7. November 2022
Abfindungsanspruch gGmbH Gesellschafter
Corporate / M&A

Nur den Einsatz zurück bei der gemeinnützigen GmbH

Der Abfindungsanspruch eines Gesellschafters einer gemeinnützigen GmbH kann auf den Nennwert seines Anteils am Stammkapital begrenzt werden.

Scheidet ein Gesellschafter* aus einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung („GmbH“ oder „Gesellschaft“) aus, so hat er einen Anspruch auf Abfindung für den Verlust seiner Beteiligung an der Gesellschaft. Die Abfindungshöhe orientiert sich grds. an dem Verkehrswert seiner Beteiligung.

Dies gilt – zu Recht – nicht bei der gemeinnützigen GmbH, die eine besondere Ausprägung einer GmbH, aber keine eigene Rechtsform ist. Bei dieser überlagert das Allgemeinwohl das Interesse des Gesellschafters, an dem Unternehmenserfolg teilzuhaben. Dies hat das OLG Hamm in seinem Urteil vom 13. April 2022 (Az. 8 U 112/21) entschieden.

Hintergrund: Der Abfindungsanspruch eines Gesellschafters, der aus einer (nicht gemeinnützigen) GmbH ausscheidet

Scheidet ein Gesellschafter aus einer GmbH aus, so hat er einen Anspruch auf eine Abfindung für die von ihm gehaltenen Geschäftsanteile an der Gesellschaft. Zweck des Abfindungsanspruchs ist es, den ausscheidenden Gesellschafter für den Verlust seiner Mitgliedschaft zu entschädigen. Die Höhe seines Abfindungsanspruchs richtet sich grds. nach dem Verkehrswert seines Anteils an der Gesellschaft.

Ein Abfindungsanspruch kann die Gesellschaft vor allem bei signifikanten Beteiligungen ausscheidender Gesellschafter finanziell stark belasten; die Gesellschaft muss sich möglicherweise kurzfristig erhebliche Liquidität verschaffen, was nicht immer leicht sein dürfte. Daher ist es üblich, den Abfindungsanspruch eines ausscheidenden Gesellschafters im Gesellschaftsvertrag der Höhe nach einzuschränken. Dies ist im Interesse der verbleibenden Gesellschafter am Fortbestand der Gesellschaft zumeist sinnvoll. Dem Interesse der verbleibenden Gesellschafter steht allerdings das Interesse des ausscheidenden Gesellschafters gegenüber, eine möglichst adäquate Gegenleistung für die Aufgabe seiner Beteiligung zu erhalten. 

Die gesellschaftsvertragliche Beschränkung des Abfindungsanspruchs eines Gesellschafters einer GmbH ist aufgrund der Satzungsautonomie grds. zulässig, unterliegt jedoch den allgemeinen Grenzen der Sittlichkeit. Eine unzulässige, sittenwidrige Einschränkung hinsichtlich der Höhe des Abfindungsanspruchs in Form eines Abschlags auf den Verkehrswert seiner Beteiligung an der Gesellschaft liegt vor, wenn zwischen dem Verkehrswert der Beteiligung und dem in der Satzung geregelten Abfindungsanspruch eines ausscheidenden Gesellschafters ein grobes Missverhältnis besteht. Dies sei, so der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH II ZR 181/04), an den individuellen Bedürfnissen der Gesellschaft im Verhältnis zu den Interessen des ausscheidenden Gesellschafters zu beurteilen. Insbesondere sei dies dann der Fall, wenn die gesellschaftsvertragliche Regelung das Kündigungsrecht eines Gesellschafters unvertretbar beschränke. Die Frage der unvertretbaren Beschränkung des Kündigungsrechts eines Gesellschafters sei wiederum einzelfallabhängig. 

Eine gewisse Annäherung an einen gesellschaftsvertraglich zulässigen Abschlag auf den Verkehrswert der Beteiligung kann die Antwort auf die Frage geben, welchen Wertverlust seiner Beteiligung der Gesellschafter im Fall einer Auflösung der Gesellschaft erfahren würde. Denn das Ausscheiden eines Gesellschafters ist nichts anderes als eine Teilliquidation. 

In der Praxis hat sich die Begrenzung des Abfindungsanspruchs eines ausscheidenden Gesellschafters in dem Gesellschaftsvertrag einer GmbH etabliert. Die Höhe des Abschlags bleibt in ihrer Beurteilung einzelfallabhängig und ist daher stets mit gewissen Unsicherheiten verbunden.

Bei einer gemeinnützigen GmbH ist die Begrenzung des Abfindungsanspruchs auf den Nennwert der Beteiligung des ausscheidenden Gesellschafters zulässig und geboten

Eine erhebliche Begrenzung der Abfindungshöhe eines ausscheidenden Gesellschafters ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Einen solchen Ausnahmefall und eine zulässige betragsmäßige Begrenzung des Abfindungsanspruchs auf den Nennwert der Beteiligung des ausscheidenden Gesellschafters hat das OLG Hamm für eine gemeinnützige GmbH nunmehr bejaht. 

Das OLG Hamm ging sogar noch weiter: Die Begrenzung sei nicht nur zulässig, sondern sogar rechtlich geboten. Dies gelte auch dann, wenn der Nennbetrag der Beteiligung des ausscheidenden Gesellschafters zu dem Verkehrswert seiner Beteiligung an der Gesellschaft in einem groben Missverhältnis stünde. 

Die Entscheidung des OLG Hamm steht in Einklang mit den Mindestanforderungen für den Inhalt des Gesellschaftsvertrages einer gemeinnützigen GmbH, die in der Anlage 1 zu § 60 der Abgabenordnung (AO) festgelegt sind. Nach § 60 Abs. 2 AO i.V.m. § 3 Abs. 2 der Mustersatzung sollen die Gesellschafter „nicht mehr als ihren eingezahlten Kapitalanteil“ zurückerhalten.

