1. Oktober 2015
Praxisnachfolge, Nachbesetzungsverfahren
Corporate / M&A

Praxisnachfolge: Das Nachbesetzungsverfahren unter Einbeziehung des Versorgungsstärkungsgesetzes

Das Versorgungsstärkungsgesetz erhöht Anforderungen an eine Praxisnachfolge in gesperrten Planungsbereichen.

Der Kauf einer Praxis (wir berichteten bereits zum Praxiskaufvertrag) in einem gesperrten Planungsbereich ist eng mit dem Nachbesetzungsverfahren verknüpft. Diesbezüglich bringt das Versorgungsstärkungsgesetz einige Änderungen mit sich die bei der Praxisnachfolge zu beachten sind. Die gesetzlichen Vorgaben zum Abbau von Überversorgung sollen erweitert werden, um eine bessere geographische Verteilung der Vertragsärztinnen und -ärzte und eine bessere Steuerung der Versorgung zu erreichen.

Grundsätzlich hat der Verkäufer beim Zulassungsausschuss einen Antrag auf (1.) Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes („Ob″ der Nachbesetzung) und (2.) Überleitung seines Vertragsarztsitzes („Wie″ der Nachbesetzung) zu stellen.

Zulassungsausschuss in privilegierten Fällen gebunden

Liegt bei der Praxisnachfolge einer der sog. privilegierten Fälle vor, ist der Zulassungsausschuss in seiner Entscheidung gebunden und hat den Vertragsarztsitz mit dem vorgeschlagenen Kandidaten – dem Käufer – zu besetzen. Ein privilegierter Fall ist gegeben, wenn eine der folgenden Voraussetzungen zutrifft:

  • Bei mindestens fünf Jahre dauernder früherer vertragsärztlicher Tätigkeit des Käufers in einem unterversorgten Gebiet;
  • Soweit der Käufer Ehegatte, Lebenspartner oder Kind des Verkäufers ist;
  • Soweit der Käufer seit mindestens drei Jahren angestellter Arzt des Verkäufers ist;
  • Soweit Käufer und Verkäufer seit mindestens drei Jahren gemeinschaftlich eine Praxis betreiben; oder
  • Soweit sich der Käufer selbst verpflichtet, die Praxis in ein anderes Gebiet des Planungsbereichs zu verlegen, in dem aufgrund einer zu geringen Ärztedichte ein Versorgungsbedarf besteht.

Praxisfortführung aus Versorgungsgründen erforderlich – Versorgungsrelevanz

In allen nicht-privilegierten Fällen muss der Zulassungsausschuss zunächst entscheiden, ob er die Ausschreibung des Kassenarztsitzes durch die Kassenärztliche Vereinigung zulässt. Die Ausschreibung und Nachbesetzung des Kassenarztsitzes – auch in überversorgten Gebieten – erfolgt immer dann, wenn die Praxisfortführung aufgrund der Versorgungsrelevanz erforderlich ist. In folgenden Fällen liegt jeweils eine entsprechende Versorgungsrelevanz vor:

  • Soweit sich etwa ein Medizinisches Versorgungszentrum auf einen Sitz beworben hat und hierdurch ein „besonderes Versorgungsangebot“ zugunsten der Patienten geschaffen werden soll;
  • Soweit „Versorgungsgründe″ einer Ablehnung eines Nachbesetzungsantrages entgegenstehen;
  • Soweit regional ein Versorgungsengpass droht, der nicht durch andere lokale Ärzte auszugleichen ist;
  • Soweit ein besonderer lokaler oder qualifikationsbezogener Versorgungsbedarf besteht oder ein Arztsitz einer speziellen Fachrichtung weiterhin benötigt wird;
  • Soweit sich der Käufer verpflichtet, eine barrierefreie Praxis einzurichten.

Bei der Prüfung der Versorgungsrelevanz der Praxis hat der Zulassungsausschuss alle verfügbaren Erkenntnisse zu würdigen, z.B. die Praxis bzw. den Fachbereich betreffenden Information der Termin-Service-Stelle, Hinweise von zuweisenden Ärzten, neue medizinische Behandlungsmethoden, Patienten-Beschwerden, Abrechnungsverhalten der „Wettbewerber″ etc. Das Ergebnis ist somit stets Resultat einer Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalls.

Nichtversorgungsrelevante Praxis

Soweit die Praxis nicht versorgungsrelevant ist, gilt folgendes:

  • Ab einem Versorgungsgrad von 110% kann der Zulassungsausschuss den Antrag auf Nachbesetzung ablehnen;
  • Ab einem Versorgungsgrad von 140% soll der Zulassungsausschuss den Antrag auf Nachbesetzung ablehnen.

Dem Zulassungsausschuss steht allerdings auch im Falle eines Versorgungsgrades von über 140% die Möglichkeit offen, im Sinne einer Ausnahme von der Regel den Antrag auf Nachbesetzung zu genehmigen, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Das Interesse des Verkäufers und private Interessen des Käufers kommen hier regelmäßig nicht in Betracht, so dass das „soll″ bei Überversorgung i.H.v. 140 % in der Regel als „muss″ zu verstehen ist.

Ob im Einzelfall ein noch länger laufender Mietvertrag oder der Erhalt von Arbeitsplätzen als Argument für die Nachbesetzung angeführt werden können, erscheint sehr fraglich – auch wenn solche Aspekte den nach Einziehung des Sitzes fälligen Verkehrswert beeinflussen könnten.

Bei Praxisnachfolge: Zeithorizont beachten

In zeitlicher Hinsicht ist mit einer Bearbeitungszeit von ca. 4 Monaten durch den Zulassungsausschuss zu rechnen.

Daneben ist, soweit der Käufer angestellter Arzt des Verkäufers ist oder mit dem Verkäufer die Praxis gemeinschaftlich betreibt, bei der Praxisnachfolge einzukalkulieren, dass eine Privilegierung erst nach drei Jahren erfolgen kann, die dann dem Datum der Zulassung vorangehen müssen.

Tags: Nachbesetzungsverfahren Praxisnachfolge