Anders als Eigenkapital erhöhen Gesellschafterdarlehen nicht den Wert von Geschäftsanteilen und sind damit mit Blick auf Notarkosten neutral.
Notarkosten richten sich grundsätzlich nach dem Wert der Angelegenheit und bei dessen Bestimmung kommt es häufig zu Meinungsverschiedenheiten, insbesondere wenn es um Geschäftsanteile geht. Der Wert von Geschäftsanteilen ist regelmäßig nicht leicht festzustellen, lässt er sich doch nicht äußerlich ablesen und anders als etwa bei Immobilien mangels leicht verfügbarer Vergleichswerte nicht ohne weiteres bestimmen.
Und dennoch bedarf es keines umfangreichen und kostspieligen Wertgutachtens, nur um die Höhe der Notarkosten bei der Übertragung von Geschäftsanteilen zu bestimmen. Denn nach § 54 S. 1 GNotKG hat der Notar seine Kosten grundsätzlich, also wenn keine genügenden Anhaltspunkte für einen höheren Wert der Geschäftsanteile bestehen, auf Grundlage des Eigenkapitals (§ 266 Abs. 3 HGB) der jeweiligen Gesellschaft zu bestimmen. Das Eigenkapital lässt sich ohne weiteres aus der letzten Bilanz der Gesellschaft ablesen, die Teil des Jahresabschlusses von Kapitalgesellschaften ist (§ 242 Abs. 1 S. 1 HGB).
Was gilt aber insoweit für Gesellschafterdarlehen? Werden diese bei der Bestimmung der Notarkosten werterhöhend mitberücksichtigt? Hierüber hatte das Kammergericht zu entscheiden (KG Berlin, Beschluss v. 11. September 2020 – 9 W 113/19).
Finanzierungswahlrecht des Gesellschafters: Zahlung in das Eigenkapital der Gesellschaft oder Gewährung eines Gesellschafterdarlehens
Zunächst einmal verwundert es auf den ersten Blick, warum eine Verbindlichkeit werterhöhend und nicht etwa wertmindernd sein soll. Grundsätzlich mindern Verbindlichkeiten den Wert einer Gesellschaft, weil im Falle einer Liquidation zunächst die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu begleichen sind, bevor eine Verteilung etwaigen verbleibenden Vermögens der Gesellschaft an die Gesellschafter erfolgt (§ 70 S. 1 GmbHG).
Anders als bei Verbindlichkeiten gegenüber Dritten, also gegenüber Nicht-Gesellschaftern, kommt ein Gesellschafterdarlehen jedoch dem Darlehensgeber zugute. Das Darlehen begründet, wenn der Gesellschafter einer von mehreren Gesellschaftern ist, insoweit eine Form einer Liquidation-bzw. Erlöspräferenz gegenüber den übrigen Gesellschaftern, also gegenüber den Mitgesellschaftern. Denn in der Liquidation wäre dieses Gesellschafterdarlehen zunächst vorab zu begleichen, bevor aus dem verbleibenden Restvermögen eine Pro-Rata-Verteilung unter den Gesellschaftern erfolgt. Daher ist es aus Sicht des Gesellschafters so, dass ein Gesellschafterdarlehen ihm einen höheren Wert zukommen lässt, als anteilig nach dem reinen in der Bilanz ausgewiesenen Eigenkapital zustehen würde.
In der Tat steht es einem Gesellschafter frei, auf welche Weise er seine Gesellschaft finanziert. Lediglich vorbehaltlich eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses kann er dies entweder durch eine Zahlung in das Eigenkapital der Gesellschaft tun oder aber durch Gewährung eines Gesellschafterdarlehens, was zusätzlich lediglich den Abschluss eines entsprechenden Darlehensvertrages mit der Gesellschaft voraussetzt. Entscheidet sich der Gesellschafter für Ersteres, also die Zahlung in das Eigenkapital, und überträgt dann seine Anteile an einen Erwerber oder bringt seine Geschäftsanteile in eine andere Gesellschaft ein, wird insoweit für die Bestimmung der Notarkosten seine Leistung in das Eigenkapital werterhöhend angesetzt. Das ist unstreitig.
Soll das aber nicht gelten, wenn der Gesellschafter sich entscheidet, statt einer Zuzahlung in das Eigenkapital der Gesellschaft ein Gesellschafterdarlehen zu gewähren? In beiden Fällen sieht die Aktivseite der Gesellschaft gleich aus: Unmittelbar nach der Zahlung in das Eigenkapital oder als Gesellschafterdarlehen verfügt die Gesellschaft über einen entsprechend erhöhten Bargeldbestand bzw. ein entsprechend erhöhtes Bankguthaben (in beiden Fällen nach § 266 Abs. 2 B. IV HGB). Das könnte für eine werterhöhende Berücksichtigung des Gesellschafterdarlehens – wie Eigenkapital – sprechen.
Eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen
Für eine solche werterhöhende Berücksichtigung spricht noch ein zweites Argument: Hat der Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise ein Gesellschafterdarlehen gewährt, so wurde dieses Gesellschafterdarlehen bis zur Reform des GmbHG durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 von der Rechtsprechung durch die sog. „Rechtsprechungsregeln″ als eigenkapitalersetzend qualifiziert. In der Insolvenz der Gesellschaft wurde das Gesellschafterdarlehen haftungsrechtlich wie Eigenkapital behandelt.
Ergo müsse, so der Antragsgegner im Verfahren vor dem Kammergericht, ein Gesellschafterdarlehen bei der Bestimmung der Notarkosten im Zusammenhang mit der Übertragung von Geschäftsanteilen auch wie Eigenkapital behandelt werden, also werterhöhend berücksichtigt werden.
Dieser Argumentation folgte das Kammergericht jedoch nicht.
KG Berlin sieht klare Entscheidung des Gesetzgebers gegen Werterhöhung der Notarkosten durch Gesellschafterdarlehen
Zunächst widerspricht eine werterhöhende Berücksichtigung von Gesellschafterdarlehen dem klaren Gesetzeswortlaut. § 54 S. 1 GNotKG stellt ausdrücklich auf das
Eigenkapital im Sinne von § 266 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs
ab. Danach zählen zum Eigenkapital nach Abschnitt A dieser Regelung
- das gezeichnete Kapital, also bei einer GmbH das Stammkapital, die Kapitalrücklage sowie Gewinnrücklagen,
- ein etwaiger Gewinn- oder Verlustvortrag und
- der Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag.
Gesellschafterdarlehen sind jedoch nach § 266 Abs. 3 Abschnitt C des HGB zu bilanzieren, also gerade nicht als Eigenkapital, sondern als Verbindlichkeiten. Der Wortlaut, so das Kammergericht, sei eindeutig – und dem ist zuzustimmen.
Aber auch der Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung spreche in den Augen des Kammergerichts für eine solche Auslegung. Zur Begründung verweist es auf die Gesetzesmaterialien zu § 54 GNotKG ausweislich der Gesetzgeber sich bewusst zum Zwecke der Rechtssicherheit für eine klare, einfach handhabbare Regelung entschieden hat.
Abschaffung der Rechtsfigur des eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens
Auch der Argumentation, wonach Gesellschafterdarlehen jedenfalls dann werterhöhend heranzuziehen sind, wenn sie in der Krise der Gesellschaft gewährt wurden, weil die frühere Rechtsprechung diese als eigenkapitalersetzend qualifiziert hat und damit wie Eigenkapital behandelt hat, schließt sich das Kammergericht nicht an. Es verweist vielmehr – auch insoweit völlig zutreffend – darauf, dass die entsprechenden Regelungen der §§ 32 a, 32 b a.F. GmbHG gestrichen wurden und die diese Normen flankierenden sog. „Rechtsprechungsregeln″ durch das MoMiG ausweislich der Neuregelung in § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG keine Geltung mehr beanspruchen können. Vielmehr gilt für Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz, dass deren Rückführung grundsätzlich unabhängig davon, ob sie in der Krise der Gesellschaft gewährt wurden, innerhalb eines Jahres lediglich anfechtbar sind. Auf das Merkmal der Krise kommt es nicht mehr an.
Daher kann von einer (insolvenz-)rechtlichen Gleichstellung von Gesellschafterdarlehen mit Eigenkapital gerade nicht mehr gesprochen werden, auch nicht in der Krise. Vielmehr sind Gesellschafterdarlehen in der Insolvenzordnung nunmehr speziell geregelt, in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sowie in § 135 InsO. Anders als nach altem Recht dürfen Gesellschafterdarlehen daher auch in Krise zurückgeführt werden, die Rückzahlung unterliegt dann halt lediglich nach den vorstehend genannten Regelungen der InsO einem Anfechtungsrisiko.
Im Ergebnis fehlt damit, so das Kammergericht, für eine werterhöhende Berücksichtigung von Gesellschafterdarlehen und damit für eine Gleichbehandlung mit Eigenkapital bei Notarkosten jede Grundlage.
Berücksichtigung bei der Strukturierung von Transaktionen
Der Entscheidung ist im Ergebnis als auch in der Begründung vollumfänglich zuzustimmen. Für die Praxis heißt das: Bei der Strukturierung von Transaktionen, die die Übertragung von Geschäftsanteilen beinhaltet, sollten vor einer Finanzierung der Zielgesellschaft die Auswirkungen der jeweiligen Finanzierungsform auf die Notarkosten entsprechend bedacht werden.