Das OLG Hamm rechtfertigt diese Ausnahme für die gemeinnützige GmbH mit deren Zweck

Wer im Rechtsverkehr einen gemeinnützigen Zweck verfolgt, kann dies in Form einer gemeinnützigen GmbH tun und hierfür (zu Recht) von Steuerbegünstigungen profitieren. Gemeinnützige Zwecke i.S.d. Abgabenordnung verfolgt eine Körperschaft, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit in materieller, geistiger oder sittlicher Hinsicht selbstlos zu fördern. 

Da die gemeinnützige Körperschaft dem Allgemeinwohl verpflichtet ist, sollen ihr Vermögen und die von ihr erzielten Gewinne ebenfalls der Allgemeinheit zugutekommen. Das OLG Hamm hat bestätigt, dass das Vermögen der gemeinnützigen Körperschaft dem gemeinnützigen Zweck vorbehalten bleibt. Dies gelte auch noch im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer gemeinnützigen GmbH.

Die Verfolgung rein ideeller Zwecke rechtfertige, dass der Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters seiner Höhe nach auch insoweit begrenzt werden könne und müsse, als er in einem groben Missverhältnis zu dem Verkehrswert der Beteiligung stehen könnte.

Anders als für nicht gemeinnützige Körperschaften rührt der Zweck der Steuerbegünstigung für die gemeinnützige Körperschaft aus der selbstlosen Förderung des Allgemeinwohls. Gesellschafter dürfen daher keine Zuwendungen aus Erträgen der Körperschaft erhalten. An Wertsteigerungen der Beteiligung dürfe ein Gesellschafter einer gemeinnützigen Körperschaft nicht partizipieren. Ein ausscheidender Gesellschafter dürfe nur den Nennbetrag seiner Kapitaleinlage zurückerhalten, damit die Gesellschaft die Steuerbegünstigung in Anspruch nehmen könne. 

Denkbar ist allerdings, dass Gläubiger eines ausscheidenden Gesellschafters ihre Interessen an der Vergrößerung der Haftungsmasse des ausscheidenden Gesellschafters als verletzt ansehen, wenn dieser nur den Nennbetrag seiner Kapitaleinlage statt deren Verkehrswert erhält. Dies könnten praktisch wohl zumeist Insolvenzgläubiger des ausscheidenden Gesellschafters sein. So auch in dem Fall, der der Entscheidung des OLG Hamm zugrunde lag. Bedenken gegen die gesellschaftsvertraglich zulässige Begrenzung des Abfindungsanspruchs ergeben sich jedoch auch nicht aus Gründen der Gläubigerbenachteiligung. Das OLG Hamm entschied, dass auch etwaige (Insolvenz-)Gläubiger mit ihren Interessen an der Vergrößerung der Haftungsmasse des ausscheidenden Gesellschafters hinter den Interessen des Allgemeinwohls zurückzutreten haben. Eine unzulässige, sittenwidrige gesellschaftsvertragliche Regelung bestehe daher auch dann nicht, wenn sie zu Lasten der Insolvenzgläubiger des ausscheidenden Gesellschafters dessen Haftungsmasse nicht vergrößere.

Sittenwidrig und damit unwirksam könne eine gesellschaftsvertragliche Begrenzung der Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters der Höhe nach daher wohl nur dann sein, wenn sie auf eine Gläubigerbenachteiligung abziele. Dies wäre bspw. der Fall, wenn sie bei einer Insolvenz des Gesellschafters bei der Einziehung seiner Geschäftsanteile für seinen Abfindungsanspruch nicht die gleiche Entschädigungshöhe vorsehe wie für den Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund.

Das OLG Hamm macht deutlich, dass unser deutsches Rechtssystem keinen Vorrang des Insolvenzrechts vor dem Recht der Gemeinnützigkeit kennt. Die Begrenzung des Abfindungsanspruchs verfolge gerade und allein den Zweck des Rechts der Gemeinnützigkeit. 

Das Gemeinwohl ist stets über die Person zu setzen, jeder soll mitwirken zum Wohle des Ganzen

Die Entscheidung des OLG Hamm ist zu begrüßen. Die Stärkung des Allgemeinwohls und die Übernahme von sozialer Verantwortung werden in Deutschland zunehmend bedeutender. Gesellschafter sind frei in ihrer Entscheidung, eine gemeinnützige GmbH zu gründen oder sich an dieser zu beteiligen. Im Rahmen ihrer Beteiligung an einer gemeinnützigen GmbH legen die Gesellschafter den Gesellschaftszweck fest, den sie mit der Gesellschaft erreichen möchten. Wer gemeinnützige Projekte fördern möchte, verfolgt zugleich auch den Zweck, einen Beitrag für unsere Gesellschaft zu leisten. Betriebe nach dem Gemeinwohl-Prinzip schaffen Identität, stärken das soziale Gefüge und beleben die Wirtschaft mit innovativen Impulsen. Insoweit soll eine solche Gesellschaft, wiederum zu Recht, Steuerbegünstigungen in Anspruch nehmen können. 

Auch die gemeinnützige GmbH soll im Rahmen ihres Gesellschaftszwecks Gewinne erzielen. Diese Gewinne sollen dann allerdings dem Allgemeinwohl vorbehalten sein. Der Vorrang von Individualinteressen der Gesellschafter oder Gläubigern der Gesellschafter einer gemeinnützigen GmbH würden den sozialen Gesellschaftszweck ad absurdum führen.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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