15. Februar 2017
Stimmrechtsberater, Aktionär
Corporate / M&A Aktienrecht

Reform der Aktionärsrechte – Richtlinie verschont auch institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater nicht!? – Teil 3

Die Änderung der Aktionärsrechte-Richtlinie macht auch vor Stimmrechtsberatern, institutionellen Anlegern und Vermögensverwaltern nicht halt.

Die Änderung der Aktionärsrechte-Richtlinie (2007/36/EG) macht auch vor institutionellen Anlegern, Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern nicht halt. Sie spielen allesamt eine immer größere Rolle, nutzen ihren Einfluss aber nicht durchgängig im Sinne einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung. So jedenfalls die Einschätzung des europäischen Gesetzgebers. Mit einem Überblick über die künftigen Transparenzanforderungen runden wir unsere Blogreihe zur Aktionärsrechte-Richtlinie ab.

Transparenz, Transparenz, Transparenz…

Mit einem Paket von Offenlegungspflichten sollen institutionelle Anleger und Vermögensverwalter künftig zur Ausübung der Aktionärsrechte im langfristigen Interesse sowohl der Beteiligungsunternehmen als auch der Endbegünstigten – etwa von Pensionsfonds – angehalten werden. Zusätzliche Informationen sollen letzteren informierte Anlageentscheidungen ermöglichen.

„Einbeziehungspolitik″ institutioneller Anleger und von Vermögensverwaltern

Institutionelle Anleger und Vermögensverwalter müssen künftig eine „Politik zur Einbeziehung der Aktionäre″ entwickeln und auf ihrer Website veröffentlichen. Entgegen der missglückten Übersetzung des englischen „Shareholder Engagement″ geht es nicht darum, wie die Adressaten ihre Aktionäre einbeziehen, sondern wie sie Aktionärsrechte in ihren Beteiligungsunternehmen ausüben und ein derartiges „Shareholder Engagement″ in ihre Anlagestrategie integrieren. Darüber hinaus sollen sie beschreiben, wie sie Beteiligungsunternehmen hinsichtlich relevanter Themen überwachen und mit diesen Dialoge führen, wie sie mit anderen Aktionären kooperieren und wie sie Interessenkonflikte bewältigen (insbesondere in Fällen, in denen sie zugleich wesentliche Geschäftsbeziehungen mit der Gesellschaft unterhalten) (Art. 3f Abs. 1 lit. (a)).

Zudem wird jährlich über die Umsetzung der „Einbeziehungspolitik″ – ebenfalls auf der jeweiligen Unternehmenswebsite – zu berichten sein. Der Bericht hat sich auf das Abstimmverhalten in den Beteiligungsunternehmen und die Nutzung der Dienste von Stimmrechtsberatern zu erstrecken, wobei eine Ausnahme für – aufgrund ihrer Art oder Höhe – unwesentliche Beteiligungen gilt (Art. 3f Abs. 1 lit. (b)).

Wollen die Verpflichteten gänzlich von der Offenlegung einer Einbeziehungspolitik und der jährlichen Berichterstattung absehen, wird nach dem Prinzip des comply-or-explain zumindest eine Abweichungsbegründung geschuldet. Den Verpflichteten steht es also grundsätzlich frei, ob sie die vorstehenden Anforderungen der Richtlinie erfüllen oder aber möglichst überzeugende Gründe dafür liefern, weshalb sie hiervon abweichen.

Anlagestrategie institutioneller Investoren und Vereinbarungen mit Vermögensverwaltern

Auch die Anlagestrategien institutioneller Investoren und Vereinbarungen mit Vermögensverwaltern werden mit der Umsetzung der Aktionärsrechte-Richtlinie transparenter. Der Gesetzgeber hat hier stets Pensionsfonds im Hinterkopf.

  • Institutionelle Anleger sollen daher offenlegen, inwieweit ihre Anlagestrategie mit Profil und Laufzeit ihrer – mittel- und langfristigen – Verbindlichkeiten gegenüber den Endbegünstigten (künftigen Rentnern) kongruent ist (Art. 3g Abs. 1).
  • Werden die Dienste von Vermögensverwaltern genutzt, soll die Offenlegung der Eckpunkte des jeweiligen Mandats eine Einschätzung ermöglichen, ob ein Interessengleichlauf mit den Endbegünstigten durch die jeweilige Vereinbarung gefördert oder Fehlanreize gesetzt werden. Aber auch hier gilt (nur): comply-or-explain (Art. 3g Abs. 2).
  • Die Vermögensverwalter haben gegenüber den sie beauftragenden institutionellen Investoren jährlich Rechenschaft abzulegen, um eine effektive Überwachung zu ermöglichen. Die Mitgliedstaaten können darüber hinaus eine Veröffentlichungspflicht vorsehen (Art. 3h Abs. 1 und 2).

