In diesem Jahr sind mehrere börsennotierte Unternehmen zum Ziel heftiger Attacken von Leerverkäufern ("Short Seller") geworden. Wie können Unternehmen sich wehren?
Short Seller setzen auf einen fallenden Aktienkurs, indem sie sich zum Beispiel Aktien leihen, diese verkaufen und anschließend zu einem günstigeren Kurs zurückkaufen. Vor dem Rückkauf wird häufig versucht, durch öffentliche Vorwürfe den Börsenkurs zum Absturz zu bringen.
Den betroffenen Unternehmen drohen neben Kursverlusten massive Rufschäden.
„Shareholder Activism″ und „Short Attacks″
Während aktivistische Aktionäre in der Regel versuchen, den Börsenkurs zu steigern, indem sie mehr oder minder aggressiv auf Veränderungen hinwirken, zielen die Short Seller – oft auch durch aktive Einflussnahme – auf einen sinkenden Börsenkurs ab.
In den USA ist dieses Phänomen schon lange zu beobachten. In Deutschland sind zuletzt Wirecard und Ströer zum Ziel solcher Angriffe geworden. Sie werden erleichtert durch die hohe Volatilität an den Börsen, aber auch durch den elektronischen Handel: Die Nutzung von Algorithmen kann das Tempo und Ausmaß von Kursausschlägen deutlich verstärken.
Präventive Maßnahmen gegen Short Seller
Um Attacken von Leerverkäufern vorzubeugen, sollte das Unternehmen sorgfältig auf mögliche Schwachpunkte untersucht werden. Die Short Seller wählen ihre Angriffsziele anhand typischer Kriterien. Hierzu gehören z.B. eine zu enge Verflechtung mit Großaktionären, fehlende Unabhängigkeit bzw. Vielfalt im Aufsichtsrat, eine unangemessen hohe Managementvergütung oder ein ungenügendes Compliance-System. Je mehr dieser Kriterien zutreffen, desto eher eignet sich das Unternehmen als Angriffsziel.
Daneben sollten auch Handelsbewegungen beobachtet werden, um Short-Positionen identifizieren zu können. Bei Bestehen größerer Positionen sollten Gespräche mit den wesentlichen Aktionären und „Opinion Formern″ wie Banken, Analysten und Wirtschaftspublikationen aufgenommen werden. Mögliche Schwachstellen sollten möglichst öffentlichkeitswirksam beseitigt werden.
Die Short Seller führen häufig telefonische Befragungen bei Mitarbeitern des Unternehmens durch, um mögliche Unregelmäßigkeiten aufzudecken. Daher sollten die Mitarbeiter geschult und angewiesen werden, solche Kontaktversuche abzuweisen und zu melden. Schließlich ist auf eine transparente Öffentlichkeitsarbeit zu achten. Hierzu gehört auch, den Analysten und Investoren im Rahmen der Investor Relations-Pflege eine verlässliche Guidance zur Finanzberichterstattung zu bieten. Je größer das Vertrauen der Investoren ist, desto weniger werden sie bereit sein, ihre Aktien vorschnell zu verkaufen.
Gegenmaßnahmen nach einem Short Seller-Angriff
Nach einer Short Attacke muss schnell reagiert werden. Daher sollten börsennotierte Unternehmen einen Leitfaden in der Schublade haben, der die Schritte und Gegenmaßnahmen nach einem Angriff beschreibt (ähnlich den „Defense Manuals″ für den Fall unerwünschter Übernahmen).
Der Leitfaden gibt z.B. vor, welche Organe (Vorstand, Aufsichtsrat), Abteilungen (Investor Relations, Rechtsabteilung) und Berater (Kommunikations- und Rechtsberater) zu informieren sind und aus welchen Personen sich das Team zusammensetzt, das die Verteidigung koordiniert. Er führt die „Opinion Former″ auf, die für eine möglichst weite Verbreitung der eigenen Botschaft dienen können. Schließlich enthält er konkrete Formulierungsvorschläge für mögliche Veröffentlichungen.
Neben Pressemitteilungen und -konferenzen können persönliche Treffen oder Telefonkonferenzen mit Analysten und Investoren genutzt werden, aber auch Printanzeigen, schriftliche Stellungnahmen sowie Anschreiben oder E-Mails an die Aktionäre.
Rechtliche Schritte gegen Short Seller
In Betracht kommt auch die Einleitung rechtlicher Schritte gegen die Short Seller. Bei Verstößen gegen kapitalmarktrechtliche Meldepflichten oder Insiderrecht ist die BaFin als zuständige Aufsichtsbehörde zu kontaktieren. Dasselbe gilt bei einer möglichen Marktmanipulation. Diese liegt vor, wenn die öffentlichen Vorwürfe der Leerverkäufer falsch oder irreführend waren.
Irreführend sind Behauptungen, wenn sie zwar inhaltlich richtig sind, jedoch beim Adressaten eine falsche Vorstellung verursachen. Die Short Seller werden typischerweise darauf achten, die Grenze zur Irreführung nicht zu überschreiten und sich auf die Neuinterpretation bzw. Bewertung bereits bekannter Tatsachen beschränken.
Die BaFin kann eigene Untersuchungen anstellen, Bußgelder verhängen und Vorgänge, bei denen der Verdacht auf strafbares Handeln besteht, der Staatsanwaltschaft anzeigen. Darüber hinaus kann das Unternehmen auch selbst bei der Staatsanwaltschaft auf eine strafrechtliche Verfolgung hinwirken. Der Vorstand muss mögliche Schadensersatzansprüche gegen die Short Seller prüfen. Kommen solche Ansprüche in Betracht, ist der Vorstand in der Regel verpflichtet, diese im Unternehmensinteresse – außergerichtlich und nötigenfalls auch gerichtlich – geltend zu machen.
Verlorenes Vertrauen zurückgewinnen
Nach einem erfolgreichen Angriff ist es eine mühsame und langwierige Aufgabe, das Vertrauen der Anleger wiederherzustellen. Hierbei können klassische Kurspflegemaßnahmen wie Aktienrückkaufprogramme oder höhere Dividendenausschüttungen helfen.
Noch wichtiger ist es aber, auf eine transparente und anlegerfreundliche Corporate Governance hinzuwirken. Die beste Verteidigung gegen Angriffe besteht nämlich darin, den Short Sellern künftig keine Angriffsfläche mehr zu bieten.
Short Attack Online-Risiko-Check
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