Auf dem Weg zum digitalen Zeitalter benötigt die Automobilindustrie nicht nur digitale Partner, sondern insbesondere auch einen Digital Compliance Review.
Wenn Unternehmen erworben oder Joint Ventures gegründet werden, stehen die Produkte und Kundenbeziehungen, die Technologien und Finanzkennzahlen sowie die zukünftigen Chancen im Vordergrund. Das ist gut und richtig so! Allerdings lohnt es sich, auch an rechtliche Risikofaktoren und Herausforderungen zu denken. Das gilt vor allem dann, wenn das Target innovative Produkte und Services bietet, die für den Erwerber oder Partner bislang Neuland sind.
Digital Compliance ist Neuland für Automobilhersteller
Dieses Neuland betreten gerade viele Automobilhersteller und -zulieferer bei der Suche nach digitalen Partnern, um sich und ihr Geschäftsmodell digital fit zu machen. Als Antwort auf den digitalen Wandel in der Automobilindustrie gründen sie Joint Ventures für Kartendienste oder für die Entwicklung von Batterien und E-Ladestationen. Ferner erwerben sie Hersteller von Kamera- und Radarsystemen für das autonome Fahren und beteiligen sich an Start-ups, um so digitale Mobilitäts- und Sharingkonzepte zu entwickeln.
Dabei werden ihnen nicht nur neue Technologien und Geschäftsmodelle begegnen, sondern auch bislang unbekannte Rechtsfragen und Risiken. Dies beruht insbesondere auf dem Umstand, dass viele Technologien sich erst in der technischen Entwicklung befinden oder bislang nur konzeptionelle Ideen sind. Thinking outside the box: Darauf müssen sich nicht nur die M&A Strategen und Planer einstellen, sondern auch ihre Rechtsberater bei ihrem „Digital Compliance Review″ im Rahmen der Due Diligence von digitalen Unternehmen.
Digital Compliance ist die Grundlage neuer Geschäftsmodelle
Schon heute ist absehbar, dass viele – wenn nicht sogar die Mehrheit – der disruptiven Technologien und Geschäftsmodelle sich um im Auto gesammelte Daten drehen. Darin liegt ein enormes Umsatzpotential. Eine Studie von McKinsey & Company schätzt es auf USD 450 ‑ 750 Milliarden im Jahr 2030.
E-Commerce und Werbung im Auto, Predictive Warning und Maintenance, Ferndiagnose und -wartung, Concierge Dienstleistungen und virtuelle Assistenten: Dies sind nur einige Beispiele, die heute als Geschäftsmodelle vorstellbar sind. Um dieses Umsatzpotential zu heben, müssen auch zentrale Rechtsfragen geklärt und in den Geschäftsmodellen abgesichert werden.
Diese Antworten müssen nicht nur einmal gefunden werden, sondern aufgrund uneinheitlicher rechtlicher Rahmenbedingungen für viele Absatzmärkte separat geprüft werden. Gibt es ein „Eigentum″ an den im Auto erzeugten und gesammelten Daten? Wenn ja: Wem gehören diese Daten – Fahrer, Halter, Hersteller, Lieferant, Systembetreiber, Infrastrukturanbieter oder Hoster? Zu welchem Zweck kann man sie nutzen? An wen und zu welchem Zweck dürfen die Daten weitergegeben werden? Dürfen Daten verarbeitet und verändert werden? Kann der Autofahrer die Datensammlung und -nutzung einschränken oder sogar untersagen? Wann müssen Daten gelöscht werden? Wer darf auf die Daten zugreifen (Rettungsdienste, Strafverfolgungsbehörden, Versicherungen, Mobilitätsanbieter usw.)? Wie sind die Daten zu schützen? Wer haftet bei Datendiebstahl und -missbrauch?
Nicht nur Datenschutz von Digital Compliance Review betroffen
Neben Fragen des Datenschutzes und des Dateneigentums dürften auch wettbewerbs- und kartellrechtliche Themen von vitalem Interesse sein. Denn viele Daten führen zu Marktmacht; gerade für den First Mover. Und Marktmacht bedeutet rechtliche Leitplanken, um im Bilde zu bleiben.
Viele Digital Compliance Fragen auch beim autonomen Fahren
Auch das autonome Fahren führt zu neuen rechtlichen Risikofaktoren und Fragestellungen, die zu bedenken und zu beantworten sind:
Welche Anforderungen sind an die Sicherheit von Assistenzsystemen zu stellen? In welchen Märkten ist ihr Einsatz erlaubt? Welche Zulassungsverfahren und -bestimmungen sind zu beachten? Wie wird die Rechtslage in 10 Jahren aussehen? Wer haftet bei Fehlentscheidungen und Unfällen von autonom fahrenden Autos? Fahrer, Halter, Hersteller oder Betreiber? Wer ist verantwortlich bei Sabotage und Spionage (Cybersecurity)? Wann liegt ein Hackerangriff vor? Wie schaut es mit den Persönlichkeitsrechten anderer Verkehrsteilnehmer aus, wenn sie von Fahrerassistenzsystemen gefilmt (und mit bald technisch möglicher Gesichtserkennung identifiziert) werden? Welche kartellrechtlichen Anforderungen bestehen für Hersteller und Zulieferer, deren patentierte Systeme sich als Marktstandard durchsetzen werden (Tipping) oder schon durchgesetzt haben?
Denn das autonome Fahren und die urbanen Mobilitätskonzepte verlangen immer stärker die Vernetzung der Fahrzeuge untereinander (Car-to-Car-Communication) und die Vernetzung der Fahrzeuge mit der Infrastruktur (Car-to-Infrastructure-Communication). Um diese Vernetzung auch international zu gewährleisten, werden allerdings einheitliche technische (und rechtliche) Standards benötigt.
Rechtlicher Fokus liegt ebenso auf weiteren Themenfeldern
Daneben gibt es viele weitere Themenfelder, die im rechtlichen Fokus stehen können. Um Umsatz zu generieren, müssen Services kostenpflichtig sein und bezahlt werden. An dieser Stelle bieten sich häufig mobile E-Paymentsysteme an, die der Bankaufsicht unterliegen und einer Zulassung bedürfen (können).
Genauso bedarf der Bau und das Betreiben von Elektrotankstellen technischer und baulicher Sicherheitsvorkehrungen. Sicherheits-, vor allem aber Brandschutzbestimmungen sind auch beim Einsatz von Lithium-Ionen-Batterien – ohne die die Elektro-Autos nicht fahren würden – zu beachten.
Kurzum: Um sich digital fit zu machen, braucht man nicht nur den passenden Digital Partner mit einer zukunftsfähigen Technologie, sondern auch einen Digital Compliance Review.
Unsere Beitragsreihe stellt wichtige Aspekte rund um das Thema „M&A Strategien im digitalen Wandel der Automobilindustrie″ dar. Hier zeigen wir Ziele und Konzepte auf, berichten von aktuellen Trends, schildern Herausforderungen und skizzieren die ein oder andere Lösungsidee. Bereits erschienen ist ein Beitrag zu Corporate Venture Capital und digitalen Startups als strategische Partner der Automobilindustrie, zur Gründung von Joint Ventures zum Erwerb digitalen Knowhow und zur russischen Autoindustrie in der Krise sowie zu Smart Mobility in Russland. Zuletzt befassten wir uns mit dem Einfluss des Brexits auf die Automobilindustrie und den Desinvestitionen in der Automobilindustrie.
Allgemeinere rechtliche Aspekte der Digitalisierung sind Gegenstand der Studie „Digital Economy & Recht″, die wir gemeinsam mit dem Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) erstellt haben.