21. März 2019
Hauptversammlung Shareholder Activism
Aktienrecht

Hauptversammlungssaison: Bühne frei für Shareholder Activism

Die Hauptversammlungs-Saison nimmt Fahrt auf – das Feld für aktivistische Aktionäre ist damit bestellt.

Shareholder Activism ist ein Phänomen, das sich von den USA ausgehend mittlerweile auch in Deutschland etabliert hat. Man versteht darunter die aktive Einflussnahme von Aktionären auf die Unternehmensführung börsennotierter Gesellschaften.

Die Einflussnahme geschieht vorrangig durch die Ausübung von Aktionärsrechten. Häufig wird im Vorfeld von Hauptversammlungen versucht, mit dem Management des Unternehmens Kontakt aufzunehmen. Scheitert die Kontaktaufnahme oder kooperiert das Management nicht im gewünschten Maß gehen die Aktivisten oftmals zu öffentlich vorgebrachter Kritik über.

Andere Formen des Aktivismus

Shareholder Activism ist von anderen Formen des Investor Activism zu unterscheiden. So zielt der sogenannte M&A Activism darauf ab, von Sondersituationen börsennotierter Gesellschaften, wie etwa Strukturmaßnahmen oder öffentlichen Übernahmen, finanziell zu profitieren. Der von Leerverkäufern betriebene Short Activism versucht, durch negative Veröffentlichungen über börsennotierte Gesellschaften (sogenannte „Short Attack„), deren Aktienkurs zu drücken.

Ziele aktivistischer Aktionäre

Aktivistische Aktionäre streben eine Erhöhung des Börsenkurses und damit ihres Investments an, indem sie auf die Unternehmenspolitik Einfluss nehmen. Das Vorgehen hängt von der jeweiligen Investment-Strategie ab: Kurzfristig investierte Aktivisten versuchen häufig, die Dividendenpolitik zu beeinflussen oder die Gesellschaft zum Rückkauf eigener Aktien zu bewegen.

Mittel- oder langfristige Investments zielen regelmäßig auf eine dauerhafte Änderung der Unternehmensstrategie. Dieser Ansatz wird häufig von folgenden Verlangen begleitet: Veränderung der Besetzung von Aufsichtsrat und Vorstand, An- und Verkauf von Unternehmensteilen, Abspaltung von Unternehmenssparten bzw. Randbereichen oder Zusammenschluss mit Wettbewerbern.

Rechte der Aktivisten

Das Aktiengesetz (AktG) stellt aktivistischen Aktionären eine Vielzahl von Minderheitenrechten zur Verfügung, die vor allem im Rahmen der Hauptversammlung geltend gemacht werden können.

Gegenanträge und Wahlvorschläge

Alle Aktionäre können Gegenanträge zu den Anträgen von Vorstand und Aufsichtsrat stellen, die unter gewissen Voraussetzungen auf der Internetseite der Gesellschaft zu veröffentlichen sind. Gleiches gilt für Vorschläge zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern oder Abschlussprüfern. Insbesondere von dem Vorschlagsrecht zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern machen aktivistische Aktionäre häufig Gebrauch.

Frage und Rederecht sowie Geschäftsordnungsanträge

Auch die Ausübung des Frage- und Rederechts ist nicht an eine Mindestbeteiligung geknüpft. Insbesondere sogenannte „räuberische Aktionäre″ machen hiervon extensiv Gebrauch und versuchen Fehler im Rahmen der Hauptversammlungsleitung oder Fragenbeantwortung zu provozieren, auf die sie anschließend Anfechtungsklagen stützen können. Das Ziel dieses Vorgehens besteht darin, sich die Anfechtungsklagen „abkaufen″ zu lassen.

Zu diesem Zweck werden häufig auch Geschäftsordnungsanträge, wie die Abwahl des Versammlungsleiters oder das Absetzen von Tagesordnungspunkten, gestellt.

Bestellung eines Sonderprüfers und Geltendmachung von Ersatzansprüchen

Ab einer Beteiligung von 1 Prozent oder in Höhe von EUR 100.000 des Grundkapitals können Aktionäre zur Überprüfung von Vorgängen im Rahmen der Geschäftsführung die Bestellung eines Sonderprüfers beantragen. Der Sonderprüfer hat über seine Erkenntnisse einen Bericht zu erstatten, der auf der folgenden Hauptversammlung als Tagesordnungspunkt bekannt zu machen ist. Sollen Ersatzansprüche geltend gemacht werden, können Aktionäre mit einer Beteiligung von zusammen 10 Prozent oder EUR 1 Mio. des Grundkapitals die Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung der Ersatzansprüche beantragen.