Stimmrechtsberater stärker in der Verantwortung

Stimmrechtsberater werden als ein letzter Akteur der Aktieninvestitionskette künftig ebenfalls stärker in die Verantwortung genommen. Gerade auf internationale Investoren, die zu den Hauptkunden gehören und mit dem deutschen Aktienrecht oft nur rudimentär vertraut sind, haben die Empfehlung der Stimmrechtsberater einen beträchtlichen Einfluss. Zugleich aber sind die Unabhängigkeit der Berater und die Wege und Mechanismen ihrer Beratung oft undurchsichtig, insbesondere inwieweit Empfehlungen die Besonderheiten des einzelnen Markt und der jeweiligen Gesellschaft hinreichend berücksichtigen. Ein an die Stimmrechtsberater adressiertes Maßnahmenpaket soll „richtige und zuverlässige″ Stimmempfehlungen gewährleisten:

  • Über Pflichten zur Anerkennung eines Verhaltenskodex und jährliche comply-or-explain Berichte müssen auch Stimmrechtsberater künftig tiefere Einblicke in ihre Arbeitsweise zulassen, jedenfalls im Grundsatz. Denn dieses Maßnahmenbündel ist abermals als „soft law″ ausgestaltet, so dass sich Stimmrechtsberater nach dem Prinzip des comply-or-explain auch des Themas entledigen können, sofern sie eine ausführliche Begründung hierfür liefern (Art. 3i Abs. 1).
  • In jedem Fall müssen die Stimmrechtsberater jährlich bestimmte Informationen im Zusammenhang mit ihren Untersuchungen, Beratungen und Stimmempfehlungen veröffentlichen. Während jedenfalls die großen Player im Markt wie ISS und Glass Lewis schon heute ihre Abstimmungsleitlinien veröffentlichen, gehören zum Veröffentlichungsumfang neben den Schlüsselinhalten der Leitlinien künftig auch Informationen zu Methoden und Modellen, Informationsquellen, Prozessen zur Qualitätssicherung, Berücksichtigung unternehmensspezifischer Umstände, Dialogen mit den Unternehmen, auf die sich ihre Empfehlungen beziehen, sowie zum Umgang mit Interessenkonflikten (Art. 3i Abs. 2).
  • Um eine lückenlose Transparenz sicherzustellen, gelten diese Anforderungen schließlich auch extra-territorial für Stimmrechtsberater aus Drittstaaten (außerhalb der EU), solange sie ihre Dienste über eine Niederlassung in der EU – unabhängig von deren Form – erbringen (Art. 3i Abs. 4a).

Maßnahmenpaket auf Wiedervorlage: Verschonen sich die Adressaten etwa selbst?

Der Corporate Governance-Rahmen der EU ist geprägt von Transparenz und beruht auf dem Ansatz des comply-or-explain, wie die entsprechend durchzogene Änderungsrichtlinie eindrücklich unter Beweis stellt. Diese Rechtsetzungsstrategie ermöglicht eine Harmonisierung in Europa, die den Mitgliedstaaten und den Regelungsadressaten Raum für einzelstaatliche Rechtstraditionen und individuelle Besonderheiten lässt. Für manch ein Regelungsziel mag dieser Ansatz allerdings nicht hinreichend harmonisierend wirken. Dann wird mit verbindlichen Maßnahmen „ein Gang heraufgeschaltet″ in Richtung „Vollharmonisierung″.

Im Hinblick auf institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater fängt der europäische Gesetzgeber mit dem vorstehenden Maßnahmenbündel erst einmal „klein an″. Dass er sich bei der gewählten „Regulierungsdosis″ aber nicht so ganz sicher ist, verdeutlicht der Überprüfungsauftrag an die EU-Kommission nach Art. 3j des Kompromisstextes. Nach drei bis vier Jahren sollen Effektivität und Angemessenheit der nationalen Umsetzungen sowie der Bedarf weiterer rechtlicher Vorgaben auf den Prüfstand gestellt werden.

Im Lichte der sich abzeichnenden Bürokratie und einem eher geringfügigen Nutzen für den jeweiligen Regelungsadressaten ist der Anreiz, sich gegen „comply″ und für ein „explain″ zu entscheiden, nicht von der Hand zu weisen. Dass ein Verzicht auf die Regelbefolgung und eine mehr oder minder überzeugende Abweichungsbegründung massiv von der Öffentlichkeit und anderen Erklärungsadressaten abgestraft werden könnten, steht derzeit nicht zu erwarten. Es liegt daher eher nahe, dass diese erste Regulierungsrunde weitgehend wirkungslos bleiben könnte.

Der Zeitstrahl ist jedenfalls vorprogrammiert: 2017 Inkrafttreten, 2019 nationale Umsetzung und ab 2022 Review…

Dieser Teil 3 rundet unsere dreiteilige Blogreihe zu den Änderungen, die mit der neuen Aktionärsrechte-Richtlinie für börsennotierte Aktiengesellschaften einhergehen werden, ab. Teil 1 befasst sich mit den  Änderungen bei den Dauerthemen Vorstandsvergütung und den Related Party Transactions. Zentrales Anliegen der Richtlinie ist die stärkere Beteiligung der Aktionäre an der Corporate Governance. Teil 2 befasst sich mit dem künftigen Recht börsennotierter Gesellschaften, ihre Aktionäre mit dem Ziel einer direkten Aktionärs-Kommunikation zu identifizieren. Finanzintermediäre sollen daneben eine effektive Ausübung der Aktionärsrechte erleichtern.

Tags: Aktionär Stimmrechtsberater
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Bodo Schmidt-Schmiedebach