Der BGH hat den Anwendungsbereich des Handelsvertreterausgleichs sukzessive ausgedehnt und auf Kommissionsagenten ausgeweitet.
Handelsvertretern steht nach § 89b HGB bei Vertragsbeendigung ein Ausgleichsanspruch zu. Der Ausgleich soll vor allem entgangene zukünftige Provisionszahlungen und beim Unternehmer verbleibende Geschäftsvorteile kompensieren.
Der BGH wendet die Vorschrift zum Handelsvertreterausgleich auch auf andere Personen in vergleichbaren Rollen an. Unternehmen sind angehalten, den § 89b HGB bereits bei der Vertragsgestaltung im Blick zu haben.
Vertrag für Marktleiter eines Sonderpostenmarktes
Die Beklagte betreibt bundesweit Sonderpostenmärkte. Diese Märkte werden von selbstständigen Marktleitern betrieben, die für ihre Dienste Provisionszahlungen erhalten. Der Kläger betrieb für die Beklagte einen der Sonderpostenmärkte.
Der zwischen den Parteien hierzu geschlossen Vertrag sah u.a. folgende Regelungen vor:
- Das Unternehmen gewährt dem Marktleiter das Recht, einen seiner Restpostenmärkte zu betreiben;
- Der Marktleiter ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Unternehmers nicht berechtigt, Erklärungen mit Wirkung für und wider diesen abzugeben und/oder entgegenzunehmen;
- Der Marktleiter ist verpflichtet, Kunden des Unternehmers nicht auf eigene Rechnung zu bedienen;
- Der Marktleiter erhält eine Verkaufsprovision auf alle Nettoumsätze;
- Der Marktleiter tritt sämtliche Forderungen gegen Kunden an den Unternehmer ab.
BGH: Marktleiter als Kommissionsagent tätig
Der BGH (Urteil v. 21. Juli 2016 – I ZR 229/15) hat entschieden, dass der Kläger zwar nicht als Handelsvertreter, aber als Kommissionsagent für die Beklagte tätig gewesen sei.
Ein Kommissionsagent, auf den die Vorschriften der §§ 383 ff. HGB Anwendung finden, ist eine selbstständig handelnde Person, die in dauerhafter Geschäftsbeziehung Waren im eigenen Namen und für fremde Rechnung an- und verkauft. Im Gegensatz dazu wird der Handelsvertreter in fremdem Namen tätig.
Nach Auffassung des BGH ergäbe sich aus den dargestellten Vertragsbestimmungen deutlich ein Kommissionsagenturverhältnis. Der Kläger handelte auf Rechnung der Beklagten und trug außer dem Provisionsrisiko kein weiteres geschäftliches Risiko. Der Marktleiter habe nach Ansicht der Richter in eigenem Namen gehandelt. Dies vor allem aufgrund der fehlenden Befugnis, Erklärungen für die Beklagte abzugeben sowie der Tatsache, dass er Forderungen gegen Kunden an die Beklagte abzutreten hatte, diese also nicht bereits für die Beklagte begründen konnte.
Der Ausgleichsanspruch – nicht nur für Handelsvertreter
Der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB steht dem Wortlaut der Vorschrift nach nur Handelsvertretern zu. Der BGH hat allerdings die Vorschrift auch auf andere Personen in vergleichbaren Rollen angewandt, insbesondere auf Vertragshändler.
Das Gericht begründet die analoge Anwendung damit, dass Vertragshändler, die im eigenen Namen auftreten und auf eigene Rechnung handeln, häufig eine dem Handelsvertreter vergleichbare Position einnehmen würden. Sind sie in das Absatzsystem des Unternehmers eingebunden und unterlägen der Pflicht, ihren Kundenstamm nach Vertragsbeendigung an den Unternehmer zu übergeben, bestünde wertungsmäßig kein relevanter Unterschied mehr zur Position eines Handelsvertreters.
Franchisenehmer hingegen agieren in aller Regel im anonymen Massengeschäft. Es ist daher weitaus weniger wahrscheinlich, dass der Franchisegeber von den akquirierten Kunden dauerhaft profitiert, zumal es dem Franchisenehmer offen steht, in der Nähe zur alten Betriebsstätte ein ähnliches Geschäft zu betreiben. Im Gegensatz zum Vertragshändler steht dem Franchisenehmer daher kein Ausgleichsanspruch bei Vertragsbeendigung zu.
Für den Kommissionsagenten hat der BGH nunmehr angesichts der konkreten Vertragsgestaltung angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 89b HGB erfüllt seien:
- der Kommissionsagent war Teil des unternehmerischen Absatzsystems, vergleichbar einem Handelsvertreter,
- er handelte auf Rechnung des Unternehmers
- und er hatte die Pflicht, nach Beendigung des Vertrages seine Stammkunden an den Unternehmer abzutreten.
Praxishinweis: Handelsvertreterausgleich bei Verträgen beachten
Ausgleichsansprüche nach § 89b HGB sind in der Regel ein bei Unternehmern sehr unbeliebtes Thema. Sie werfen hinsichtlich ihrer Bezifferung viele Detailfragen u.a. zu Verkaufszahlen und dem betroffenen Markt und Geschäftsumfeld auf und erfordern zudem unsichere Zukunftsprognosen über die Geschäftsentwicklung und etwaige Kundenmigration.
Über viele dieser Details lässt sich erfahrungsgemäß trefflich streiten. Entsprechende Prozesse erreichen hohe Streitwerte und erfordern wegen ihrer Komplexität überdurchschnittliche Verfahrenszeiten. Es ist daher für Unternehmer äußerst wichtig, diese Ansprüche bereits bei der Vertragsgestaltung im Blick zu haben.
Je nach wirtschaftlicher Zielsetzung lässt sich das Verhältnis zwischen den Parteien so eventuell bereits derart gestalten, dass Ausgleichsansprüche nach § 89b HGB später nicht entstehen. Aber auch wenn die Parteien ihr Verhältnis zueinander rechtlich so gestalten, dass es bei Vertragsbeendigung zu gesetzlich zwingenden Ausgleichsansprüchen kommt, ist ihre frühzeitige Berücksichtigung für eine ökonomisch ausgewogene Vertragsfassung unentbehrlich.