§ 131] Absatz 1e“, nicht jedoch das erweiterte Auskunftsrecht nach § 131 Abs. 4 AktG. Gleiches gilt auch für die Gesetzesbegründung zu § 131 Abs. 1f AktG, die zwar eingangs zunächst vom „Auskunftsrecht nach § 131 [AktG]“ und vom „Auskunftsrecht insgesamt“ spricht, dann aber spezifizierend (allein) auf Auskunftsbegehren nach § 131 Abs. 1 AktG, Nachfragen nach § 131 Abs. 1d AktG sowie Fragen nach § 131 Abs. 1e AktG abstellt (vgl. RegBegr. BT-Drs. 20/1738, 35). Darüber hinaus bieten die Gesetzesmaterialien keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Nichterwähnung des erweiterten Auskunftsrechts in § 131 Abs. 1f AktG um ein Redaktionsversehen handeln könnte.

Noch ungeklärt ist, ob es dem Versammlungsleiter aufgrund einer analogen Anwendung von § 131 Abs. 1f AktG auf § 131 Abs. 4 AktG gestattet ist, das erweiterte Auskunftsrecht ausschließlich auf den Weg der Videokommunikation zu beschränken. Die (bislang) wenigen Stimmen in der Literatur, die sich mit dieser Analogiefrage befassen, sprechen sich dafür aus (Koch, in: Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 131 Rn. 108; tendenziell Troidl/Richter, AG 2023, 150, 158). Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Analogie ist aber fraglich: Zum einen fällt es schon schwer, eine planwidrige Regelungslücke zu bejahen, wenn der Gesetzgeber mit § 131 Abs. 4 S. 2 AktG gesehen hat, dass auch das erweiterte Auskunftsrecht für den Fall der virtuellen Hauptversammlung speziell geregelt werden muss. Zum anderen scheinen die in § 131 Abs. 1f und Abs. 4 AktG geregelten Interessenlagen nicht zwingend vergleichbar zu sein. Für den mit § 131 Abs. 1f AktG verfolgten Zweck, dass der Versammlungsleiter den ordnungsgemäßen Ablauf der Hauptversammlung durch Konzentration der Fragenstellung nach § 131 Abs. 1, 1d oder 1e AktG auf einen einheitlichen (Video-)Kommunikationsweg (situativ) beherrschbarer machen kann, besteht bei (Nach-)Auskunftsverlangen nach § 131 Abs. 4 AktG keine Notwendigkeit. Eine Flut von zu beantwortenden Fragen droht beim erweiterten Auskunftsrecht gerade nicht; vielmehr ist dessen praktische Bedeutung äußerst gering, da die Voraussetzungen des § 131 Abs. 4 AktG nur selten hinreichend dargelegt werden können (u.a. Darlegung konkreter Anhaltspunkte für die Informationserteilung und den Informationsinhalt, teils wird zusätzlich auch die Benennung des Auskunftsempfängers verlangt).

Hintergrundinfo – Rechtlicher Hintergrund: erweiterte Auskunftsrecht durch den Versammlungsleiter nach § 131 Abs. 2 S. 2 AktG in zeitlicher Hinsicht nicht beschränkbar

Aufgrund der systematischen Stellung und des Wortlauts dieser Vorschrift ist nicht eindeutig, ob die Beschränkungsmöglichkeit gem. § 131 Abs. 2 S. 2 AktG das erweiterte Auskunftsrecht nach § 131 Abs. 4 AktG umfasst. Nach der Gesetzesbegründung zu § 131 Abs. 2 AktG wird nur auf den „allgemeinen Auskunftsanspruch“ aus § 131 Abs. 1 S. 1 AktG Bezug genommen, dessen Qualifizierung für „andere gesetzliche individuelle Auskunftsansprüche des Aktionärs, wie sie beispielsweise in den §§ 131 Abs. 1 Satz 4, 293g Abs. 3, 319 Abs. 3 Satz 4, 320 Abs. 4 Satz 3, 326 AktG, § 64 Abs. 2 UmwG geregelt sind“, entsprechend gilt (vgl. RegBegr. UMAG BT-Drs. 15/5092, 17). Das erweiterte Auskunftsrecht nach § 131 Abs. 4 AktG wird hingegen nicht erwähnt. Rechtsprechung und Literatur befassen sich, soweit ersichtlich, nicht mit der Frage, ob die zeitliche Beschränkungsmöglichkeit nach § 131 Abs. 2 S. 2 AktG auf das (Nach-)‌Auskunftsverlangen nach § 131 Abs. 4 AktG anwendbar ist.

Einer zeitlichen Beschränkbarkeit des Verlangens nach § 131 Abs. 4 AktG in der virtuellen Hauptversammlung könnte entgegenstehen, dass das erweiterte Auskunftsrecht eine besondere Ausformung des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebots (§ 53a AktG) darstellt. Letzteres steht nicht zur Disposition der Gesellschaft; ein Verzicht auf die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist nur im Einzelfall und nur durch den betroffenen Aktionär möglich. Dies könnte dafür sprechen, dass der Versammlungsleiter grds. nicht berechtigt ist, die Ausübbarkeit des Nachauskunftsverlangens zeitlich zu beschränken.

Darüber hinaus erscheint es auch fraglich, ob es überhaupt einer (analogen) Anwendbarkeit von § 131 Abs. 2 S. 2 AktG auf § 131 Abs. 4 AktG bedarf. Ein Missbrauchsrisiko wie beim allgemeinen Auskunfts- bzw. Fragerecht nach § 131 Abs. 1 AktG dürfte eher fernliegen. Stellt ein Aktionär statt eines konkreten Nachauskunftsverlangens z.B. bloß pauschale Fragen, ob und ggf. welche Auskünfte vorab einem anderen Aktionär gegeben worden sind (Ausforschungsfragen), sind diese am Maßstab des § 131 Abs. 1 S. 1 AktG zu messen mit der Folge, dass § 131 Abs. 2 S. 2 AktG greift. Gleiches gilt für nicht zielgerichtete, unnötige Ausführungen im Rahmen des Verlangens, da sie insofern als Redebeitrag zu qualifizieren wären.

In einem White Paper zur virtuellen Hauptversammlung geben wir weitere Praxisempfehlungen für die Ausgestaltung des neuen virtuellen HV-Formats. Ziel des White Paper ist es, insbesondere börsennotierten Gesellschaften mit großem Aktionärskreis eine praktische Hilfestellung bei der rechtlich und technisch sicheren Ausgestaltung ihrer virtuellen Hauptversammlung nach § 118a AktG zu geben. Eine weitere Handreichung für die Vorbereitung von Hauptversammlungen bieten wir mit unserem HV-Manager an – ein Legal-Tech-Tool, mit dem sich die gesamte HV-Vorbereitung zentral organisieren, einfacher koordinieren und effizienter abwickeln lässt.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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