Das Ausscheiden eines Gesellschafters bietet oftmals Anlass zum Streit. Wir zeigen auf, wie sich Streitpunkte durch eine vorausschauende Vertragsgestaltung vermeiden lassen.
Zweck des Abfindungsanspruchs ist es, den ausscheidenden Gesellschafter für den Verlust seiner Mitgliedschaft zu kompensieren und ihm eine Gegenleistung für die den verbliebenen Gesellschaftern überlassene Beteiligung zu gewähren. Daher ist dem ausscheidenden Gesellschafter grundsätzlich derjenige Betrag auszuzahlen, den er bei einer (fiktiven) Auflösung und Beendigung der Gesellschaft im Zeitpunkt seines Ausscheidens erhalten würde.
Zentrale Anspruchsgrundlage für die Abfindung ausscheidender Gesellschafter aus einer Personengesellschaft ist § 738 Abs. 1 S. 2 BGB. Sie gilt gleichermaßen für die Gesellschafter einer GbR, einer oHG (§ 105 Abs. 3 HGB), einer KG (§§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB) und die Partner einer Partnerschaftsgesellschaft (§1 Abs. 4 PartGG).
Keine Anwendung findet § 738 Abs. 1 S. 2 BGB auf die rechtsgeschäftliche Übertragung des Gesellschaftsanteils, da hierbei die vermögensrechtliche Abwicklung nur zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber des Anteils stattfindet.
Anspruchsgegner und Haftung der übrigen Gesellschafter
Da der Abfindungsanspruch als sog. Sozialverbindlichkeit dem Gesellschaftsverhältnis entspringt, ist er in erster Linie gegen die Gesellschaft zu richten. Wird die Gesellschaft, infolge des Ausscheidens (voll)beendet, z.B. weil nach dem Ausscheiden nur noch ein Gesellschafter verbleibt, richtet sich der Anspruch gegen den verbleibenden Gesellschafter.
Ob die übrigen Gesellschafter für den Abfindungsanspruch auch persönlich haften, ist umstritten. Die wohl herrschende Auffassung in Literatur und Rechtsprechung bejaht eine persönliche Haftung unter Verweis auf den Wortlaut von § 738 Abs. 1 S. 2 („ihm dasjenige zu zahlen„) sowie unter Heranziehung von § 427 BGB und § 128 HGB analog. Der Ausgeschiedene muss sich aber interne Haftungsbeschränkungsabreden zugunsten der Mitgesellschafter entgegenhalten lassen.
Fälligkeit des Abfindungsanspruchs im Gesellschaftsvertrag regeln
Der Abfindungsanspruch entsteht im Zeitpunkt des Ausscheidens. Unklar und umstritten ist hingegen, wann der Anspruch fällig wird, wann also der ausgeschiedene Gesellschafter den Abfindungsbetrag fordern kann.
Um Streitigkeiten bei der Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts vorzubeugen, empfiehlt es sich daher, den Fälligkeitszeitpunkt bereits im Gesellschaftsvertrag zu festzulegen.
Ermittlung des Abfindungsanspruchs nach dem „wahren Wert“
Es gilt der Grundsatz: Der Abfindungsanspruch soll einen vollwertigen Ausgleich für den mit dem Ausscheiden aus der Gesellschaft verbundenen Verlust der Mitgliedschaft in der Gesellschaft und damit verbundenen Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft darstellen. Es ist daher grundsätzlich der „wahre Wert″ des Gesellschaftsvermögens zu ermitteln. Hieraus wird anschließend der Abfindungsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters abgeleitet.
Das Gesetz schreibt keine bestimmte Methode zur Feststellung des wahren Werts der Gesellschaft vor. Nach der Rechtsprechung des BGH ist diejenige Methode zu wählen, die den spezifischen Besonderheiten des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens am besten gerecht wird. In der Praxis erfolgt die Unternehmensbewertung heute im Regelfall nach der Ertragswertmethode.
Gestaltung und Grenzen von Abfindungsvereinbarungen
Die Auszahlung einer Abfindung kann die Gesellschaft unter Umständen in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Die gesetzliche Regelung wird daher oftmals im Gesellschaftsvertrag abbedungen und durch eine Vereinbarung ersetzt, die (auch) das Kapitalerhaltungsinteresse der Gesellschafter berücksichtigt. So sollen durch eine Beschränkung der gesellschafterlichen Abfindungsansprüche Liquiditätsengpässe bei der Gesellschaft vermieden werden.
Solche Abfindungsvereinbarungen aber unterliegen einer umfassenden richterlichen Inhaltskontrolle. Diese richtet sich vor allem nach dem Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB. So kann eine Abfindungsvereinbarung sittenwidrig sein, wenn der Gesellschafter wegen Auseinanderfallen von realem und vereinbartem Abfindungswert unangemessen benachteiligt wird.
In der Praxis finden sich häufig sog. Buchwertklauseln. Hierbei wird die Abfindung anhand der Buchwerte des vorangegangenen oder folgenden Jahresabschlusses berechnet. Buchwertklauseln sind vor dem Hintergrund des § 138 Abs. 1 BGB grundsätzlich als unbedenklich anzusehen. Denn im Zeitpunkt ihrer Vereinbarung wird eine sittenwidrige Beschränkung der Rechtsausübung des betroffenen Gesellschafters wegen des in der Regel geringen Unterschieds zwischen Verkehrswert und Buchwert nur selten gegeben sein. Ein späteres Auseinanderfallen von Verkehrs- und Buchwert der Beteiligung kann dagegen den Einwand des Rechtsmissbrauchs oder der gestörten Geschäftsgrundlage begründen.
Ein vollständiger Ausschluss der Abfindung ist dagegen grundsätzlich unwirksam. Dies gilt auch dann, wenn der Gesellschafter aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird. Dagegen ist ausnahmsweise ein Abfindungsausschluss zum Nachteil der Gesellschafter-Erben zulässig, wenn die Gesellschaft nach dem Tod eines Gesellschafters von den übrigen Gesellschaftern oder einem allein verbliebenen Gesellschafter ohne die Erben fortgesetzt wird.
Sorgfältige Gestaltung des Gesellschaftsvertrags kann Streitigkeiten vorbeugen
Bereits mit der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags haben es die Gesellschafter in der Hand, Streitigkeiten um die Abfindung ausscheidender Gesellschafter (weitgehend) zu vermeiden. Insbesondere die Beschränkung etwaiger Abfindungsansprüche bedarf vor dem Hintergrund der kleinteiligen und oftmals einzelfallabhängigen Rechtsprechung sorgfältiger Prüfung. Wichtig ist es zudem, den Gesellschaftsvertrag regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen und ihn an geänderte Umstände anzupassen.
Unsere Beitragsreihe informiert rund um das Thema Gesellschafterstreitigkeiten. Bereits erschienen sind Beiträge zur Entstehung von Gesellschafterkonflikten, die mögliche Steuerung durch Gestaltung der Gesellschafterverträge und wie streitige Gesellschafterversammlungen vorbereitet und durchgeführt werden können. Anschließend haben wir uns mit der Teilnahme von Beratern an Gesellschafterversammlungen, der Beschlussfassung in der streitigen Gesellschafterversammlung sowie der Besetzung der Geschäftsführung befasst. Zuletzt eingegangen sind wir auf Streit über Maßnahmen der Geschäftsführung.