Blitzlöschung: Ob eine aufgelöste Kapitalgesellschaft schon vor Ablauf des Sperrjahres gelöscht werden kann, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich bewertet.
Damit Kapitalgesellschaften aus dem Handelsregister gelöscht werden können, müssen sie das gesetzliche Liquidationsverfahren durchlaufen (§§ 60 ff. GmbHG bzw. §§ 262 ff. AktG). Auflösungsgrund kann bspw. der Ablauf der im Gesellschaftsvertrag/Satzung bestimmten Zeit oder ein gerichtliches Urteil sein, aber auch (und für die vorliegende Frage interessant) ein Auflösungsbeschluss der Gesellschafter.
Auflösungsbeschluss und Abwicklung der Gesellschaft
Die Liquidation wird mit dem Beschluss der Gesellschafter über die Auflösung der Gesellschaft eingeleitet. In der Regel wird der Auflösungsbeschluss sofort wirksam; die Eintragung des Auflösungsbeschlusses im Handelsregister hat lediglich deklaratorische Wirkung. Anderes gilt nur, wenn die Auflösung mit einer Änderung des Gesellschaftsvertrags/Satzung verbunden ist.
Mit dem Wirksamwerden des Auflösungsbeschlusses werden die Geschäftsführer bzw. Vorstände zu Liquidatoren und die Abwicklung der Gesellschaft beginnt. Die Liquidatoren müssen laufenden Geschäfte beenden, Verpflichtungen erfüllen, Forderungen einziehen und das Vermögen der Gesellschaft in Geld umsetzen. Vermögen, das nach Bedienung aller Verbindlichkeiten verbleibt, wird unter den Gesellschaftern aufgeteilt.
Ablauf des Sperrjahres
Die Verteilung des Restvermögens darf allerdings nicht vor Ablauf eines Sperrjahres erfolgen (§ 73 GmbHG bzw. § 272 AktG). Der Beginn des Sperrjahres wird durch Veröffentlichung des sog. „Gläubigeraufrufs″ im Bundesanzeiger ausgelöst, mit dem Gläubiger der Gesellschaft aufgefordert werden, ihre Ansprüche bei der Gesellschaft geltend zu machen.
Aus Gründen des Gläubigerschutzes dauert der Liquidationsprozess nach der gesetzlichen Konzeption somit mindestens ein Jahr – unabhängig davon, ob es unbefriedigte Gläubiger gibt oder nicht.
Blitzlöschung bei Vermögenslosigkeit
Teile der Rechtsprechung (OLG Hamm, Beschluss vom 2. September 2016 – 27 W 63/16; OLG Köln, Beschluss vom 5. November 2004 – 2 Wx 33/04) lassen eine Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister auch schon vor Ablauf des Sperrjahres (sog. „Blitzlöschung″) zu, wenn die aufgelöste Gesellschaft über kein verteilungsfähiges Vermögen verfügt.
Dahinter steckt folgende Überlegung: Sinn und Zweck des Sperrjahres ist, Gesellschaftsgläubigern die Chance zu geben, ihre Forderungen geltend zu machen, bevor das Gesellschaftsvermögen auf die Gesellschafter aufgeteilt wird. Verfügt die aufgelöste Gesellschaft ohnehin über kein Vermögen, mit dem die Gläubiger befriedigt werden könnten, geht dieser (Schutz)Zweck vollständig ins Leere; das Abwarten des Sperrjahres wäre eine bloße, unnötige Formalie.
Diese Rechtsprechung ist zwar bislang erst zu der Auflösung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung ergangen, bei Aktiengesellschaften besteht allerdings eine vergleichbare Situation, so dass sich diese Erwägungen auch auf Aktiengesellschaften übertragen lassen.
OLG Celle: Auch bei Vermögenslosigkeit keine Blitzlöschung
In einem jüngeren Urteil hat sich das OLG Celle (Urteil vom 17. Oktober 2018 – 9 W 80/18) gegen diese Vorgehensweise gestellt und eine Blitzlöschung nicht zugelassen, obwohl der Liquidator die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft versichert hatte.
Das OLG Celle hat sich maßgeblich auf den Wortlaut des GmbHG gestützt, der das von Teilen der Rechtsprechung entwickelte Vorgehen der Blitzlöschung nicht vorsieht, sondern ausnahmslos von einem vollständigen Durchlaufen des gesamten Liquidationsprozesses inklusive Sperrjahr ausgeht.
Praxishinweis: Vorgehen mit Handelsregister abstimmen
Die Möglichkeit der Blitzlöschung ist ein sinnvolles Instrument, um das zeitintensive (und ggf. faktisch überflüssige) Liquidationsverfahren zu verkürzen. Wo kein Vermögen vorhanden ist, mit dem Gläubiger befriedigt werden könnten, ist auch das Abwarten eines Sperrjahres entbehrlich. Sollte sich nach Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister herausstellen, dass doch verteilungsfähiges Vermögen vorhanden ist, sind Gläubiger durch eine mögliche Nachtragsliquidation geschützt.
Die Rechtsprechung des OLG Celle dürfte zu einer uneinheitlichen Praxis der Handelsregister führen und Rechtsunsicherheit nach sich ziehen. Um den Liquidationsprozess richtig zu planen, sollte das Vorgehen jedenfalls mit dem zuständigen Handelsregister abgestimmt werden. Dies gilt gleichermaßen für Gesellschaften mit beschränkter Haftung wie für Aktiengesellschaften.
Pocht das zuständige Handelsregister auf den Ablauf des Sperrjahres, bleibt bei Vermögenslosigkeit der Gesellschaft noch die Möglichkeit der Löschung von Amts wegen (§ 394 FamFG).