Aktionäre können auch selbst Ersatzansprüche geltend machen, indem sie ein Klagezulassungsverfahren einleiten. Dafür ist eine Beteiligung von 1 Prozent oder in Höhe von EUR 100.000 ausreichend.

Einberufungs- und Tagesordnungsergänzungsverlangen

Die Einberufung einer Hauptversammlung kann mit einer Beteiligung von 20 Prozent bzw. in Höhe von EUR 500.000 verlangt werden. Wird das Verlangen rechtmäßig gestellt, ist der Vorstand verpflichtet, die Hauptversammlung mit der verlangten Tagesordnung unverzüglich einzuberufen. Diese Beteiligungshöhe reicht auch dazu aus, um eine Ergänzung der Tagesordnung einer geplanten oder bereits einberufenen Hauptversammlung zu verlangen; dieses Recht nutzen aktivistische Aktionäre häufig und verlangen etwa die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern oder die Beschlussfassung über einen Sonderprüfungsantrag.

Entlastung der Verwaltung

Kein explizites Minderheitenrecht, aber dennoch ein häufig genutztes Instrument, um die Verwaltung öffentlich unter Druck zu setzen, ist die Verweigerung der Entlastung. Während noch vor ein paar Jahren Entlastungsbeschlüsse mit nahezu 100 Prozent-Mehrheiten die Regel waren, wird eine solche Quote immer seltener erreicht. Die Entlastung der Verwaltung hat allerdings ohnehin keine Rechtswirkung. Durch sie wird bestätigt, dass die Verwaltung der Gesellschaft gesetz- und satzungsmäßig erfolgt ist, ein Verzicht auf etwaige Ersatzansprüche ist darin aber nicht zu sehen.

Einen Schritt weiter geht der Vertrauensentzug: Die Hauptversammlung kann Vorstandsmitgliedern durch Beschluss das Vertrauen entziehen. Eine solche Maßnahme stellt einen wichtigen Grund dar, der den Aufsichtsrat zur Abberufung des betroffenen Vorstandsmitglieds berechtigen kann.

Koordination mit anderen Aktionären

Aktivistische Aktionäre verfügen zwar oft nur über eine geringe Beteiligung am Kapital der Gesellschaft, ihr Einfluss kann aber durch die Koordination mit anderen Aktionären oder Stimmrechtsberatern verstärkt werden. Teilweise lassen sich auch nicht-aktivistische Aktionäre für die Ziele der Aktivisten gewinnen.

Die Möglichkeiten für eine solche Koordination sind gewachsen. Der Bundesgerichtshof hat sich kürzlich mit der Zurechnung von Stimmrechten nach § 34 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) auseinandergesetzt. Wenn Aktionäre ihr Verhalten durch eine Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmen, werden ihnen ihre Stimmrechte nach § 34 WpHG wechselseitig zugerechnet. Überschreitet die Summe ihrer Stimmrechte bestimmte Mindestschwellen sind Meldepflichten zu erfüllen oder es ist sogar ein Pflichtangebot abzugeben. Dies gilt aber nicht bei Abstimmungen „im Einzelfall″. Der BGH hat nunmehr entschieden, dass das Vorliegen eines solchen Einzelfalls rein formal und nicht materiell anhand der durch die Einzelabstimmung verursachten Konsequenzen zu bestimmen ist.

Damit öffnen sich für aktivistische Aktionäre zusätzliche Möglichkeiten, insbesondere im Vorfeld von Hauptversammlungen die Ausübung ihrer Stimmrechte zu koordinieren und so Einfluss auf die Beschlussfassungen zu nehmen. Dies dürfte vor allem für die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern relevant werden.

Fazit zum Shareholder Activism: Bewusstsein schaffen und vorsorgen

Börsennotierte Gesellschaften müssen sich auf Shareholder Activism einstellen und die Verlangen dieser Investoren ernst nehmen. Im Vorfeld der Hauptversammlung sollte (im Rahmen des rechtlich Zulässigen) der Dialog mit aktivistischen Aktionären gesucht werden. Drohen öffentliche Kampagnen, sollte das Unternehmen darauf vorbereitet sein, gegebenenfalls auch durch das Vorhalten eines Notfallleitfadens („Defense Manual″). Darin werden der rechtliche Rahmen, Reaktionsmöglichkeiten und Abläufe beschrieben und wichtige Kontaktpersonen (Abteilungen, Berater, Opinion Former etc.) aufgelistet.

Um einen reibungslosen Ablauf der Hauptversammlung zu gewährleisten, ist diese sorgfältig vorzubereiten. Insbesondere sollte ein ausführlicher Hauptversammlungsleitfaden erstellt werden, der die richtigen Reaktionsmöglichkeiten auf Anträge oder sonstige Maßnahmen von Aktivisten vorsieht.

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