14. August 2024
Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern nahestehenden Gesellschaften
Aktienrecht

Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern nahestehenden Gesellschaften als aktienrechtlicher Dauerbrenner  

„Weiche Faktoren“ gewinnen in der Praxis für die Anwendbarkeit von §§ 113, 114 AktG immer mehr an Relevanz. Die hier dargestellten Fallgruppen helfen bei der rechtlichen Einordnung.

Bei der Aktiengesellschaft spielt neben dem Vorstand der Aufsichtsrat eine zentrale Rolle. Er hat die Aufgabe, den Vorstand zu beraten, zu überwachen und zu kontrollieren. In diesem Zusammenhang bestimmt § 113 AktG, dass die Vergütung des Aufsichtsrats entweder durch die Satzung oder von der Hauptversammlung festgesetzt wird, sodass weder die Aufsichtsratsmitglieder selbst noch der Vorstand darüber entscheiden können. Dadurch soll verhindert werden, dass der Vorstand die Vergütung derjenigen festlegt, die ihn kontrollieren. Zusätzlich stellt § 114 AktG sicher, dass der Vorstand ohne Wissen der Hauptversammlung und des Aufsichtsrats keine (Beratungs-)Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern* schließt und dadurch Sonderleistungen gewährt, die die unabhängige Wahrnehmung ihrer Pflichten beeinträchtigen könnten. 

Das Normregime und der Schutzzweck der §§ 113, 114 AktG

Im Einzelnen regelt § 113 Abs. 1 AktG, dass die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder in der Satzung der AG festgesetzt oder von der Hauptversammlung bewilligt werden muss. Die Vergütung muss in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder und zur Lage der AG stehen. Darüberhinausgehend ist es untersagt, Aufsichtsratsmitgliedern zusätzliche Vergütungen für ihre Aufsichtsratstätigkeit zu gewähren.

Daneben trifft § 114 AktG Regelungen in Bezug auf den zustimmungsbedürftigen Abschluss von Dienst- und Werkverträgen zwischen der AG und dem Aufsichtsratsmitglied über Tätigkeiten außerhalb seiner Aufsichtsratstätigkeit, einschließlich der entsprechenden Vergütung. Fehlen sowohl die vorherige Einwilligung und verweigert der Aufsichtsrat die nachträgliche Genehmigung des jeweiligen Vertrags zwischen der AG und dem Aufsichtsratsmitglied, so hat das Aufsichtsratsmitglied die erhaltene Vergütung zurückzugewähren. 

Entgegen dem engen Wortlaut von § 114 AktG hat der BGH in mehreren Fällen entschieden, dass der Anwendungsbereich von § 114 AktG weit auszulegen ist und daher auch bei Verträgen mit Aufsichtsratsmitgliedern nahestehenden Gesellschaften anzuwenden ist.

Besondere Bedeutung von weichen Faktoren für die Anwendbarkeit der §§ 113, 114 AktG

Die Bedeutung von sogenannten weichen Faktoren, d.h. Faktoren, die nicht nur eine gesonderte Vergütung des Aufsichtsratsmitglieds betreffend, wird vor allem auch bei anwaltlichen Beratungsverträgen, die von der AG mit einer Anwaltssozietät abgeschlossen werden, der das Aufsichtsratsmitglied angehört, deutlich. So hat das OLG Frankfurt am Main (Urteil v. 15. Februar 2011 – 5 U 30/10) neben dem Verhältnis zwischen Aufsichtsratsvergütung und der mittelbaren Vergütung aufgrund des Beratungsvertrags zwischen AG und Anwaltssozietät, auch für maßgeblich erachtet, dass die aus dem Beratungsvertrag gewonnenen Mandate sowie das Honorar in Höhe von 1 Mio. Euro pro Jahr für die Sozietät bedeutend seien, das Aufsichtsratsmitglied wesentlichen Einfluss auf die Mandatsvergabe habe und das Aufsichtsratsmitglied, das zugleich Partner in der Anwaltssozietät war, dadurch seine Stellung und sein Ansehen positiv beeinflussen könne. 

Die genannte Entscheidung des OLG Frankfurt am Main kann entnommen werden, dass es für die Anwendbarkeit von §§ 113, 114 AktG insbesondere darauf ankommt, inwieweit das Aufsichtsrats in seiner Unabhängigkeit gefährdet ist. Diesbezüglich können auch sogenannte weiche Faktoren herangezogen. 

Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern und ihnen nahestehenden Gesellschaften bleiben ein aktienrechtliches Dauerthema

Aufgrund der weiteren Konturierung des Anwendungsbereichs von §§ 113, 114 AktG sollten Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern und ihnen nahestehenden Gesellschaften stets einer kritischen Überprüfung mit Blick auf die Anforderungen nach §§ 113, 114 AktG unterzogen werden. Denn ein Verstoß gegen §§ 113, 114 AktG führt nicht nur nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Vertrags, sondern führt auch dazu, dass nach § 114 Abs. 2 S. 1 die an das Aufsichtsratsmitglied gezahlten Vergütungen zurückzuzahlen sind. Hierbei ist zu beachten, dass es irrelevant ist, ob die §§ 113, 114 AktG bewusst oder unbewusst umgehen wird; ein Verstoß gegen die §§ 113, 114 AktG erfordert nach dem BGH (Urteil v. 3. Juli 2006 – II ZR 151/04 und Urteil v. 22. Juni 2021 – II ZR 225/20) keinen Vorsatz oder gar Absicht der Beteiligten.

Die Verfasser dieses Beitrags haben zu diesem Thema einen ausführlichen Aufsatz „Anwendungsfälle von § 114 AktG bei einer dem Aufsichtsratsmitglied nahestehenden Gesellschaft“, erschienen in der NZG 11/2024, 470 ff., verfasst. In dem genannten Aufsatz können insbesondere die für dieses Thema relevanten Fallgruppen sowie relevante Rechtsprechung des BGH entnommen werden.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Aktienrecht Aufsichtsratsmitglied nahestehende Gesellschaften Vertrag